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UTA und das achte Weltwunder! (Teil 3)

Der Banater Schwabe Josef Leretter (Mitte) jubelt mit seinen Mannschaftskollegen über den Rauswurf von Feyenoord. Foto: Libertatea

Die Bukarester Fachzeitung „Sportul“ widmete dem Rauswurf von Feyenoord durch UTA gleich mehrere Berichte in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober 1970.

So berichtete die Tageszeitung „Neuer Weg“ am 2. Oktober 1970 über die Riesensensation von UTA.

Die großen Erfolge von UTA/50 Jahre seit der Riesensensation gegen Feyenoord Rotterdam

Fans verspotten Happel

Cheftrainer Coco Dumitrescu, ein ruhiger und besonnener Mensch, bleibt selbst nach diesem krachenden Paukenschlag gelassen und analysiert die beiden Spiele gegen Feyenoord ganz nüchtern: „Seit ich Trainer bin, sind meine taktischen Pläne nicht so aufgegangen wie im Hinspiel.“ Dazu verholfen haben ihm auch seine Notizen im Weltpokalfinale gegen die Argentinier. Deshalb sagte Dumitrescu: „Das Unentschieden war kein Zufall, jedoch mussten wir es im Rückspiel bestätigen. Was uns gelungen ist. Unsere Mannschaft, meine Mannschaft, hat eine große Prüfung in zweifacher Hinsicht bestanden. Zum einen war es eine Prüfung des Willens und zum anderen eine Prüfung des Wunsches, eine große und gefürchtete Mannschaft zu bezwingen. Das geschah ein Jahr nach dem Desaster von Warschau. Wie seltsam doch der Fußball ist. Er ist vielleicht das seltsamste Ding auf der ganzen Welt. Heute bist du oben und morgen unten. Dann wieder oben und dann wieder unten. Jetzt freust du dich, dann weinst du, jetzt wirst du gelobt, dann verflucht. Und jedes Mal weißt du nicht sicher, wieviel du das verdienst oder wie sehr du schuld bist. Denn alles entscheidet sich auf dem Spielfeld. Ein Torwartfehler, ein Fehlpass oder ein Schiedsrichterpatzer, gewollt oder nicht, können in solch einem Augenblick alle zusammen oder einzeln das Schicksal eines Trainers zum Guten oder zum Schlechten entscheiden.“ Weise Worte eines großen Trainers, der an allen acht Titelgewinnen von UTA als Spieler oder Coach beteiligt war. Einzigartig! Und unvergessen!

Nach Spielschluss kehrt in Arad keine Ruhe ein. Wie auch! Die Fans ziehen singend durch die Straßen. Etwa 3000 von ihnen versammeln sich vor dem Astoria-Hotel, dem besten der Stadt. Dort war Feyenoord Rotterdam abgestiegen. Und dorthin kehren die Holländer nach dem Spiel zurück. Fair wie man es von ihnen gewohnt ist, applaudieren die Arader Zuschauer, als die Spieler von Feyenoord mit versteinerten Mienen und hängenden Köpfen einer nach dem anderen wortlos im Hotel verschwinden. Die UTA-Fans zeigen wahre Größe in der Stunde des allergrößten Triumphes. Und machen ihrem hervorragenden Ruf alle Ehre. Nicht selten hat Arad den von „Sportul“ ab 1969 gestifteten Fairplaypokal gewonnen, benannt nach dem allergrößten Spieler, den UTA je hatte – dem Banater Schwaben Josef Petschovszky. Bei diesem Wettbewerb benoteten die „Sportul“-Redakteure das Verhalten der Zuschauer während der Spiele in allen A-Liga-Stadien. Bereits die erste Auflage dieses Pokals hatte Arad gewonnen. „Sportul“-Redakteur Ioan Chirilă überreichte den Pokal UTA-Kapitän Josef Leretter.

Als die holländischen Spieler im Astoria-Hotel sang- und klanglos verschwunden sind, bekommt ihr österreichischer Trainer prompt die Rechnung für sein hochmütiges Auftreten bei der Ankunft auf dem Arader Flughafen serviert.

„Happel, Happel, ha, ha, ha / Das ist UTA!“, hallen die Worte der UTA-Fans wie Donner wider. Aus Abertausenden von Mündern.

UTA hat das achte Weltwunder vollbracht!

Dafür werden die Spieler natürlich belohnt. Vom Verein bekommen sie eine Prämie von 5000 Lei pro Kopf. Im Fall von Leretter ist das ein Monatsgehalt. Nicht sonderlich viel. Die gleiche Summe von 5000 Lei hatte der Rumänische Fußball-Verband den Spielern versprochen. Doch daraus wurde nichts. Verteidiger Bíró klärt auf: „Wir sollten das Geld in Raten erhalten. Aber auf einmal kam nichts mehr an.“ Ähnliche Töne auch von Leretter: „Ein wichtiger rumänischer Sportfunktionär aus Bukarest hatte uns für den Fall des Weiterkommens eine solch hohe Summe versprochen, wie wir sie in unserem ganzen Leben nicht besessen haben. Doch nach dem Spiel machte er sich einfach aus dem Staub und wir hörten nichts mehr von ihm.“ Die holländischen Kicker dagegen mussten 3000 Dollar Strafe pro Kopf für das Ausscheiden zahlen. Das hatte der Vorstand gleich nach dem Spiel beschlossen. Dieselbe Summe hätte es bei einem Weiterkommen als Prämie gegeben.

Groß feiern die UTA-Spieler ihren wunderbaren Erfolg jedoch nicht. Auch in der Stunde ihres größten Triumphes heben sie nicht ab und bleiben auf dem Boden. Noch mal Kapitän Petescu: „Wir haben zuhause gefeiert, sind später mit der Familie ausgegangen. Die Fans kamen zu jedem einzelnen von uns nachhause und haben uns ein Ständchen dargebracht.“

Nach dem sensationellen Triumph überschlagen sich die rumänischen und internationalen Medien mit
Lobeshymnen auf UTA. „Sportul“ vergab wie üblich Noten (aber nur für UTA) und die konnten sich – entsprechend der Glanzleistung der Spieler – sehen lassen: Gornea - 10, Bíró - 8, Pozsonyi - 10, Leretter - 10, Brosovszky - 9, Petescu - 9, Calinin - 6 (Sima - 7), Domide - 9, Axente - 8, O. Dembrovsky - 7, Fl. Dumitrescu - 9. Dreimal die Höchstnote 10, ein Schnitt von 8,5 – alle Achtung!

Presse lobt UTA

Wegen des frühen Redaktionsschlusses erscheint der Bericht von Hans Frank am 2. Oktober 1970. Darin schreibt er unter der Überschrift „UTA ließ die Bombe platzen“: „UTA war darauf bedacht, kein Tor zu kassieren und verteidigte sich überzählig. Die Arader vermieden, soweit es nur möglich war, eine Manndeckung, weil ihnen das bei Stars vom Format eines Kindvall, Van Hanegem oder Hasil gefährlich schien. Darum hatten sie immer einen oder zwei Spieler mehr in der Verteidigung, als die Holländer ihre Stürmer vorschickten. Feyenoord musste ein Tor schießen und handelte dementsprechend. Es ist kein Tor gefallen, obwohl der Gewinner des letzten Weltpokals Gorneas Kasten anstürmte. Wieso? Im Angriff versuchten Dumitrescu, O. Dembrovsky, Axente und später Sima die Holländer möglichst unter Druck zu halten. Domide, Calinin und Petescu leisteten im Mittelfeld Schwerarbeit. Ihnen ist es zu verdanken, wenn Feyenoords Angriffe schon vor dem eigenen Strafraum gestoppt wurden. Endstation war für gewöhnlich vor der Viererreihe Bíró, Pozsonyi, Leretter, Brosovszky, die abgesehen von einigen Ausnahmen fehlerlos spielten. Wenn nicht, trat Tormann Gornea in Erscheinung, der die wenigen Schnitzer seiner Vorderleute durch glänzende Paraden ausbügelte. Das torlose Unentschieden geht in Ordnung, auch wenn Ernst Happel seinen Stürmern vorwarf, klare Torgelegenheiten vergeben zu haben. Schließlich hätte UTA mit etwas mehr Glück zwei Tore schießen können. Das Spiel in Arad hat noch einmal bewiesen, dass Feyenoord keine Tore mehr schießen und UTA im Notfall ein Ergebnis halten kann, auch wenn die Aussagen der beiden Trainer diesbezüglich auseinandergehen. In einem Punkt waren sich Coco Dumitrescu und Ernst Happel einig: Die Qualifikation wurde bereits in Rotterdam entschieden. In Arad, wo es sich UTA erlauben konnte, ein 0:0 zu verteidigen, war für den Weltcupgewinner, dessen Stärke auch weiterhin der Gegenangriff bleiben dürfte, nichts zu holen. UTAs Ehrgeiz, Kampfwillen und Einsatzbereitschaft hat wieder einmal, wie schon so oft in den letzten zwei Jahren, mit den bestehenden Leistungsunterschieden aufgeräumt und einen Sieg davongetragen, für den man den Klub nur beglückwünschen kann. UTAs Weiterkommen im Europapokal sollte trotzdem nicht durch ein Wunder erklärt werden. Den Sprung in die zweite Runde haben sich die Schützlinge Coco Dumitrescus und Johann Reinhardts im Schweiße ihres Angesichts vorbereitet und erkämpft. Dabei wurden sie von der ganzen Stadt unterstützt, die eine Woche hindurch im Zeichen der Europapokalbegegnung mit Feyenoord stand.“

Soweit Hans Frank im „Neuer Weg“. Ein Vollblutjournalist, der lange Jahre als Redaktionssekretär und Chef vom Dienst gearbeitet und 1993 den Nachfolger des „Neuer Weg“, die „Allgemeine Deutsche Zeitung“ mitgegründet hat. Ich habe Frank in allerbester Erinnerung, hat er doch meine ersten journalistischen Schritte ab 1977 als freier Mitarbeiter beim „Neuer Weg“ mit begleitet, ebenso als ich ihn während meiner Studienzeit mehrmals in der Bukarester Redaktion besucht habe. Hans Frank verstarb am 23. Dezember 2010 im Alter von 69 Jahren. Ich werde ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Am Tag nach der sensationellen Qualifikation schlagzeilt die Fachzeitung „Sportul“ am 1. Oktober 1970: „Ausgezeichneter Erfolg der Fußballer von UTA: Feyenoord in Arad ausgebootet!“ Und weiter schreibt das Blatt: „Es waren 90 Minuten voller Dramatik wie nach einem Drehbuch von Hitchcock. Obwohl Ernst Happel zwei zusätzliche Stürmer in der letzten halben Stunde eingewechselt hat, konnte Feyenoord das Blatt nicht mehr wenden. UTA hat den Mythos der Holländer zerstört. Die Arader Defensive war hervorragend organisiert worden von Coco Dumitrescu. Das von Gornea gehütete Tor war wie ein Bunker, der nicht eingenommen werden konnte, obwohl er einem regelrechten Ansturm ausgesetzt war. Gornea hat sich tadellos verhalten, Pozsonyi sowie Leretter und Petescu, vor den beiden, kämpften wie die Löwen, stellten die freien Räume zu und neutralisierten Dutzende von Manövern mit ihrem vorbildlichem Stellungsspiel. Sie griffen wie die Zahnräder eines Uhrwerks ineinander.

Leretter hat sich nicht geschont, bestand Dutzende von knallharten Zweikämpfen mit den holländischen Angreifern, die vergeblich ihr Glück in seiner Zone zu finden suchten. Domide half der Arader Abwehr sehr viel und Calinin hat mit seiner Hingabe so viel getan, wieviel er in der Lage war. Florian Dumitrescu war eine Augenweide mit seinen Dribblings und seiner Schnelligkeit. Das alles hat mit dazu beigetragen, dass eine sportliche Hierarchie zertrümmert wurde, an deren Spitze Feyenoord thronte – eine Art Goliath des Weltfußballs.“