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Das Kleinod Kleinschemlak gibt es nicht mehr

Die evangelische Kirche von Kleinschemlak im Jahr 2006. Fotos: Walther Sinn

Zustand der Kirche nach dem Einsturz des Kirchenschiffes am 4. April 2008.

Abriss der Kirche am 10. Dezember 2013

Bürgermeister lässt evangelische Kirche abreißen. Am 10. Dezember 2013 – mitten in der Adventszeit – rückten die Bagger an und rissen auf Anordnung der Stadtverwaltung Gattaja die baufällige evangelische Kirche in Kleinschemlak bis auf die Grundfesten ein. (Die 200 Einwohner zählende Ortschaft Kleinschemlak gehört verwaltungsmäßig zur Stadt Gattaja.) Der zuständige Pfarrer Walther Sinn aus Semlak wurde von dieser Maßnahme ebenso überrascht wie die Kirchenleitung in Hermannstadt. Der Pfarrer wurde von einem Bewohner aus Kleinschemlak informiert und eilte sofort an den Ort des Geschehens, konnte aber nur noch den Abriss fotografisch dokumentieren. Pfarrer Sinn bezeichnet das Tun der örtlichen Behörden als rechtswidrig. Die Stadtverwaltung gibt an, sie sei zum unmittelbaren Eingreifen verpflichtet gewesen, weil der Turm und die Ruine des Kirchenschiffes einsturzgefährdet gewesen seien.

Die evangelische Kirche in Kleinschemlak wurde 1859 in neobarockem Stil errichtet. Seit der Abwanderung der evangelischen Gemeindeglieder, die in Kleinschemlak bereits lange Zeit vor 1990 einsetzte, hatte sich der Zustand des Gotteshauses zusehends verschlechtert. Schon in den 1970er-Jahren lebten nur noch zwei evangelische Familien in der Ortschaft. 1987 wurden die Glocken sowie das Gestühl aus der Kirche entfernt und in siebenbürgische Gemeinden verlegt. Vor fünf Jahren stürzte schließlich das Dach des Kirchenschiffes ein, wodurch sich dringender Handlungsbedarf im Interesse der Sicherheit der Dorfbewohner ergab. Schon im Jahr 2004, also vier Jahre vor dem Einsturz des Daches des Kirchenschiffes, wurden den Behörden kirchlicherseits mehrere alternative Vorschläge für eine Umgestaltung des Bauwerkes bzw. eine teilweise Abtragung unter Erhaltung des Turmes vorgelegt. Anstatt auf diese Vorschläge einzugehen, hat die lokale Verwaltung leider eine Demolierung bevorzugt, ohne die landeskirchlichen Behörden oder den zuständigen Pfarrer darüber in Kenntnis zu setzen.

„Der Abriss der Kirche von Kleinschemlak ist mehr als nur bedauerlich“, erklärte Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. „Obwohl eine partielle Demontage der baulichen Struktur aus Sicherheitsgründen vorgesehen war, hätte es unter keinen Umständen zu einem Komplettabriss kommen dürfen.“ Die letzten Spuren lutherischen Gemeindelebens in Kleinschemlak drohen nun ganz zu verschwinden. Um dies zu verhindern, erörtert die Kirchenleitung Möglichkeiten, wie an dem Standort trotz des Geschehenen in würdigender Weise an die lutherische Gemeinde und ihre Kirche als Teil der lokalen Geschichte erinnert werden kann.

Wirft das Vorgehen der örtlichen Behörden ein Schlaglicht auf den Umgang mit Kulturgütern im Banat? Hoffentlich nicht. Es gibt nur wenige evangelische Kirchen dort. Daher erschüttert es viele, die das jetzt erfahren haben und darin ein Symbol sehen, wie mit dem Erbe einer „Minderheit in der Minderheit“ umgegangen wird. Mit gutem Willen und Verständnis hätte sich ein Weg gefunden, um das sakrale Kleinod in Kleinschemlak in Teilen zu sichern und zu erhalten.