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Ein Denkmal als Inbegriff donauschwäbischer Identität (Teil 4)

Mit seiner Symbolsprache und Inschrift erinnert das Denkmal an die Auswanderung im 18. Jahrhundert wie auch an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert. Foto: Hans Supritz

Foto: Archiv BP

Nach den Worten des Ulmer Stadtoberhaupts wurde das Denkmal von Prälat Neumann, einem aus Werschetz stammenden katholischer Priester, und von dem evangelischen Pfarrer Ottmann aus München geweiht. Wie Oberbürgermeister Pfizer unterstrich sodann auch Jakob Wolf, der Vorsitzende der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg und seit Mai 1958 auch Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien, die Bedeutung des Denkmals: „Es steht uns zum Zeichen und zur Erinnerung an unsere Vorfahren. Es steht uns auch als ein Beweis für die große Tat ihrer kolonisatorischen Leistung“, „als Zeichen und Erinnerung für Leid und Not, Freude und Segen, Glück und alles, was unsere Menschen erleben und erleiden mussten“. Und es stehe auch stellvertretend „für die vielen ungepflegten Gräber in der alten Heimat“, für die vielen, die in den jugoslawischen Vernichtungslagern ihr Leben lassen mussten und in Massengräbern ruhen.
Wolf deutete das Schicksal der zwischen Mutter- und Vaterland hin- und hergerissenen Donauschwaben und wies auf die neuen Aufgaben hin, die ihnen nach Flucht und Vertreibung erwachsen seien: „Wenn wir wissen, dass sich der Ring der Schwabenzüge hier in Ulm schließt, so sehen wir trotzdem unsere Geschichte nicht als abgeschlossen an. Wir haben uns zum Wiederaufbau zur Verfügung gestellt und wir wollen diesem Lande dienen eingedenk der alten Heimat.“ Wolf schloss mit den Worten: „Dieses Denkmal möge uns immer wieder daran erinnern, dass wir eine Heimat verloren haben, es möge uns dann aber auch ein Zufluchtsort sein, wenn wir unserer in der Heimat gebliebenen Toten gedenken.“

Nach dieser letzten Ansprache spielte eine Blaskapelle das Lied „Großer Gott, wir loben Dich“, in das alle Anwesenden einstimmten. Anschließend sahen die an beiden Ufern der Donau versammelten Menschen eine rekonstruierte Ahnenfahrt mit drei sogenannten Schwabenplätten. Auf der einen waren Bauern, auf der anderen Mädchen in ihren heimatlichen Trachten und auf der dritten Handwerker. Erklärungen dazu gab der Siedlungsforscher Friedrich Lotz. Zum Schluss wurde zum Gedenken an die Toten ein mit 14 Kerzen – die Jahre in der Fremde versinnbildlichend – versehener Kranz der Donau übergeben. Während der Kranz, der zugleich auch ein Gruß an die alte Heimat war, donauabwärts schwamm, trug ein junger Donauschwabe das ergreifende Gedicht von Jakob Wolf „An die Donau“ vor und die Kapelle spielte das Lied vom guten Kameraden. „Es waren dies die ergreifendsten Augenblicke des ganzen Treffens und kaum ein Auge blieb trocken“, merkte „Der Donauschwabe“ an.

Das Denkmal: Form, Symbolik, Inschrift

Das Denkmal hat die Form einer vier Meter hohen viereckigen, sich nach oben leicht verjüngenden Stele aus Muschelkalkstein. Für die Gesamtausführung des Denkmals zeichnete der Bildhauer Erich Koch verantwortlich. Der Stein wurde von der heute noch bestehenden Firma Gschwender aus München geliefert. Das Ulmer Bauunternehmen Vogt-Glöckle – heute in vierter Generation von der Eigentümerfamilie Johnen geführt – stellte kostenlos das Betonfundament her, während die Aufstellung des Steins mittels Hebekran von der in Ulm stationierten US-Armee ebenfalls kostenlos übernommen wurde. Als Aufsichtsperson fungierte der Ulmer Bildhauer Gottlieb Kottmann. Die Koordinierung aller Denkmalfragen lag in den Händen von Franz Helfrich.

An der Front der Stele ist in Bronzeguss ein stilisiertes Schiff – keine Ulmer Schachtel wohlgemerkt – angebracht, auf dem sich eine dreiköpfige Familie befindet. Während die Frau bereits auf einem Gepäckstück Platz genommen hat und das Kind auf ihrem Schoß sitzt, steht der Mann, seinen linken Arm schützend um die Schultern seiner Frau legend, vor dem Mastbaum des Schiffes, der in einem großen, schlanken Kreuz endet.

Márta Fata und Klaus Loderer deuten die Intention des Künstlers folgendermaßen: „Das Schiff mit dem Mastbaum kann (…) gedeutet werden als Symbol der irdischen Reise des Menschen über das stürmische Meer des Lebens im Zeichen der Hoffnung, den Hafen Gottes zu erreichen. Auch das Motiv der dreiköpfigen Familie als Anspielung auf die Flucht der Heiligen Familie löst das Thema vom aktuellen Kontext. So gesehen ist die Darstellung (…) zeitlos und kann sowohl die Auswanderung als auch die Vertreibung andeuten. Durch das verwendete Kreuzsymbol gehört jedoch das Mahnmal eher zu der Reihe der Denkmäler von Flucht und Vertreibung, die besonders in den 1950er Jahren in großer Zahl in der Bundesrepublik Deutschland entstanden.“

Die auf der der Donau zugekehrten Seite der Stele angebrachte Inschrift lautet: „Von Ulm aus zogen deutsche Siedler im 18. Jahrhundert auf der Donau nach dem Südosten Europas. Ihre Nachfahren kehrten, vom Schicksal nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben, in das Land ihrer Väter zurück.“

In der unteren Steinfuge des Denkmals ist rechts die von Oberbürgermeister Theodor Pfizer, Franz Helfrich und Jakob Wolf unterschriebene, bleirohrverhüllte und teerisolierte Original-Stiftungsurkunde eingelassen, die anlässlich der Grundsteinlegung 1956 vom Ulmer Stadtoberhaupt verlesen worden war.

Aus der Widmungsinschrift wie auch aus der Stiftungsurkunde des Denkmals geht eindeutig hervor, dass es sowohl an die Auswanderung im 18. Jahrhundert als auch an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert erinnern soll. Mit seiner Lage, seiner Bildersprache und seiner Inschrift erweise sich das Denkmal „als die in Stein gehauene und in Bronze gegossene Deutung einer wesentlich von Migrationsprozessen (…) geprägten Geschichte“, so Mathias Beer. Es verkörpere „das Bild einer imaginierten Gruppe der Donauschwaben, für die Wanderungsbewegungen, Ulm und die Donau konstitutiv sind“ und es stifte „durch die spezifische Deutung der eigenen Migrationsgeschichte Gemeinschaft durch Erinnerung“.

Mit der Einweihung des Denkmals stieg Ulm zu einem Wallfahrtsort der Donauschwaben aus aller Welt auf. Mit jeder Feier, mit jeder Kranzniederlegung am Auswandererdenkmal wird die Erinnerung an die mittlerweile 300-jährige Geschichte der Gruppe erneuert und so das Vergangene im kollektiven Gedächtnis bewahrt. Seit 1962 heißt das Ufer vor dem Denkmal offiziell „Donauschwabenufer“. Hier, an der nahe-gelegenen Stadtmauer, wurde in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Gedenktafeln angebracht. Indes sind es 29. Die meisten wurden von einzelnen Heimatortsgemeinschaften aus der Batschka und dem serbischen Banat gestiftet, aber auch der Ulmer Kreisverband der Banater Schwaben und die Heimatortsgemeinschaft Neupanat sowie der Landesverband der Donauschwaben in den USA, die Donauschwaben aus Entre Rios/Brasilien und der Verein der Donauschwaben in Süd-Australien ließen hier Bronzetafeln anbringen. Als letzte wurde am 9. September dieses
Jahres die von der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben gestiftete Gedenktafel enthüllt.

Der Tag der Donauschwaben 1958

Als Schirmherren des Tages der Donauschwaben 1958 fungierten Dr. Eugen Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Ludwig Erhard, Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Gebhard Müller, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Eduard Fiedler, Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte des Landes Baden-Württemberg, und Theodor Pfizer, Oberbürgermeister der Stadt Ulm. Die genannten Persönlichkeiten sandten Grußworte, die in der vom Festausschuss herausgegebenen und von Jakob Wolf und Franz Schuttack redigierten siebzigseitigen Festschrift abgedruckt wurden.

Mit 40000 Teilnehmern bleibt der Tag der Donauschwaben 1958 in Ulm bis heute die am besten besuchte Veranstaltung dieser Art. Beeindruckend war nicht nur die Zahl der Besucher, sondern auch das umfangreiche Programm, das während dieser „Woche der Donauschwaben“ geboten wurde und hier nur kurz gestreift werden soll.

Am 5. August wurde im Ulmer Rathaus eine unter Leitung von Dr. Anton Tafferner gestaltete Buch-, Bilder- und Urkunden-Ausstellung eröffnet, die von einem Vortrag zur Südostkolonisation von Friedrich Lotz begleitet wurde. An den beiden folgenden Tagen standen ein Konzertabend donauschwäbischer Künstler und Komponisten sowie ein literarischer Abend mit Lesungen von Annie Schmidt-Endres, Hans Wolfram Hockl, Franz Bahl und Nikolaus Engelmann auf dem Programm. Im Rahmen einer Festsitzung am 8. August, bei der Prof. Dr. Anton Scherer aus Graz die Festansprache hielt, verlieh das Kuratorium für donauschwäbische Stiftungen die Adam-Müller-Guttenbrunn-Plakette an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Dr. Gebhard Müller, und an den Präsidenten des Verbandes der Donauschwaben in den USA, Peter Max Wagner, in Anerkennung ihrer „besonderen Verdienste um das Donauschwabentum“. Für Verdienste auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung erhielt der Literaturwissenschaftler und Historiker Anton Scherer den ersten Kulturpreis der Donauschwaben (nicht zu verwechseln mit dem 1966 vom Land Baden-Württemberg gestifteten Donauschwäbischen Kulturpreis).

Am Samstag, dem 9. August, übergab die Stadt Ulm die der Landsmannschaft der Donauschwaben zur Verfügung gestellten Räume, die als Geschäftsstelle und – wie es Oberbürgermeister Pfizer ausdrückte – als „eine erste Zelle für ein späteres Haus der Donauschwaben“ dienen sollten. Nach der Einweihung des Auswandererdenkmals traf sich die Donauschwäbische Jugend zu Sportveranstaltungen im Stadion und zu einer Feierstunde im Großen Rathaussaal, bei der sie Nikolaus Engelmanns Weihespiel „Aus jeder Not wächst Brot“ aufführte. Am Abend führten die Laienspielgruppen aus Giengen an der Brenz und Dietenheim unter der Leitung von Matthias Merkle mit großem Erfolg die Stücke „Evchens Hochzeit“ von Christl Hutterer und „Dr dickscht Schwartlmaa“ von Hans Wolfram Hockl im Bräustüble auf. Der Tag
endete mit einem Volkstumsabend in der Donauhalle und einer Tanzveranstaltung für die Jugend im nahegelegenen Vereinsheim „Teutonia“.

Der Sonntag begann mit einem evangelischen Gottesdienst im Münster und einem katholischen Feldgottesdienst im Stadion. Da gleichzeitig das vom Ulmer Schifferverein ausgerichtete traditionelle Fischerstechen stattfand, hatten die Besucher des großen Heimattreffens am Vormittag die Möglichkeit, dem farbenprächtigen Umzug und der Vorführung der historischen Tänze der Fischerzunft beizuwohnen. Nach dem Einmarsch der donauschwäbischen Trachtengruppen begann am Donauufer um 13.30 Uhr die Hauptkundgebung. Trotz sengender Hitze säumten Tausende von Menschen die Ufer der Donau auf Ulmer und Neu-Ulmer Seite. Jakob Wolf eröffnete die Kundgebung, wonach sich Oberbürgermeister Pfizer und Minister Fiedler an die Donauschwaben wandten. Die Vertreter der Donauschwaben aus den USA und Österreich, der Vertreter der Donauschwäbischen Jugend sowie der erst vor kurzem in den Landtag von Baden-Württemberg nachgerückte Abgeordnete Peter Maurus (Gründer und Herausgeber der „Banater Post“, Landesverbandsvorsitzender) sprachen kurze Grußworte. Nach der Hauptkundgebung wurde die rekonstruierte Ahnenfahrt auf der Donau vom Vortag wiederholt, an die sich das Fischerstechen anschloss.

An den beiden Haupttagen der Großveranstaltung hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich nach Herkunftskreisen und -gemeinden zu treffen. Die Banater Schwaben aus Rumänien trafen sich im Festzelt in der Friedrichsau, die Landsleute aus den evangelischen Banater Gemeinden Liebling, Birda, Kleinschemlak und Waldau kamen in der Gaststätte „Zum Mohren“ zusammen.

(Schluss folgt)