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Die Kula von Tschakowa geht um die Welt

Die QSL-Karte von Erwin Muth mit der mittelalterlichen Kula, dem Wahrzeichen seines Heimatortes im Banat

Hier, in einem entsprechend ausgestatteten Raum, geht der Amateurfunker Erwin Muth seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Foto: Herbert Höckl

Fragt man nach Lieblingsbeschäftigungen unserer Landsleute, so fällt das von Erwin Muth ausgeübte Hobby „Amateurfunk“ besonders auf. Darüber wollen wir heute berichten.

Seit 23 Jahren ist der heute 85-Jährige Mitglied des Deutschen Amateur-Radio-Clubs (DARC) und verschickt mit seiner QSL-Karte, dem internationalen Rufzeichen seiner Amateurfunkstation, die Ansicht unserer mittelalterlichen Kula (serbisch Turm), dem Wahrzeichen von Tschakowa, um die ganze Welt.

Seit Menschengedenken war die Verständigung wichtig. Waren es in der Antike die Rauch- und Feuerzeichen, die zur Fernkommunikation dienten, später die Flügel- und die Morsetelegrafie, so begann die Geschichte der Sprachübertragung vor etwa 100 Jahren. Die Funktechnik ist eine Methode, verschiedene Signale drahtlos über elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich zu übertragen. Funkamateure sind mit den ihnen zugeteilten Frequenzen miteinander verbunden.

Der Amateurfunk, ein vielfältiges Hobby, hat sich schnell entwickelt, erzählt Erwin Muth mit Begeisterung. Funkamateure dürfen selbst Funkgeräte und Antennen bauen, Sender betreiben und experimentieren. Es gibt stets neue Betätigungsfelder, basierend auf eigenen Satelliten, digitalen Betriebstechniken mit Computern und Software, mit denen sich Verbindungen rund um die Welt herstellen lassen. Mit etwas Glück können selbst Kontakte zur internationalen Raumstation ISS hergestellt und Bilder empfangen werden.

Wie Erwin Muth die Leidenschaft zum Funken entwickelte, zeigt ein kleiner Einblick in seine Biografie: 1935 in Tschakowa geboren, hatte er keine leichte Kindheit. Wie andere seiner Generation erlebte er die Flucht, eine Rückkehr in die Heimat ohne den Vater und die Notwendigkeit, schon früh zu arbeiten. Nach seiner Schulzeit im Heimatort – nur wenige Schuljahre waren damals in deutscher Sprache möglich – gab ihm die Berufsschule für Elektrotechnik das Rüstzeug für die spätere Laufbahn.

Anfang der 1960er Jahre fand der erste Kontakt mit dem Funken (Betriebsfunk) in einem Umspannwerk für überregionale Stromversorgung statt. Sein Interesse war geweckt. Er kommunizierte dort über Funk auch mit seinem mittlerweile verstorbenen Bruder Gerhard, der ebenfalls ein fleißiger Tüftler war. Im Schichtbetrieb nutzte er die freie Zeit, um das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen. 1973 siedelte er mit seiner Frau Trude (geborene Schäffer) nach Lahr im Schwarzwald um. Ihr später erworbenes Haus, auch auf der Rufkarte abgebildet, wurde Heimat für Familienangehörige und Verwandte und der dazugehörige Garten ein weiteres seiner Hobbys. Feigen-, Aprikosen- und Pfirsichbäume hat er aus der alten Heimat mitgebracht und in Lahr auch weiterverschenkt. Auch seine Rebsorte „Perle von Csaba“ gedeiht gut beim Winzer in der Rheinebene im Schwarzwald.

Aber nun zurück zum Funkamateur: Nach erfolgreichen Berufsjahren ging Erwin Muth 1997 in den Ruhestand und hatte somit die Freiheit, sich auch dem Hobby zu widmen, von dem er schon lange geträumt hatte. Fast ein Jahr Vorbereitung investierte er für die anspruchsvolle Prüfung und erhielt abschließend die Lizenz, sein Amateurfunkzeugnis. Somit wurde ihm auch das weltweit einmalige Rufzeichen DG4GEM zugeteilt, mit dem sich seine Funkstation identifizieren kann. Das Amateurfunken ist ein interessantes Hobby, das sowohl die Kommunikation mit Gleichgesinnten als auch die Faszination am Basteln und Tüfteln fördert.

Wie funktioniert das Funken? Der Funkamateur versucht, mit Signalen möglichst große Entfernungen zu überbrücken. Dabei sendet er vorerst einen sogenannten CQ-Ruf und fordert damit alle auf, die ihm zuhören, zu antworten. Er kann auch gezielt eine bestimmte Station anrufen. Wenn die atmosphärischen Bedingungen gut sind, kann man mit den entlegensten Winkeln der Erde kommunizieren, sogar bis in die Antarktis sind Erwin Verbindungen gelungen. Man tauscht technische Einzelheiten aus, fachsimpelt. Es kann durchaus vorkommen, dass sich beim Funken ein alter Bekannter einschaltet, um mit „Erwin din Pădurea Neagră“ zu sprechen.

Mit der QSL-Karte (bedeutet „ich gebe Empfangsbestätigung“) wird – falls erwünscht – eine erfolgreiche Funkverbindung bestätigt. Diese Karten, die ein begehrtes Sammelobjekt für Funkamateure sind, werden besonders gerne mit Gleichgesinnten aus dem Ausland ausgetauscht. Erwin hat sogar eine Karte aus dem Königreich Jordanien bekommen.

Auf diese Weise hat unser Landsmann bereits 1200 dieser „Ansichtskarten vom Kulaturm“ in verschiedene Länder verschickt, nach Österreich, Rumänien, Venezuela, Kanada, in die USA usw. Seiner Karte kann man auch entnehmen, dass Erwin Muth dem Lokalclub A08/Lahr angehört. Bei den Treffen dieses Clubs kann in der Werkstatt gewerkelt oder an der Clubstation gefunkt werden. Beliebt ist auch der „Fieldday“ (Feldtag), eine Mischung aus Funkwettbewerb und Sommerfest. Gerne werden auch funkbegeisterte Jugendliche mit einbezogen, die es meistens „cool“ finden, „wenn's so funkt“.

Die monatliche Funkzeitschrift CQDL – Ruf Deutschland – informiert über Neuheiten aus der Fachwelt, worüber man auch bei regelmäßigen Gesprächsrunden diskutiert.

Im Gespräch mit Erwin Muth fallen noch Begriffe wie „Jedermann-Funk“, genutzt für Funkanwendungen ohne Nachweis einer Prüfung, oder CB-Funk, was Bürger-Frequenzbereich bedeutet. Im Lokalbereich kommuniziert man über UKW und kann bei Schwierigkeiten auf digitale Funkarten ausweichen. Eine bereichernde Kommunikationsart sei „Echolink“, die es ermöglicht, Amateurfunk auch über Internet zu führen, erläutert Erwin Muth, der die Freude am Funken auch an seinen Neffen Herbert weitergegeben hat.

Was ist das Besondere an diesem Hobby? Es bietet Möglichkeiten, technisches Wissen zu erweitern, es macht Freude, etwas selber zu bauen, man lernt neue Menschen kennen, es dient der Völkerverständigung. Amateurfunker halten sich an ihren Ehrenkodex und sind sehr sozial.

Es sei erwähnt, dass Erwin Muth sich auch gerne in die Gemeinschaft eingebracht hat. Früher Mitglied des Vorstandes der Heimatortsgemeinschaft Tschakowa, war er auch 20 Jahre als zweiter Vorsitzender des Kreisverbandes Lahr tätig und organisierte Aktionen zur Unterstützung der Heimatgemeinde. Viele Veranstaltungen der Banater Schwaben in Lahr und Umgebung wurden durch seine Mithilfe organisiert.

Kürzlich ist seine Frau Trude, sowohl in Tschakowa als auch in Lahr langjährige Chorsängerin, verstorben. Erwin Muth legt Wert darauf, neben Verwandten in der Gemeinschaft der Amateurfunker ständig mit Leuten in Kontakt zu bleiben. Wir wünschen ihm weiterhin viel Spaß mit seiner kommunikativen Freizeitbeschäftigung, die es ihm ermöglicht, auch in Zeiten der Pandemie Kontakte zu pflegen, aus denen sich Freundschaften entwickelt haben.