Die „epidemische Krankheit mit denen Beüllen“: die Pest im Banat - Laut Griselini verheerte die Pest bereits 1509 bis 1511 das Banat. Darüber berichtet auch Johann N. Preyer (1805-1888), Bürgermeister von Temeswar 1844-1858, in seiner „Monographie der königlichen Freistadt Temesvár“ (1853): „Vom Jahr 1509 bis 1511 wüthete, wie im ganzen Reiche, so auch in Temesvár und seinem Gebiete die Pest, die wahrscheinlich auch den Grafen Josef von Somy dahinraffte, da im Jahre 1512 Stefan Bathory zum temeser Grafen ernannt wurde“.
Die Pest wütete auch 1714 im Banat, weshalb die Rückeroberung Temeswars bis 1716 verschoben werden musste. „Nach den großen Siegen des Prinzen Eugen gegen die osmanischen Heere ordnete Kaiser Karl VI. am 22. Oktober 1728 an, einen Pestkordon in Gestalt eines Palisadenzaunes an der habsburgischen Grenze gegen die Türkei zu errichten. Dieser Grenzzaun war rund 2000 Kilometer lang. Er war unterbrochen von sogenannten Kontumazstationen, welche die Reisenden passieren und wo sie in Pestzeiten ihre Quarantäne zubringen mussten.“ (Manfred Vasold, Pest, Not und schwere Plagen. 1991, S. 172)
1453 eroberte Mehmed II. Konstantinopel. Die fatalistischen Türken hatten für die Bekämpfung von Seuchen kaum Sinn, denn sie waren davon überzeugt, dass es sich bei der Pest um die Pfeile Allahs handle und alles Kismet, also Schicksal sei, das von Allah vorbestimmt ist. Konstantinopel wurde zum größten Dauerherd der Pest für Mitteleuropa. Die hier ausgehenden Feldzüge der Türken waren in den folgenden Jahrhunderten oft von der Pest begleitet. Bereits 1456, als Mehmed II. mit der Belagerung von Belgrad begann, war seinen Heerscharen die Pest gefolgt. Kurz nach dem Sieg über die Osmanen ist Johann Hunyadi (Iancu de Hunedoara) am 11. August 1456 in Zemun bei Belgrad an der Pest gestorben. In Temeswar erinnert das Hunyadi-Kastell (heute Museum) an ihn.
Die Pest 1738-1739 in Temeswar
Alle getroffenen Sicherheitsmaßnahmen haben sich aber als nutzlos erwiesen, denn Seuchen kennen keine Grenzen. 1738 folgte dem Türkenkrieg der „Schwarze Tod“. Über diese leidvolle Zeit berichtet Anton von Hammer in seiner „Geschichte der Pest, die von 1738 bis 1740 im Temeswarer Banate herrschte“, erschienen 1839 bei Joseph Beichel in Temeswar, die späteren Banatforschern als Standardwerk diente. Anton von Hammer (1809-1889) weilte von 1835 bis 1839 als orientalischer Dolmetscher und Feldkriegskonzipist beim Banater Generalkommando in Temeswar.
1737 herrschte die Pest bereits in Siebenbürgen. Hammer schreibt: „Man säumte nicht, Vorsichtsmassregeln zu treffen, die geeignet seyn sollten, das Vordringen des Übels über die gemeinschaftliche Grenze zu verhindern. Doch schon in der ersten Hälfte des Monats Februar war es in die Festung verpflanzt. Ein Bataillon des Infanterie-Regiments Grünne (…), das aus der Walachei und Siebenbürgen kommend, hieher einrückte, hat es mit sich gebracht. Nicht wollte man sich gleich anfänglich eingestehen, dass die ersten Opfer, welche dieses Bataillon zählte, wirklich der Pest erlagen. Die vom Stabs-Phisikus Tobias Dolfin theils allein, theils gemeinschaftlich mit den Stabschirurgen Marianus Caunes und Delabarre an die Landes-Administration erstatteten Tagesberichte sprachen nur von der >im Grünnischen Bataillon grassirenden epidemischen Krankheit mit denen Beüllen<. Der älteste dieser Berichte (…) ist vom 28. Februar datirt“.
Die Landes-Administration zeigte schon am 22. Februar 1738 den Ausbruch der Krankheit der Hofkammer in Wien an. Stadtrichter war in dieser schweren Zeit Peter Solderer (1722-1741).
In Temeswar wurde eine Sanitätskommission gebildet, die aber die Verbreitung der Seuche nicht stoppen konnte, die in Kürze fast alle Ortschaften des Banats erfasste. Alle Häuser, in denen Infizierte waren, mussten für 14 Tage geschlossen werden. Es wurden zwei Kontumazhäuser bei Szegedin und bei Neuarad errichtet. Man wollte das Temeswarer Banat isolieren. Die Gottesdienste mussten im Freien abgehalten werden, die Schulen wurden geschlossen.
1737 kamen sechs Patres des Ordens der Barmherzigen Brüder nach Temeswar. Sie gründeten das erste Spital und errichteten die erste Apotheke in der Stadt. Vier der Patres, die Pestkranke pflegten, wurden bereits ein Jahr später von der Seuche dahingerafft.
Am 28. März 1739 begrub man den letzten hier an der Pest Verstorbenen, im Land aber wütete die Seuche weiter. Hammer vermutet, dass in Temeswar insgesamt wenigstens 1000 und mindestens doppelt so viele auf dem Lande gestorben sind. „Vergleicht man diese Zahl der Pestverstorbenen in Temeswar mit jener der damaligen Bevölkerung, die muthmasslich 6000 Seelen betrug, so zeigt sich, dass hier jeder Sechste von der Pest hinweggerafft wurde“, so Hammer.
Der „Schwarze Tod“ auf dem Lande
Am Ende des Jahres 1739 zählte man bereits 250 verpestete Ortschaften im Banat. Erst im Dezember 1740 erklärte die Sanitätskommission das Banat als seuchenfrei.
Im Heimatbuch Neuarad (1985, S. 411) berichtet Dr. Anton Peter Petri ausführlich über die Pest im Ort. In den Kirchenmatrikeln der Gemeinde, die zwischen 1738 und 1740 mit geflüchteten Familien aus dem Südbanat (Türkenkrieg) überfüllt war, sind im Jahre 1738 400 Tote verzeichnet, die an „bubones“, „petechis nigris“, „febris malligna et contagione“, wie die Pest damals genannt worden ist, verstorben sind. 1738 gab es in Neuarad ein Pestlazarett und ein Kontumazhaus, das „abgeschieden vom Dorfe, im Walde“ untergebracht war. Unter den Pesttoten von 1738 befanden sich auch der Chirurg Johann Brandelberger und Dr. med. Georg Katharini-Matrines.
In der benachbarten Festungsstadt Arad hat die Pest anscheinend weniger gewütet. 1739 und 1740 scheinen in Neuarad keine Pesttoten mehr gewesen zu sein. Am 2. September 1740 ist der Ort als „pestfrei“ erklärt worden, so Dr. Petri.
Hat es in Neuarad 1739 tatsächlich keine Pesttoten mehr gegeben, wie Dr. Petri das vermutet? In ihrem Buch „Wir Donauschwaben. Heimat im Herzen“ (1950) behaupten Hans Diplich und Hans Wiolfram Hockl das Gegenteil: „In den Sterbematrikeln von Neuarad ist am 19. Juni 1739 der Vermerk eingetragen, der Pfarrer könne die Namen der an diesem Tag Verstorbenen ihrer großen Anzahl wegen nicht aufzeichnen.“
Dr. Johannes Künzig (1897-1982) hat 1937 eine Monografie des Alemannendorfes Saderlach veröffentlicht. Er schreibt, dass es kaum anzunehmen ist, dass die Pest, die in der Umgebung des Ortes wütete, allein Saderlach verschonte. Trotzdem findet man in den Pfarrmatrikeln der Jahre 1738-1739 keinen einzigen Sterbefall von Saderlach eingetragen. Dies ist nur so erklärlich, dass die Neuarader Pfarre während der Pestepidemie außerstande war, auch noch die in Saderlach Verstorbenen zu beerdigen. So wurden die Saderlacher Toten ohne Priester beerdigt und auch in kein Matrikelbuch eingetragen, so Dr. Künzig.
Möglicherweise hatte Saderlach auch einen Pestfriedhof. Wie Pfarrer Franz Siebenhaar (1876-1943) zu berichten wusste, stieß man 1932 bei Erdarbeiten am Rande der Gemeinde auf Gräber, von denen man vermutete, dass dies einst Pestgräber waren.
1738-1739 kam zum Türkeneinfall das Auftreten der Pest in Weißkirchen. Etwa 200 Tote wurden in der Mariengasse begraben. Später hat man bei Grabungsarbeiten bis zu zehn Skelette übereinander vorgefunden (Josef A. Kauer, Bildband Weißkirchen, 1985, S. 21). Mercydorf wurde von italienischen Seidenraupenzüchtern 1734 gegründet. Laut Dr. Peter Schiff sind bereits 1738 von den insgesamt 350 Kolonisten im Ort 69 an der Pest gestorben. In Tschakowa hatte die Pest keine Todesopfer gefordert, obwohl sie in einigen Orten des Distriktes wie in Neupetsch, Wojteg, Liebling, Paratz u.a. gewütet hatte, schreibt Wilhelm Merschdorf im Heimatbuch Tschakowa (1997, S. 690).
Die Pest von 1738-1740 hatte auch in Ulmbach-Neupetsch ihre Opfer gefordert, Anton Krämer und Josef Kupi berichten darüber in dem 1984 erschienenen Heimatbuch des Ortes. Der alte Friedhof durfte die Pesttoten kaum gefasst haben. Der junge Pfarrer Leopold Niederkircher trug die Namen der 1738 an der Pest Verstorbenen in einer langen Liste in die Sterbematrikel ein.
Die Pestseuche im Banat zwischen 1762 und 1763 ist kaum bekannt geworden. Sie wurde aus der Türkei eingeschleppt. Johann Heinrich Schwicker (1839-1902) schreibt über diese Zeit: „Mit Ende des Jahres 1762 drohte der Provinz neuerdings die Pest mit ihrem Schrecken. Es wurden alle Tanzmusiken und öffentlichen Lustbarkeiten eingestellt, als unverträglich mit den bedrohlichen Gesundheitsverhältnissen. Im Sommer des Jahres 1763 war das Übel erloschen“.
Laut Felix Milleker aus Werschetz (1858-1942) wurde mit der Banater Militärgrenze im Süd- und Ostbanat ein Schutzwall gegen die gefürchteten Epidemien, die nicht selten aus der Türkei beziehungsweise aus Altrumänien ins Banat eingeschleppt worden waren, aufgebaut. Seit 1742 errichtete man entlang der Donau einen militärischen Schutzkordon und erbaute in Mehadia und Pantschowa Kontumazgebäude. (Petri, Heilwesen im Banat, 1988, S. 282)
Die Kontumazstation von Pantschowa erwähnt auch Hans Wolfram Hockl in seiner Romantrilogie „Regina unsere Mutter“ (1982). Die Sage geht, dass die Ansiedler von Hatzfeld-Landestreu 1766 in Pantschowa an der Donau drei Wochen lang in Kontumaz gesperrt wurden.
Auch Moltke, der von 1835 bis 1839 als militärischer Berater in der Türkei war, musste bei seiner Heimreise zu Alt-Orsowa in der nahegelegenen Quarantäne Schupaneck eine zehntägige „Detention“ verbringen, ehe er die Militärgrenze passieren durfte. (Stefan Winkle, Die Geißeln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen, 1997, S. 506)
Notfriedhöfe oder Seuchenfriedhöfe
Die Seuchenfriedhöfe wurden in Zeiten von Epidemien angelegt, wenn die bereits bestehenden Friedhöfe die große Zahl der Toten nicht mehr aufnehmen konnten. Diese Notfriedhöfe (Pestanger) wurden außerhalb der Orte angelegt und möglichst gemieden.
Weißkirchen hatte einen Pestfriedhof und in Neuarad ist am 22.Juli 1738 ebenfalls ein „Pestfriedhof“ eingerichtet worden. Dr. Johannes Künzig erwähnt in seiner Saderlacher Ortschronik, dass in Deutschsanktpeter im Wald ein Pestfriedhof angelegt wurde. Über diesen Notfriedhof berichtet Zacharias Böhnisch 1975 Walther Konschitzky: „Noch e Friedhof, saat mr Kerichhof, wor drauß im Wald. Im 1738 wor die Pest do im Dorf, un die an Pest Verstorwne sin dort begrab wor. Die ierschte han se dort begrab, un späder han se se schun verbrennt, die wu an Pest gstorb sin, die sin verbrennt wor, die Tude.“ (Walther Konschitzky, Dem Alter die Ehr, 1982, S. 18)
In den meisten Fällen wurden die Seuchenopfer aber auf den bereits vorhandenen Ortsfriedhöfen bestattet, auch in Massengräber.
Was ist von der Pest geblieben?
Das Zeitalter der Pest in Europa ist längst vorbei. Was erinnert noch an diese schicksalhaften Jahre im Banat? Es sind dies Eintragungen in Sterbematrikeln und Schilderungen in Ortschroniken, gelegentlich aber auch Anmerkungen in der „Historia Domus“ der Pfarreien. Außerdem erinnern Pestdenkmäler und Rochus-Kapellen an die Pestzeiten. Auch im Wortschatz der Banater Schwaben ist die Pest in lebhafter Erinnerung geblieben.
Johann Anton Deschan von Hansen (1686-1760) stiftete 1740 die „Dreifaltigkeitssäule“ oder „Pestsäule“ auf dem Domplatz in Temeswar. Drei Reliefbilder des Sockels spielen auf die Heimsuchungen durch die Türken 1737 bis 1739 an und stellen die drei Plagen dar: Krieg, Hunger und Pest. An die Pest erinnert auch die „Marien-Nepomuk-Pestsäule“ auf dem Temeswarer Paradeplatz (heute Freiheitsplatz). Sie wurde, so Josef Brandeisz, von der frommen Bruderschaft des Hl. Johannes von Nepomuk, in Wien bestellt und in dankbarer Erinnerung an das Erlöschen der Pestepidemie von 1738-1739 auf dem Platz vor dem alten Rathaus aufgestellt. Die feierliche Einweihung fand am 23. Mai 1756 statt.
Die barocke „Dreifaltigkeitssäule“ in Arad wurde in Ofen gefertigt und auf dem Hauptplatz in der Nähe der Minoritenkirche 1751 aufgestellt. In Werschetz wurde aufgrund eines Gelübdes am Fuße des Kapellenberges die St.-Rochus-Kapelle errichtet, die heute unter Denkmalschutz steht. Rochus-Kapellen gibt es zum Beispiel auch in den Friedhöfen von Sackelhausen und Neubeschenowa.
Der hl. Rochus von Montpellier (13.-14. Jh.) wird als Schutzpatron gegen die Pest angerufen. Sein Gedenktag ist der 16. August. In manchen Banater Orten fanden an diesem Tag Prozessionen statt.
Heute werden immer noch Begriffe und Redewendungen verwendet, die in Verbindung mit der Pest stehen. In unserem Wortschatz erinnern Ausdrücke wie „verpestete Luft“ (Luftverpestung) oder „des stinkt jo wie die Pest“ an die längst vergangenen Pestzeiten. Möchte man jemandem Böses, dann wünscht man ihm „die Pest an den Hals“. Zwischen zwei Übeln zu entscheiden heißt, man habe „die Wahl zwischen Pest und Cholera“.