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„Freikauf“ im Schatten der Securitate

Dieses neue Buch des Gymnasialprofessors und Forschers Daniel Hrenciuc aus Radautz ist für die breite rumänische Leserschaft gedacht und für diese auch sinnvoll. Denn obwohl zu dem Thema in Rumänisch bereits eine umfangreichere Dokumentation unter dem Titel „Acţiunea »Recuperarea«“ vorliegt und es auch Fernsehsendungen dazu gab, ist noch nicht alles erforscht, vor allem aber breiten Kreisen noch immer nicht bekannt. Das belegen zuletzt die verleumderischen Polemiken von SPD-Politikern gegen die deutsche Minderheit des Landes, die in einer Art geführt wurden, wie noch nie in der Geschichte Rumäniens.

Es ist das dritte Hrenciuc-Buch, das sich vorwiegend mit den Deutschen in Rumänien nach 1918 befasst. Früher hatte der Historiker bereits je ein Buch über die Bukowiner Polen und Juden veröffentlicht.

Nicht viel Neues zum Thema

Für die Fachleute und deutschen Leser ist nicht sehr viel Neues zu erfahren, weil es für Interessenten mehr Literatur gibt, vor allem dank der Dokumentation aus erster Hand „Wege in die Freiheit“ von Dr. Heinz Günther Hüsch (zusammen mit Peter-Dietmar Leber und Hannelore Baier, München 2016) – das Buch, das für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas an den Anfang zu stellen ist. Daraus zitiert Hrenciuc auch ausführlich, manchmal mit Anmerkungen, die durch ungewöhnliche Länge über die Buchseite hinausreichen. Durchwegs hat es der Autor unterlassen, die von den Geheimdienst-Mitarbeitern erstellten Dokumente zu hinterfragen oder mit anderen veröffentlichten Unterlagen zu vergleichen.

Erschienen ist das Buch 2018 im Klausenburger Verlag Mega unter dem Titel „În umbra Securităţii“ (Im Schatten des Geheimdienstes Securitate). Der Untertitel erläutert, dass es sich um die Auswanderung von Deutschen aus Rumänien in der Zeitspanne 1962-1989 handelt. Auf 320 Seiten umfasst die Arbeit eine Einführung, eine einleitende Studie und als Hauptteil eine Auswahl von über 160 Dokumenten (Vorlagen, Anschreiben, Berichte, Quittungen, Rechnungen usw.) aus verschiedenen Archiven zum Thema, ohne dass der Autor etwas über die Auswahlkriterien schreibt, auch nicht dazu, weshalb er mit einem Akt vom Juli 1972 den Dokumententeil abschließt, was gewissermaßen in Widerspruch zum Untertitel steht. Zum Schluss veröffentlicht der Autor zahlreiche Fotos aus der umfangreichen Akte des deutschen Rechtsanwalts Dr. Hüsch, die von der Securitate während dessen Reisen in Bukarest bei Beschattungen angefertigt wurden, viele davon dem Leser nichtssagend, auch von schlechter Qualität.

Weniger wäre – wie bei der Aktenauswahl auch – besser gewesen. Für deutsche Leser ungewöhnlich auch die Tatsache, dass der betroffene Anwalt nicht gefragt oder zumindest in Kenntnis gesetzt wurde über die Veröffentlichung der Fotos und der Kopien der Dienstpässe. Ein Gewinn wäre für das Buch gewesen, wenn eine Korrektur die vielen Tippfehler in Namen und deutschen Titeln im Literaturteil ausgemerzt hätte. Unerklärlich sind in dem Teil auch Fehler bei Vornamen. So kommt beispielsweise Dr. Hans Weresch immer als Hugo vor.

Deutsche in Rumänien

In der Einleitung geht der Historiker sachlich und wohlwollend auf die besondere Rolle der deutschen Gemeinschaften auf dem Gebiet Rumäniens über die Jahrhunderte ein und weist auf die „ethnisch-konfessionelle Prägung“ der historischen Siedlungsgebiete mit deutscher Bevölkerung und auf deren Haltung 1918 hin. Er nennt die Vertreter im rumänischen Parlament der Zwischenkriegszeit und betont beispielsweise die Rolle der Deutschen in der Entwicklung des Pressewesens in diesem historischen Raum. Dargestellt wird aber auch die schwierige Lage der Rumäniendeutschen nach der Machtübernahme durch die Volksgruppe, dann nach dem Zweiten Weltkrieg, dessen Folgen unter anderem dazu führten, dass die Zahl der Deutschen in Rumänien nur noch die Hälfte betrug im Vergleich zur Volkszählung 1930.

Ausführlicher geht Hrenciuc auf viele dieser Aspekte in der anschließenden 50-seitigen Studie ein, in der die einzelnen deutschen Gemeinschaften in ihrer Entwicklung vorgestellt werden, so die Banater und Bukowiner auf den Seiten 27-28. Hier finden sich weniger bekannte Quellenhinweise, beispielsweise zur Lage der katholischen Kirche in der Südbukowina, konkret in Karlsberg (Gura Putnei) und Putna-Dorf. So wird über diese Kirche und ihre Priester im Jahr 1954 berichtet, dass sie „sich nicht einbinden in den Friedenskampf“ und „keine loyale Haltung aufzeigen“ dem Regime gegenüber. Aus diesem Jahr sind erste Zahlungen belegt für den Freikauf von Rumäniendeutschen. Ab Anfang der 1960er Jahre sind unter Vermittler Rechtsanwalt Dr. Ewald Garlepp (Stuttgart) „Kopfpreise“ zu 5000 DM nachgewiesen, für politische Häftlinge mussten 7000 DM bezahlt werden. Interessant sind die zahlreichen Angaben zum Freikauf von Juden aus Rumänien, über weitere geplante oder konstruierte Securitate-Aktionen, wie das Geheimdienstvorhaben zum Aufbau eines Informationsnetzes von Juden und Deutschen unter dem Decknamen „Cocorii“ (Kraniche). Erwähnt wird von Hrenciuc auch der Hungerstreik einer Gruppe von Banatdeutschen im November 1970 in Köln.

Enttarnt werden in der einleitenden Studie die wichtigsten hauptamtlichen Unterhändler der „Secu“ in Verbindung mit dem Freikauf, darunter auch ein Bukowiner. Es war der ehemalige Radautzer und Czernowitzer Finanzbeamte und Rechtsanwalt Roman Porăstău, der ab 1959 Informant der Miliz und ab 1962 Agent des rumänischen Auslandsgeheimdienstes war unter dem Decknamen „Alexandru“. Als Czernowitzer beherrschte er die deutsche Sprache gut und war mit der Buchenlanddeutschen Erna G. verheiratet. Wichtiger sind jedoch die vielen Belege, die aufzeigen, dass dieser „verdeckte Kanal“ als große Geldquelle stets von allerhöchsten Staats- und Parteispitzen genehmigt wurde, vom Innenminister Polit-General Alexandru Drăghici bis zu Partei- und Staatschef Ceauşescu. Eine Schlüsselfigur war über lange Zeit der Drei-Sterne-Geheimdienst-General Nicolae Doicaru (1922-1990), der mit einer Verbindungsagentin der sowjetischen Truppen in Rumänien und der Ukraine verheiratet war, der Bukowinerin Melania Maidan.

Den Anfang nahm diese „Freikauf“-Aktion in Siebenbürgen, namentlich mit der Familie des Juristen Albert Hann. Über Anwalt Dr. Garlepp wurden für die ersten sechs sächsischen Familien 1962 genau 39750 Dollar bezahlt. Kurz danach gab es im November des Jahres noch die Genehmigung für zwei Familien zum „Preis“ von 11750 Dollar. Damit kam die Geheimaktion „Recuperarea“ ins Rollen, denn bei der Gelegenheit wurde im November auch eine neue Liste vorgelegt mit 106 Personen. Sie unterschied sich von den früheren Versuchen der Rot-Kreuz-Dienste. Die ersten Familien aus dem Banat erscheinen namentlich ab 1963 (Szobozlay aus Orawitz, Winkler und Lambrecht aus Temeswar sowie Skitschak aus Tschakowa, bald danach Kiefer aus Triebswetter und Löffler aus Moritzfeld), wobei eine Person in die DDR ausreisen durfte. Die Listen sind nicht nur zu Personen und Adressen aussagewichtig, sondern auch dank durchgängiger Anmerkungen des Geheimdienstes über dessen Beobachtungen, beispielsweise zu politischen Aktivitäten oder „Vorstrafen“. Nur staunen kann der Leser über die Summen, über die verhandelt wurde: Hunderttausende, halbe Millionen oder Millionen D-Mark. So bot Rechtsanwalt Garlepp im Mai 1963 zur Liste mit 90 Familien eine halbe Million DM an. Nicht genau ersichtlich werden aus der Studie die Ursachen, die zu einer fünfjährigen Unterbrechung führten und dann zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Dr. Garlepp über die Pro-Kopf-Zahlungen Anfang 1968. Mit diesen in Verbindung wird erstmals Rechtsanwalt Dr. Hüsch genannt (Wien, 25. April 1968).

Mit Dokumenten bestätigt Hrenciuc die Aussagen im Hüsch-Band, dass die Gelder in bar bezahlt oder durch Überweisungen auf die Konten rumänischer Banken verbucht wurden und nicht auf Schweizer
Privatkonten der Ceauşescu-Familie. Mit den Summen wurden durchwegs Auslandsschulden des Landes getilgt. Anders war es mit den „Geschenken“ – es ging schon mal um eine Lieferung von fünf deutschen Luxusautos oder teure Jagdwaffen, Fotoapparate, Tonbandgeräte, aber auch um eine Stichsäge oder einen Schraubstock –, die verschiedenen Parteistellen und dem Geheimdienst zugeteilt wurden.

Daniel Hrenciuc: În umbra Securităţii. Emigrarea germanilor din România (1962-1989). Cluj-Napoca: Ed. Mega, 2018. 319 Seiten. ISBN 978-606-543-954-2. Zu bestellen zum Preis von 16,90 Euro (zuzüglich Versand) unter www.buechercafe.ro