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Eine besondere Beziehung zu den Banatern

Guido Wolf MdL, Minister der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg Quelle: www.justiz-bw.de

Guido Wolf als Festredner beim Heimattag der Banater Schwaben 2018 in Ulm Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Guido Wolf ist Minister der Justiz und für Europa unseres Patenlandes Baden-Württemberg. Der CDU-Politiker mit Wohnsitz in Tuttlingen ist mit der Geschichte und dem Schicksal der Banater Schwaben bestens vertraut. Er kennt die landsmannschaftlichen Aktivitäten im Landkreis Tuttlingen und nahm des Öfteren an Veranstaltungen des Kreisverbandes Tuttlingen-Rottweil-Schwarzwald-Baar und der Heimatortsgemeinschaft Darowa teil. Seine Wertschätzung für die Leistungen der Banater Schwaben in der angestammten Heimat, für ihr Festhalten an der eigenen Identität und für ihre vorbildliche gesellschaftliche Integration in Deutschland brachte Guido Wolf als Festredner bei den Heimattagen 2014 und 2018 zum Ausdruck. Anfang August 2018 besuchte der Justiz- und Europaminister anlässlich
einer offiziellen Reise nach Rumänien auch das Banat, wo er sich mit Vertretern der Banater Deutschen austauschte und am 150. Kirchweihfest in Sankt-anna teilnahm.
Im Vorfeld der Landtagswahl in Baden-Württemberg, bei der Guido Wolf erneut im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen antritt, führte die Redaktion ein Interview mit dem Politiker.

Im September 2020 wählten die Bürger von Temeswar den aus Görwihl im Schwarzwald stammenden deutschen Staatsbürger Dominic Fritz zum neuen Bürgermeister. Staatspräsident Klaus Johannis ist Karlspreisträger 2020, Temeswar ist Europäische Kulturhauptstadt 2023 – für den Europaminister von Baden-Württemberg erfreuliche Schritte zum europäischen Südosteuropa?
Absolut! Oftmals haben viele Menschen in Deutschland diese Regionen nicht direkt „auf dem Schirm“, was sehr schade ist, da es dort nicht nur wunderschön ist, sondern diese Region auch kulturell so viel zu bieten hat. Gerade vor dem Hintergrund der bewegten Geschichte bedeutet mir als Europaminister die positive Entwicklung in dieser Region sehr viel. Ich freue mich sehr für die Bürgerinnen und Bürger, dass Temeswar durch die Wahl des Schwarzwälders Dominic Fritz zum neuen Bürgermeister und vor allem mit der Nominierung zur Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2023 die große Chance hat, sich Europa zu präsentieren. Diese Entwicklungen sind aus meiner Sicht auch Ausdruck für die enge Verbundenheit zwischen Baden-Württemberg und Rumänien und damit auch positiv für das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb Europas. Dies lässt uns auf eine weitere Stärkung der Verbindungen in unserer europäischen Familie hoffen.

Im Jahr 2018 führte Sie eine Dienstreise mit Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg nach Rumänien. Welches waren die Stationen und wer Ihre Gesprächspartner? Waren die Gespräche nach Ihrem Eindruck auch von einem europäischen Geist geprägt?
Die Reise begann in Bukarest, wo ich die Gelegenheit hatte, Gespräche mit Justizminister Tudorel Toader, mit dem Berater des Präsidenten, Herrn Minister Dr. Sergiu Nistor, dem Staatssekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Herrn Cristian Winzer, sowie dem Vorsitzenden der Nationalliberalen Partei (PNL), Herrn Ludovic Orban zu führen. Die Reise führte die Delegation dann weiter nach Temeswar, wo ich den Abgeordneten der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Herrn Ovidiu Ganţ, und den Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat treffen konnte. Ein sehr bewegender Moment war für mich während meines Besuchs in Temeswar das Niederlegen eines Kranzes am Denkmal für die Deportationsopfer. Es war mir ein Herzensanliegen, mit der Kranzniederlegung den Menschen, die der Verschleppung zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion zum Opfer gefallen sind, meinen Respekt zu erweisen und zum Ausdruck zu bringen, dass wir als nachfolgende Generationen nicht auf-
hören dürfen, uns an dieses schreckliche Verbrechen zu erinnern. Unser Besuch endete schließlich in Sankt-anna, wo wir das 150. Kirchweihjubiläum in der beeindruckenden Mutter-Anna Kirche feiern konnten.

Der europäische Gedanke wurde nicht nur durch die zahlreichen Gespräche deutlich, sondern wurde vor allem durch die vielen Erlebnisse und die besondere Gastfreundschaft, die wir dort erfahren durften, vermittelt. Es ist immer eine schöne Erfahrung, zu spüren, dass der europäische Grundgedanke von so vielen Menschen weitergetragen und gelebt wird.
 
Herr Minister, Sie sind ein gefragter Redner bei Veranstaltungen der Banater Schwaben, der Donauschwaben oder beim Tag der Heimat in Stuttgart. Was verbindet den Europaminister Wolf besonders mit Heimatvertriebenen und Aussiedlern?
Die Heimatvertriebenen hatten schon immer die Vision von einer gemeinsamen Zukunft, welche der heutigen Vision von Europa entspricht. Ein Europa, in dem es den Völkern und Volksgruppen möglich ist, ohne Furcht voreinander das Recht auf Heimat zu leben. Diese Vorstellung verbindet mich ganz besonders mit den Heimatvertriebenen, sie sind mir ein echtes Herzensanliegen.

Im Jahr 2014 hielten Sie die Festansprache beim Heimattag der Banater Schwaben in Ulm als Landtagspräsident, 2018 als Minister für Justiz und Europa. Sie bezeichneten die Banater Schwaben als echte Heimatstifter – was begründet für Sie diese Reverenz an uns Banater Schwaben?
Die Geschichte dessen, was die Banater Schwaben erleiden mussten, ist eine dunkle. Doch all das Unrecht, welches sie erleben mussten, führte nicht zu einer Zerrüttung ihrer Kultur. Vielmehr zeigte sich darin ihr enormer Zusammenhalt und ihre Stärke, die sich in besonderer Weise in ihrem Beitrag zur Familienzusammenführung und vielem mehr zeigten. Mit den Banater Schwaben verbinde ich eine schöne und bunte Kultur, welche sich auch in ihren Trachten und Gebäuden zeigt. Während meiner Besuche erfreute ich mich stets an dem reichen Vereinsleben und der Herzlichkeit, mit welcher mir begegnet wurde.

Der damalige rumänische Ministerpräsident Dacian Cioloş sagte beim Heimattag 2016 in Ulm: „Rumänien bedauert die Flucht und Emigration der Banater Schwaben“. Fand die darin zum Ausdruck kommende Wertschätzung auch in Ihren Gesprächen mit rumänischen Regierungsvertretern Niederschlag?
Selbstverständlich bleibt bei diesen Gesprächen immer etwas hängen. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass unsere Interessen nicht auf Gleichem beruhten. Der Heimattag führte nochmals zu einer Stärkung des Verhältnisses zwischen Rumänien und Baden-Württemberg. Baden-Württemberg ist besonders eng verbunden mit den Banater Schwaben, wir pflegen ein gutes und vertrauensvolles Miteinander.

Die deutsche Minderheit ist im Demokratischen Forum der Deutschen im Banat organisiert, pflegt und vermittelt das kulturelle Erbe der Deutschen in der Region. Dem Europäer Jean Monnet wird die Aussage zugeschrieben: „Wenn ich nochmals mit dem Aufbau Europas beginnen könnte, dann würde ich mit der Kultur beginnen“ – also nicht mit der Wirtschaft. Ist die Pflege von Tradition und Kultur der deutschen Minderheit in Rumänien ein verknüpfendes Element in Europa?
Der Begriff der Kultur bedeutet seinem Wortstamm nach in gleicher Weise „bewohnen“, „bebauen“, „pflegen“ und „ehren“. Demnach bedeutet Kultur mehr als Kunst und Tradition. Kultur zeigt uns einen Weg auf, den wir als Gesellschaft einschlagen können, um unsere Ziele zu erreichen und um miteinander zu entscheiden, von welchen Prinzipien wir uns leiten lassen. Dies sind die Grundpfeiler, auf denen ein gemeinsames Europa fußt. Die Pflege von Traditionen stärkt die Identität und damit den Zusammenhalt und lädt andere ein, daran teilzuhaben. Wer aufhört, seine kulturellen Wurzeln zu pflegen, der verliert sein Bewusstsein über seine Herkunft. Dieses Bewusstsein ist von größter Bedeutung, um das vielfältige und bunte Gesicht Europas zu zeigen. Die Coronapandemie führt uns vor Augen, dass neben wirtschaftlichem Erfolg auch die Kultur in ihrer ursprünglichen Bedeutung eine wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt spielt. Ich kann dem von Jean Monnet geäußerten Gedanken insofern sehr viel abgewinnen.

Sie und Ihre Delegation haben im Jahr 2018 am 150-jährigen Kirchweihjubiläum der Mutter-Anna-Kirche in Sanktanna und einem der größten Kirchweihfeste im Banat teilgenommen. Die Tradition der deutschen Aussiedler im 18. Jahrhundert wird bis heute gepflegt. Was sind Ihre Eindrücke bei den vielen Gesprächen mit Sankt-annerinnen und Sanktannaern aus Deutschland und aus Sanktanna?
Die Eindrücke in Sanktanna haben mich und die gesamte Delegation begeistert. Zu sehen, mit wieviel Herzblut sich die Menschen dort engagieren, war uns eine große Freude. Wir werden die große Herzlichkeit und den wunderbaren Empfang in Sanktanna nie vergessen!

Am 14. März 2021 wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Sie sind Mitglied des bisherigen Landtags. Baden-Württemberg ist den Heimatvertriebenen sehr verbunden, eine besondere Beziehung bestehe zu den Banater Schwaben, sagten Sie beim Heimattag in Ulm 2018. Sicher setzen Sie sich auch weiterhin für die besondere Beziehung zu uns Banater Schwaben ein…
Die Vertriebenenverbände und deren Engagement sind mir sehr wichtig, ich pflege die persönlichen Kontakte, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Wir brauchen weitere Verbesserungen in der Rentenfrage, dafür setze ich mich ein. Die Beziehung zu den Banater Schwaben ist mir ein sehr wichtiges Anliegen, welches ich auch in Zukunft weiter stärken möchte. Für mich stehen die Menschen und die Region für unsere europäische Gemeinschaft, in der wir viele Gemeinsamkeiten teilen und von unseren Unterschieden profitieren. Auch in meinem Wahlkreis pflege ich den Austausch und die Begegnung mit den Banater Schwaben und freue mich auf ein weiterhin freundschaftliches und vertrauensvolles Miteinander.