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Klack, Äpplmoj, Fratschler und Fujaker. Banater Etymologien (Teil 1)

Stefan Jäger: Wochenmarkt in Hatzfeld. Quelle: Stefan Jäger Archiv (https://jaeger.banater-archiv.de), WK 381

In Ostmittel- und Südosteuropa lebten seit vielen Jahrhunderten viele großen und kleinen Ethnien neben- und miteinander, was naturgemäß zu vielfältigen Beeinflussungen auf sozio-ökonomischem Gebiet und in kulturell-linguistischen Bereichen führte. Die Donauschwaben lebten nach ihrer Ansiedlung im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert fast drei Jahrhunderte mit anderssprachigen Nachbarn im historischen Ungarn und – nach dem Zerfall der Donaumonarchie – in den Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien, bis sich nach dem Zweiten Weltkrieg die deutschen Siedlungsgemeinschaften durch Vertreibung, Internierung und Aussiedlung zum größten Teil auflösten.

Nach dem eineinhalb Jahrhunderte andauernden Einfluss der türkischen Verwaltung setzte eine nachhaltige österreichische Prägung vieler wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Bereiche in den neuen Verwaltungsgebieten ein, die sich in vielen Waren und Erzeugnissen sowie in deren Bezeichnungen niederschlägt und sich als beachtlicher bairisch-österreichischer Einfluss in vielen ost- und südosteuropäischen Sprachen manifestiert. Nach dem Zerfall der Doppelmonarchie ging der ungarische Einfluss auf die donauschwäbischen Dialekte und die Sprachen der übrigen Ethnien in Ungarn weiter. In den Nachfolgestaaten kamen Einflüsse der südslawischen und rumänischen Staatssprache dazu. Durch das Nebeneinander mehrerer Ethnien ist Drei- oder gar Viersprachigkeit für die Bewohner Mittelosteuropas nichts Ungewöhnliches. Durch die lange Gewöhnung haben die deutschen Dialektsprecher die ungarischen Lehnwörter ihrem Sprachgefühl angepasst, während das bei den jüngeren rumänischen Fremdwörtern im Banat noch nicht geschehen ist. Nicht zufällig heißt die wöchentlich – von 1969 bis heute erscheinende – Mundartbeilage der Temeswarer „Neuen Banater Zeitung“ beziehungsweise „Banater Zeitung“ Pipatsch (von ung. pipacs 'Klatschmohn'), wobei die Bezeichnung durchaus als deutsch empfunden wird und zum Flurnamen Pipatschehiwwl 'Klatschmohnhügel' weitergebildet wurde.

Im donauschwäbischen Siedlungsraum und im Banat sind im Verlauf des jahrhundertelangen Zusammenlebens wechselseitige Einflüsse in vielen Bereichen aufgetreten, etwa in der Architektur, in der Kochkunst, der Landwirtschaft und nicht zuletzt in der Sprache. Mit der Übernahme von Dingen und Praktiken aus fremden Kulturen gelangten auch die sprachlichen Mittel zu ihrer Bezeichnung in eine Sprachgemeinschaft. Der Banater Dichter Hans Wolfram Hockl spricht im Gedicht „Mancherlei Sproche un Leit“ von der Notwendigkeit der Vielsprachigkeit in multiethnischen Gebieten.

1.1 Gemeinschaftsarbeiten und „Tauschkinder“

Seit der Ansiedlung hat sich in Dörfern des Banats, der Batschka und der Schwäbischen Türkei aus existentieller Notwendigkeit eine gegenseitige, unentgeltliche Hilfeleistung unter Nachbarn, Verwandten und guten Freunden bei größeren Arbeiten eingebürgert, die für die Einzelfamilie allzu viel Arbeitsaufwand erforderte. Dazu zählten Hausbau, Drusch, Hanfbearbeitung, Auslieschen der Maiskolben, Federschleißen, Schweineschlacht und Hochzeitsvorbereitung. Beim Hausbau halfen (bis vor wenigen Jahrzehnten) viele Erdarbeiter und Fuhrleute, die Grund, Ziegel, Sand und Holz herbeischafften und die Mauern aufstampften. Im 19. Jahrhundert wurden alle Helfer beim Bauherrn zu einem gemeinsamen Mahl geladen, das in letzter Zeit nur mehr ein Imbiss war. (Ähnlich entwickelte sich der ursprüngliche Leichenschmaus zum „Totenimbs“ für die nächsten – besonders die auswärtigen – Verwandten). Allerdings durfte der Schnaps während der gesamten Arbeit nicht fehlen. Karl Reb berichtet aus seinen Umfragen, dass früher beim Hausbau in Bakowa Tanzmusik aufgespielt wurde, damit der Lehmfußboden beim Tanzen festgetreten wurde. In Hatzfeld feierte man das Richtfest bis zum Zweiten Weltkrieg mit Abendessen für den Maurermeister und alle freiwilligen Helfer.

Die Hochzeitsvorbereitung war immer eine Gemeinschaftsarbeit der Familie und aller Verwandten. Geselligkeit und Gastfreundschaft kamen dabei schon einige Tage vor dem Fest zur Geltung. Die Helfer erhielten die Mahlzeiten im Hochzeitshaus. Die Schweineschlacht war ein wichtiges Familienereignis, denn dabei musste sich die Bauernwirtschaft den Fleischvorrat für das ganze Jahr sichern. Wenn die Arbeit am Abend beendet war, feierten alle Helfer den Sautanz, die Wurstsuppe, einen fröhlichen Festschmaus, häufig mit Ziehharmonikamusik, Gesang und auch mit einem kurzen Tanz.

Wenn die Frauen genügend Gänsefedern gerupft hatten, riefen sie weibliche Verwandte an einigen Winterabenden zum Federschleißen, das mit Kuchen und Kaffee abgeschlossen wurde. Da man die Deckblätter der Maiskolben zum Füllen der Strohsäcke (als Bettunterlagen) und zum Flechten von Zeckern (österr. für Einkaufskörbe), Teppichen oder Schuhsohlen und als Bindemittel für die Weingärten benötigte, pflegte man die samt Deckblättern abgebrochenen Maiskolben nach Hause zu fahren, im Wirtschaftshof aufzuhäufen und abends in geselliger Runde, mit Scherz, Gesang und Neckereien zu entlieschen. Die Hausfrau reichte dabei den fremden Helfern gekochte Maiskolben oder Trauben.

Gemeinschaftsarbeiten gab es bei allen Banater Ethnien, sie sind bei den Deutschen, Rumänen, Ungarn und Serben bekannt. Das deutsche Dialektwort Klack, Klacka, Klacke übernimmt rum. clacă in der Bedeutung: 'gegenseitige bäuerliche Hilfe bei Gemeinschaftsarbeiten mit gleichzeitiger oder anschließender Unterhaltung'. Das rumänische Wort wurde in ung. dial. kaláka in derselben Bedeutung übernommen und geht selbst auf bulgarisch tlaka zurück, das auf weitere Zusammenhänge im balkanischen Raum verweist. Anton Peter Petri bezeichnet „die Klack“ als „eine der liebenswertesten Entlehnungen aus dem Sprach- und Lebensbereich unserer rumänischen Nachbarn“ und vermerkt als Bedeutung 'Nachbarschaftshilfe beim Hausbau', während das rum. Etymon clacă 'Frondienst, Spinngesellschaft, freiwillige Feldarbeit' bedeutet. Daraus hat sich die Wortgruppe de clacă 'unentgeltlich' entwickelt. Den Bewohnern von Lovrin und den lebenslustigen Weinbauern aus Marienfeld gefiel das anschließende, vom Bauern bezahlte Fest so gut, dass sie jede größere Unterhaltung mit anschließendem Trinkgelage Klackmachen nannten.

Der rumänische Ethnologe Ion Vlăduţiu zählt diese Form der gemeinsamen Tätigkeiten neben der Spinnstube zum uralten und bis heute anzutreffenden Arbeitsbrauchtum im landwirtschaftlichen Lebensraum. Er unterscheidet zwei Arten der rumänischen clacă:

1. die clacă oarbă, eine „blinde“, also 'gegenseitige Hilfe' der ärmeren Dorfbevölkerung, gewöhnlich im Herbst und Winter, beim Maislie-schen, Wollespinnen und ähnlichen Arbeiten;

2. die clacă cu joc, eine 'Arbeitsleistung mit Tanzunterhaltung', die im Sommer, Herbst und Winter stattfinden konnte. Dabei luden Großbauern die ärmere Dorfbevölkerung zu unbezahlten Gemeinschaftsarbeiten ein, wofür die Helfer nur Speise und Trank und am Abend eine Tanzunterhaltung mit Musikanten erhielten.

Diese Form der Arbeitsteilung war bei den Banater Schwaben nicht bekannt. Bei ihrer Klacke nahmen reihum alle Verwandten und Nachbarn teil, auch wenn sie Rumänen, Ungarn oder Serben waren. Genauso wurden sie in gemischtsprachigen Gemeinden zu den kirchlichen Festen (wie Ostern, Kirchweih) und Familienereignissen (Taufe, Hochzeit, Begräbnis) der Nachbarn geladen und begrüßten diese bei sich als Gäste.

Eine wichtige Rolle in der Entstehung von kulturellen und Sprachinterferenzen spielten in gemischtsprachigen Gebieten außer den fremden Knechten und Dienstmädchen auch die Tauschbuben, das heißt deutsche Kinder, die sich während der zweimonatigen Sommerferien in ungarischen oder serbischen Nachbardörfern aufhielten, um die fremde Sprache zu erlernen, während junge Serben und Ungarn in Batschkaer Dörfer wie Miletitsch kamen, um Deutsch zu lernen. Ein Austausch war auch zwischen deutschen und serbischen Handwerkslehrlingen üblich. Hier hatten sich ähnliche wirtschaftliche Beziehungen und soziale Bindungen wie unter den Banater prieteni, d. h. 'Freunden' in verschiedensprachigen Dörfern, herausgebildet. Fremde Ausdrücke brachten auch Miletitscher Mädchen ins Dorf, die zeitweise bei ungarischen oder serbischen Beamten in der Stadt dienten und ihnen den Haushalt führten. Junge Männer brachten vom Militärdienst vor allem fremdsprachige Kraftausdrücke, Schimpfwörter und Höflichkeitsfloskeln mit nach Hause.

1.2. Handelsbeziehungen in multiethnischen Gebieten

Voraussetzungen für das Auftreten von Sprachinterferenzen und regen Warentausch schufen bereits die zahlreichen Wanderhandwerker und -händler, die seit dem Mittelalter ganz Europa durchzogen, um ihre Waren und Dienstleistungen anzubieten. Von den Gottscheer Wanderhändlern, die noch im 20. Jahrhundert ganz Mitteleuropa durchzogen, ist – nach Erich Lammert – die Bezeichnung Kutschewer bzw. Kutschewerin, manchmal auch in pejorativem Sinn, in den donauschwäbischen Dialekten erhalten geblieben. Europaweit bekannt waren die slowakischen Wanderhändler, die als vozari 'Fahrer' mit warenbeladenen Planwagen oder mit Buckelkasten oder Bauchladen durch die Dörfer zogen und ihre Waren feilboten, die von Textilien über Haushaltsgeräte und Schmuck bis zu Kalendern und Gebetbüchern reichten. Sie übten auch Wandergewerbe aus, als oblokari die 'Fenstereinschneider und Glashändler', als knihari 'Buchbinder', als Klempner und Kesselflicker, die als Reindlbinder oder ungarisch drótos tót 'slowakischer Drahtbinder' durch die Dörfer der Banater Ebene zogen.

Zu den Wanderhändlern gehörten auch fahrende Obst- und Gemüseverkäufer. In die Banater Ebene brachten rumänische Gebirgsbauern aus den Westkarpaten im Herbst mit ihren Plachenwagen, die sie mit dem Ruf hai la mere!, rumänisch für 'komm zu den Äpfeln' ('kauft Äpfel!') feilboten und deshalb in der Arader Region als die Hailamere bekannt waren. In den Banater Dialekten nannte man sie auch Äpplmoj bzw. Bieremoj, wenn sie Birnen feilboten. Dem Wortteil -moj liegt die häufig gebrauchte rum. Interjektion mă(i) 'heda!', 'hör mal!' zugrunde. Durch Bedeutungserweiterung wird moj auch als Appellativ für alle Rumänen gebraucht. Weiterbildungen von Äpplmoj sind Äpplmosch, in Anlehnung an rum. moş 'alter Mann' und Äpplmotz, in Anlehnung an rum. moş, 'Gebirgsbauer aus den Westkarpaten'.

Frühgemüse wurde im Banat zuerst von bulgarischen, später auch von deutschen oder ungarischen Wanderhändlern verkauft. Von Walther Konschitzky (Dem Alter die Ehr) stammt ein Interview über diese Fratschler oder Fujaker aus Triebswetter. Ein weiteres Interview mit einem Sprecher aus Tschanad trägt den Titel „Ich war Fukaker“ und berichtet über diese handeltreibenden Banater Kleinbauern.

Die verbale Ableitung des Lexems Fujaker ist fujakre 'handeln, verkaufen'. Die Grundbedeutung 'Fahrer, Kutscher' (wie das slowak. vozari) stammt vom österr. Fiaker 'Bezeichnung für ein mit zwei Pferden bespanntes Lohnfuhrwerk (Mietkutsche), aber auch für dessen Lenker'. Solche Kutschen waren den Dorfbewohnern aus dem Stadtbild aller größeren Städte unseres Untersuchungsgebietes bis nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt. Die Bezeichnung Fiaker stammt aus Paris und rührt von einem Haus zum heiligen Fiacrius (Hôtel Saint Fiacre), dem Schutzpatron der französischen Gärtner, her. Hier hatten um 1650 die Lohnkutschen eines Nicolas Sauvage ihren Stand, die in Paris als „Wagen des Heiligen Fiacrius“ oder einfach als fiacres bezeichnet wurden. Von Paris kam die Bezeichnung schon 1778 mit der Sache nach Berlin, von dort nach Wien, Budapest usw., während in Berlin der Fiaker bald durch Droschke (und Droschkenkutscher) verdrängt wurde, das aus russisch drožki (Pl.) 'leichtes Fuhrwerk' stammt, das auch in polnisch dorozka und tschechisch drožžka 'Straßenfuhrwerk' erscheint.

Die Rolle der Fratschler

Die zweite Bezeichnung für 'Marktverkäufer' Fratschler und das daraus abgeleitete Verb fratscheln, fratschle kommt von bairisch-österreichisch fra[t]scheln 'indiskret ausfragen, tratschen', eine Intensivbildung zu fragen, hat aber – nach Johann Wolf – durch Bedeutungserweiterung in der Umgangssprache den Sinn von 'auf dem Markt verkaufen, verhökern' erlangt. Die ursprüngliche Bedeutung 'neugierig ausfragen' hat das Wort in der städtischen Umgangssprache von Orawitza bewahrt. Ein sinnverwandtes Wort Schweinskupetz 'Schweinehändler' geht auf ung. kupec, rum. regional cupeţ zurück. Beide Benennungen des Händlers kommen ihrerseits von slaw. kupici, kupiti 'kaufen', das mit germ. bzw. got. kaupon 'kaufen' zusammenhängt. Handelsbeziehungen weisen auf uralte internationale Verflechtungen zwischen Wohngemeinschaften und Völkern hin.

Enge Handelsbeziehungen mit der fremdvölkischen Umgebung bildeten auch in der Batschka (in Ungarn und Jugoslawien) die wichtigste Quelle zur Übernahme fremder Gerätschaften und Waren, zugleich auch der fremden Bezeichnungen, soweit sie in der eigenen Sprache fehlten. So waren Miletitscher Handwerker mit ihren Waren auf den meisten Wochenmärkten nicht nur in der Batschka, sondern auch im benachbarten Syrmien und Slawonien anzutreffen. Umgekehrt erschienen ungarische und serbische Händler jeden Dienstag auf dem Wochenmarkt der Batschkaer Großgemeinde Miletitsch und handelten mit Kleidungsstücken, Schuhen und Haushaltsgeräten.

Nach dem Ersten Weltkrieg fuhren die schwäbischen Bauern immer in die slawischen und ungarischen Nachbargemeinden zum Pferdekauf. Dabei behielten die gekauften Pferde ihre alten Namen. Auf diese Weise wurden die früheren deutschen Pferdenamen durch ungarische und serbische ersetzt, wie: Swetko 'der Helle, Schimmel', nach serbokroat. svjetlo 'das Licht'; Tschesar, nach ung. császár 'Kaiser'; Jantschi, nach ung. Jancsi 'Hänschen' usw.

Im Banat ist eine massive Entlehnung ungarischer beziehungsweise rumänischer Haustier-, besonders Pferdenamen festzustellen wie: der Puiu 'Pferde- und Hundename', nach rum. puiu, aus pui 'Junges'; die Liska 'Pferdename', nach Lis, Diminutuv zu 'Elisabeth', mit ung. Suffix -ka; die Marischka 'Kuhname', aus ung. Mariska, Diminutiv zu Mária, Maris, mit ung. Suffix -ka; der Kesche 'Pferdename', aus ung. kesely 'Pferd mit weißem Fleck am Bein', neben dem deutschen Pferdenamen der Pless 'Pferd mit weißem Stirnfleck', aus mhd. blasse 'weißer Fleck, Blesse' gebildet usw.