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Aus der Geschichte der Seuchen und Krankheiten im Banat (Teil 7)

Kalvarienberg auf dem Friedhof in Grabatz, Aufnahme von 1996. Foto: Helmut Ritter

Cholerawagen aus Billed; Quelle: Franz Klein: Billed. Chronik einer Heidegemeinde im Banat in Quellen und Dokumenten 1765-1980, Wien 1980

Ganze Familien ausgestorben: die Cholera im Banat

Im Jahre 1830 erreichte die morgenländische Brechruhr, die „asiatische Cholera“, Europa. Sie trat 1831 zum ersten Mal in Ungarn auf. Ruthenische Salzflößer schleppten die Krankheit am 13. Juni aus Galizien in das Marmaroscher Komitat ein. Als die Seuche im März 1832 erlosch, hatte sie in Ungarn in fast 5000 Orten innerhalb von acht Monaten bei rund 537000 Erkrankungen rund 238000 (44 Prozent) Todesopfer gefordert.

Die asiatische Cholera trat im Banat in den Jahren 1831/32, 1836, 1849, 1866 und 1873 epidemisch auf und man stand dieser neuen Krankheit, die am 16. Juni 1831 im Torontaler Komitat zum ersten Male festgestellt worden ist, hilflos gegenüber. Dr. Erich Lammert vertrat die Meinung, dass das Banat im Zeitabschnitt 1831-1873 von drei schweren Choleraepidemien heimgesucht wurde. Thomas Breier gibt in einem 1980 in der NBZ erschienenen Artikel als Cholerajahre 1831, 1836, 1849, 1859, 1866 und 1873 an.

Die Cholera in Glogowatz fordert viele Opfer

Wenn Dr. Hans Gehl im Heimatbuch Glogowatz (1988, S. 343) schreibt: „Bekannt sind die Choleraepidemien der Jahre: 1785, 1789, 1816, 1836 und 1866“, dann handelt es sich bei den ersten drei angeführten Jahren nur um die einheimische Brechruhr und nicht um die asiatische Cholera, da letztere erstmals 1831 im Banat auftrat.

Die Pfarrchronik von Glogowatz berichtet über die Seuchen der Jahre 1849, 1866 und 1873 im Ort: „Im Juli 1849 begann in Glogowatz die Cholera zu wüten und dauerte bis Ende August. Als erster erlag der Krankheit Michael Müller aus der Arader Gasse. Insgesamt sind an dieser Seuche 52 Personen gestorben.“

„Im Jahre 1866 hat in Glogowatz die Cholera gewütet. Als erster starb am 19. Sept. Andreas Bernhard. Insgesamt starben an der Seuche 54 Opfer“.

„Im Juni 1873 begann die Cholera zu wüten. Als erster starb am 22. Juni Paul Dumelle. Insgesamt sind 146 Personen der Seuche erlegen.“

„Das Jahr 1831“, schreibt Karl Kraushaar, „wurde für das Banat beinahe (?) gefährlich. Es verbreitete sich die ‚asiatische Cholera‘, welche seitdem bereits öfters Ungarn verwüstet hatte, bis 1831 aber hierselbst noch unbekannt war“.

Bevor wir über die Cholerajahre in einigen Banater Ortschaften berichten, sei darauf hingewiesen, dass die Statistiken der Choleratoten wichtig, aber mit einer gewissen Skepsis zu betrachten sind. Die in verschiedenen Quellen angegebenen Zahlen stimmen oft nicht überein und sollten deshalb nur als Richtwerte angesehen werden. Für die von uns in den einschlägigen Quellen gefundenen und verwendeten Zahlenangaben übernehmen wir keine Gewähr.

Während sich die Cholera in Arad-Sanktmartin im Jahre 1831 weniger bemerkbar machte (insgesamt 58 Todesfälle), forderte sie 1836 (allein in den Monaten Juli 48 und August 69) insgesamt 117 Menschenleben.1873 wütete die Cholera erneut im Ort. Die „Historia Domus“ berichtet darüber: „Wer von der Seuche befallen ward, wurde nach etwa sechs Stunden schwarz und starb. (…) Es gab Tage, an welchen 15 Menschen gestorben sind. Eine Folge der Seuche war, dass 17 Häuser völlig ausgestorben sind. (…) Bei uns betrug die Zahl der in sechs Wochen Verstorbenen 302 Seelen.“ (Heimatbuch Sanktmartin,1981)

Viermal wütete die Cholera im Geburtsort Lenaus

In Csatád-Lenauheim starb im Cholerajahr 1831 am 12. August Elisabeth Petri im Alter von 102 Jahren und im Cholerajahr 1836 am 15. August der 113-jährige (?) Wendelin Heinrich. Für Lenauheim gibt es, was die Zahl der Choleraopfer betrifft, unterschiedliche Angaben. Hans Wolfram Hockl schreibt in „200 Jahre Friedenswerk 1767-1967. Geschichte der Gemeinde Lenauheim“: „Viermal wurde die Gemeinde von Cholera heimgesucht: 1831 starben 17, 1836 starben 107, 1849 starben 80 und 1873 starben 51 Einwohner an Cholera“, insgesamt waren also 255 Todesopfer zu beklagen. Hans Bräuner verzeichnet im Heimatbuch Lenauheim (1982) für 1849 nur 49 Choleratote und nicht 80, wie Hockl.

Ganz andere Zahlen bringt Adam Müller-Guttenbrunn. Er behauptet, dass die Cholera fünfmal in Tschatad zu Gast war und er von Pfarrer Josef Brassay authentische Zahlen darüber aus den Pfarrbüchern erhalten habe. Insgesamt waren 606 Todesopfer im Jahr 1831 zu beklagen, so der Schriftsteller. Diese Zahl scheint uns aber fragwürdig hoch zu sein.

In der Monografie des Alemannendorfes Saderlach (1937) beziffert Dr. Johannes Künzig die Zahl der Choleratoten für 1831 mit 119 und für 1836 mit 96. Was 1866 betrifft, schreibt Dr. Künzig: „Am 5. September ereignete sich, dass Franz Schiller plötzlich unwohl ward und binnen vier Stunden gestorben ist. Das war der erste Cholerafall. Ganze Familien sind ausgestorben, wie die Familien Schiller, Zipfel und Braun.“

In Sackelhausen forderte die Cholera 1831 203 Menschenleben. Dr. med. Reinhold Fett berichtet in seiner Monografie von Sackelhausen (1979) über das Cholerajahr 1836, in dem innerhalb von zwei Monaten 230 Personen an der Seuche starben. Die Cholera wurde durch Wilhelm Müller aus Freidorf eingeschleppt.

Franz Liebhard schreibt in seiner „Banater Chronik“ (1976, S. 400), „dass die vielen Cholera-Toten am Rande des Friedhofs von Sackelhausen nur zwei Spatenstiche tief in der sogenannten Cholera-Reihe bestattet sind“. Im Jahre 1873 starben in Sackelhausen 187 Dorfinsassen den Choleratod.

Lotte Wilhelm berichtet im Heimatbuch Freidorf (1985), dass die Cholera 1831 im sogenannten Wilkoshaus (Müller Nikolaus) in der Graden Gasse von acht Personen gleich sieben in einer einzigen Woche hinwegraffte. Zurück blieb ein Mädchen, ein Kind noch. 1836 beklagten die Freidorfer 50 Choleratote.

Für Temeswar gibt Dr. Anton Peter Petri die Zahl der Choleratoten wie folgt an: 1831: 1361, 1836: 1028, 1866: 54 und 1873: 423. (Banater Heilwesen, 1988, S. 312)

Susanna Seeler aus Neupetsch erzählt

„Die Epidemie des Jahres 1831 scheint an unserem Dorf glimpflich vorbeigezogen zu sein“, so Anton Krämer im Heimatbuch Ulmbach-Neupetsch (1988). In der Totenmatrikel der Pfarrei ist nur das Ehepaar Johann und Susanne Becker und deren Tochter Anna Maria als an der Cholera verstorben eingetragen.

Im Gespräch mit Walther Konschitzky sagt Susanna Seeler aus Neupetsch: „Mei Grußmutter, die hat verzählt von friehjer. Och, mei Grußmutter! Ihre Eltre sein in dr Cholra gstorwe (…) Ihre Vater un a Bruder han mitzamm ufm Begräbnis geleeje, bei dr Leicht, die sein mitzamm gstorwe an dr Cholra“. (Dem Alter die Ehr, 1982, S. 112)

In Triebswetter starben an der Cholera 1831: 62, 1836: 34, 1849: 86 und 1873: 54 Menschen. Karl Böhm, Pfarrer von 1863 bis 1881 im Ort, schreibt über das Auftreten der Epidemie: „Im Jahre 1831 herrschte in Triebswetter durch einen Monat die Cholera, welche 62 Menschenleben als Opfer forderte. (…) Im Jahre 1873 war in Triebswetter die Sterblichkeit die größte, seit dieser Ort besteht; es starben nämlich in diesem Jahr ins-gesamt 214 Menschen, von diesen waren 24, welche im Frühjahr an Blattern starben, und 54, welche im Sommer während eines Zeitraumes von sieben Wochen der Cholera zum Opfer fielen. Die nächsten Verwandten und Angehörigen pflegten häufig nur mit Scheu und Zittern ihre Kranken. (…) Es muss hier bemerkt werden, dass beiläufig der vierte Teil der Cholera-Kranken wieder genesen ist.“

Truppen schleppen die Seuche in Billed ein

Bereits 1831 und 1836 hatte die Cholera in Billed (Billiet) Opfer gefordert. Aus dieser Zeit stammt der Cholerawagen (Friedhof in der Neugasse).

Über die Cholera des Jahres 1849 gibt Franz Klein in seiner Chronik von Billed (1980) Auskunft. Die Seuche wurde von russischen Truppen 1849 nach Billiet eingeschleppt. Wie kam es dazu? Die russischen Truppen kamen den Kaiserlichen zu Hilfe gegen die ungarischen Revolutionstruppen. Das 9. russische Infanterieregiment marschierte aus Knees kommend in Billiet ein. Am 17. August 1849, so Franz Klein, also vier Tage nach der Kapitulation der ungarischen Truppen bei Világos (Hellburg/Şiria), ist in Billiet der russische Soldat Juda Schivers an der Cholera gestorben. Kaplan Josef Versetzy hat diesen ersten Fall im Sterbematrikel rot unterstrichen.

Vom 17. August bis 27. Oktober 1849 sind in Billed 70 Personen dieser furchtbaren Krankheit zum Opfer gefallen. Am 29. August hatte die Cholera ihren Höhepunkt erreicht: An diesem Tag worden neun Opfer der Seuche beerdigt. Insgesamt gab es 1848 161 und 1849 275 Todesfälle in Billiet.

In der „Monographie der Gemeinde Lovrin“ (1929) schreibt Dr. Nikolaus Koch, dass 1831 im August 19, im September 29 und im Oktober 25 Menschen starben, viele davon erlagen der Cholera. Der erste Seuchentote war anscheinend Philipp Katholy, der am 25. Juni 1831 im Alter von 47 Jahren eines schnellen Todes starb („repentina morte obiit“).

Am 10. September 1836 starb in Wien an der Cholera Ernestine Freiin Lipthay von Kisfalud, Tochter des Lovriner Grundherren Anton Baron Lipthay (1745-1800) und Ehefrau des Dichters Joseph Christian Freiherr von Zedlitz und Nimmersatt (1790-1862), österreichischer Offizier und Schriftsteller. Er verfasste 1831 das Gedicht „Mariechen saß am Rocken“, das später unter dem Titel „Mariechen saß weinend im Garten“ als Lied populär wurde und im Banat allbekannt war. Vielleicht ist das Gedicht sogar im Banat entstanden, denn der Schriftsteller hat zwischen 1811 und 1836 die Sommermonate in Lovrin verbracht. Als er in Wien im Sterben lag, soll er gesagt haben: „Es sind schon so viele gestorben, ich werde das auch noch überleben.“

Dr. Anton Peter Petri schreibt im Heimatbuch Lovrin (1979): „Am 24.09.1815 wurde der ‚Freit Hoff bey den graut gerter‘ (…) feierlich eingeweiht. Dieser sogenannte ‚Kleine Friedhof‘ (seltener ‚Rochusfriedhof‘) diente ab 1831 anscheinend als Seuchenfriedhof.“

Franz Barote – erster Choleratote in Kathreinfeld

Als am 7. August 1831 die Cholera sich in Sankt Georgen das erste Opfer nahm, starb eine Woche später in Kathreinfeld der 53jährige Franz Barote mit den untrüglichen Symptomen der Krankheit, schreibt Hans Rasimus in seiner Monografie von Kathreinfeld „…Was mein Einst war!“ (1982).

Im Jahre 1831 fielen in Kathreinfeld 180 Personen der Cholera zum Opfer, in der Filialgemeinde St. Georgen starben 58 Menschen an der Seuche. Die meisten Choleratoten wurden 1831 am 31. August registriert: 22! Vom 15. August bis zum 23. September wurden insgesamt 191 Todesfälle in Kathreinfeld registriert, so Rasimus. Auch der junge Lehrer Johann Lorenz wurde ein Opfer der Seuche.

1836 kam die Cholera wieder. Rasimus schreibt: „In der Zeit vom 4. Juli, als sie den 32jährigen Jakob Reb und dessen Ehefrau Katharina plötzlich aus dem Kreis der Lebenden riss, bis zum 25. August sanken 35 Kathreinfelder an dieser Krankheit ins Grab.“

Erster Choleratote von 1866 war der 62jährige Nikolaus Reb. Vom 1. Oktober bis zum 17. November wurden weitere 33 Opfer beklagt, unter diesen auch der 1810 in Maria Radna geborene Dechant Stefan Matzek, der am 23. Oktober im Alter von 56 Jahren verschied. Bei der Erteilung der letzten Ölung an einen Cholera-Erkrankten war er durch diesen infiziert worden. Der Kranke wurde wieder gesund, doch Pfarrer Matzek erlag der Infektion.

Über den vermeintlich letzten Choleratoten im Ort (1911) berichtet Josef Till in seiner Monografie „Unvergessene Heimat Kathreinfeld im Banat“ (1982/83). Es handelt sich um Nikolaus Pretz, der unter Choleraverdacht stand. Er wurde mit dem Cholerawagen zum Friedhof gefahren. An seiner Beerdigung durften wegen Ansteckungsgefahr nicht einmal die nächsten Angehörigen teilnehmen. Auch Pfarrer und sonstige Beerdigungszeremonie wurden verboten. Zum Friedhofstransport wurde nur der Kutscher und Dr. Putz Jakob, der den ganzen Transportweg mit Ätzkalk bestreute, zugelassen.“

Dass Nikolaus Pretz noch 1911 ein Opfer der Cholera wurde, ist unwahrscheinlich. Wenn überhaupt Cholera, dann kann es sich nur um die einheimische Brechruhr gehandelt haben.

Georg Sauer, Pfarrer in Grabatz von 1820 bis 1832, berichtet, dass sich die Cholera 1831 in der Gemeinde nur „in geringem Maße geäußert habe“, 1836 wütete sie jedoch als schlimme Seuche. Ihr erstes Opfer war der 85jährige Georg Ziwaj. Die Epidemie griff rasch um sich; am 24. Juli starben allein 15 Menschen an der Cholera.

Im Cholerajahr 1836 konnten die Toten im „alten Freydhof“ wegen des hohen Grundwassers nicht beigesetzt werden. Deshalb wurde an der Tschatader Straße eine neue Begräbnisstätte angelegt. Im „Cholerahaus“, eine aus Brettern zusammengesetzte Hütte, wurden die an der Seuche Verstorbenen aufgebahrt, so Dr. Petri (Heimatbuch Grabatz, 1982, S.154).

Als die Epidemie erloschen war, haben die Einwohner aus Dankbarkeit die Friedhofskapelle und den Kalvarienberg auf dem neuen Friedhof errichtet. Hundert Jahre später hat man eine Marmortafel an der Kapelle mit folgender Inschrift angebracht: „1836-1936. Die Gemeinde gedenkt in dankbarer Erinnerung der heldenhaften Tätigkeit der Herrn Alois Mateovits, Pfarrer, und Valentin Albetz, Oberlehrer, die in den Schreckenstagen des Jahres 1836 – Choleraepidemie – da in sieben Wochen 175 Personen gestorben sind, der Kranken unerschrockene Pfleger und Tröster waren. Die dankbare
Gemeinde“.