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Ein Denkmal als Inbegriff donauschwäbischer Identität (Teil 3)

Zum Tag der Donauschwaben 1958 ist eine 70-seitige Festschrift erschienen.

Vor sechzig Jahren wurde das Ahnen-Auswanderungsdenkmal am Ulmer Donauufer eingeweiht

DAG versus Einheitslandsmannschaft

An dieser Stelle erscheint es notwendig, auf die landsmannschaftlichen Organisationsstrukturen im donauschwäbischen Bereich sowie die seit dem Tag der Donauschwaben 1956 eingetretenen Entwicklungen näher einzugehen.

Damals bestanden auf Bundesebene vier Landsmannschaften: die Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien, die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, die Ungarndeutsche Landsmannschaft sowie die Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien. Diese hatten teils eigene, selbständige Landesverbände (in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen), teils gab es gemeinsame, gesamtdonauschwäbische Landesverbände, die sich in Hamburg/Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen „Landsmannschaft der Donauschwaben“, in Rheinland-Pfalz (ab 1957 auch im Saarland) hingegen „Donaudeutsche Landsmannschaft“ nannten. Die Gliederungen auf der untersten Ebene (Orts- und Kreisverbände) wiesen vielerorts einen gesamtdonauschwäbischen Charakter auf.

Nicht immer verlief die Zusammenarbeit innerhalb der gemischten Verbände zur Zufriedenheit aller Gruppen. Als Beispiel kann die nach der Schaffung des Südweststaates im Oktober 1952 gegründete Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg angeführt werden, die sich als eine stammesbezogene Heimatorganisation verstand. Die darin zusammengeschlossenen landsmannschaftlichen Gruppen aus Jugoslawien, Ungarn und dem rumänischen Banat bewahrten in heimatpolitischen Fragen sowie in der Frage der jeweiligen Bundeslandsmannschaft ihre Eigenständigkeit, zudem hatte der Vorstand drei gleichberechtigte Vorsitzende, und zwar je einen aus den drei Heimatländern, die unter sich den geschäftsführenden Vorsitzenden bestimmten. Die Uneinigkeit in den Reihen der Jugoslawien- und Ungarndeutschen, die in Baden-Württemberg in mehrere landsmannschaftliche Gruppen gespalten waren, die unterschiedlichen Auffassungen über die Aufgaben der Landsmannschaft wie auch in organisatorischen Grundfragen sowie die satzungswidrige Wahl von Dr. Georg Wanger, einem Sathmarer Schwaben, in den Vorstand als Vertreter des baden-württembergischen Landesverbandes der Landsmannschaft der Banater Schwaben führten im August 1956 zu dessen organisatorischen Lösung von der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg.

Mit dem Zweck, gemeinsame kulturelle Belange zu pflegen sowie gemeinsame heimatpolitische, rechtliche, soziale und wirtschaftliche Interessen wahrzunehmen und zu vertreten, gründeten die Landsmannschaften der Deutschen aus Jugoslawien, der Deutschen aus Ungarn und der Banater Schwaben aus Rumänien bei Wahrung der Eigenständigkeit ihrer landsmannschaftlichen Organisation und Achtung der Zuständigkeit in heimatpolitischen Fragen anlässlich des Tages der Donauschwaben 1956 in Ulm die Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft (DAG). Der Vorsitz dieser als loser Dachorganisation konzipierten Arbeitsgemeinschaft sollte alle zwei Jahre unter den drei Mitgliedsverbänden wechseln. Als erster übernahm der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Anton Valentin, den geschäftsführenden Vorsitz.

Bei der unterschiedlichen Interessenlage der verschiedenen Gruppen erwies sich eine fruchtbare gesamtdonauschwäbische Zusammenarbeit recht mühsam. Man einigte sich aber wenigstens auf eine gemeinsame Vertretung der Donauschwaben nach außen, etwa bei den politischen Instanzen, bei den Bemühungen, eine einheitliche Regelung der Ersatzeinheitswerte für die Berechnung des verlorenen landwirtschaftlichen Vermögens zu erwirken, sowie auf Termine und Orte des gemeinsam durchzuführenden Tages der Donauschwaben.

Zusätzlich erschwert wurde die Zusammenarbeit durch die sich mehrenden, in bestimmten jugoslawiendeutschen Kreisen vernehmbaren Stimmen, die sich für eine einheitliche donauschwäbische Bundeslandsmannschaft aussprachen. Propagiert wurde dieses Vorhaben insbesondere vom Landesbezirksverband der Donauschwaben in Südwürttemberg-Hohenzollern mit Anton Bertl an der Spitze und vom Kreisverband Ulm, dem Franz Helfrich vorstand. Auch die Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg unter ihrem Vorsitzenden Jakob Wolf sowie einzelne Kreise außerhalb Baden-Württembergs setzten sich für einen homogenen donauschwäbischen Bundesverband ein.

Unterstützung fand diese Sammlungsbewegung durch die donauschwäbischen Wochenzeitungen, so seitens des in Salzburg erscheinenden Blattes „Neuland“, insbesondere aber durch die „Donauschwäbische Rundschau“, eine Gründung Leopold Rohrbachers, die von dem Aalener Zeitungsverleger Dr. Konrad Theiß aufgekauft worden war und seit Juli 1957 unter der Schriftleitung des Banaters Franz Schuttack (geb. 1922 in Lovrin, gest. 2016 in Aalen) stand. Als glühender Verfechter einer donauschwäbischen Einheitsorganisation arbeitete Schuttack „Konkrete Vorschläge zur Schaffung der Bundeslandsmannschaft der Donauschwaben“ aus (diese wurden im November 1957 in den Nummern 44 und 45 der „Donauschwäbischen Rundschau“ veröffentlicht) und erreichte, dass der Donauschwäbische Heimatverlag Aalen die „Donauschwäbische Rundschau“ der Landsmannschaft der Donauschwaben als offizielles Organ zur Verfügung stellte. Die „Donauschwäbische Rundschau“, die sich im Untertitel „Heimatblatt der donauschwäbischen Heimatvertriebenen aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien“ nannte, erschien ab 1. April 1958 unter dem Titel „Der Donauschwabe“ und sollte nach Gründung der Bundeslandsmannschaft der Donauschwaben zu deren Organ werden.

Die Befürworter einer Donauschwäbischen Bundeslandsmannschaft, die sogenannte Wolf-Bertl-Helfrich-Gruppe, vertraten einen dezidiert donauschwäbischen Standpunkt im Sinne der historischen Zusammengehörigkeit und der geistig-kulturellen Einheit der in das historische Ungarn ausgewanderten Deutschen und setzten sich für eine straffe organisatorische Zusammenfassung aller Donauschwaben ein. Sie betonten, dass die Orts- und Kreisverbände auf donauschwäbischer Basis organisiert seien und es dringend geboten sei, durch die Schaffung eines einheitlichen Bundesverbandes die unnatürlichen Differenzierungen aufgrund der Trianon-Grenzen zu überwinden. Angesichts des auf unterster Ebene bestehenden Willens zum Zusammenschluss müsse die Einheit von unten nach oben herbeigeführt werden, nachdem alle bisherigen Versuche auf höherer Ebene gescheitert seien. Die Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft betrachteten sie als ineffizient, konzeptions- und wirkungslos.

Die Bundesverbände der Deutschen aus Jugoslawien, der Deutschen aus Ungarn und der Banater Schwaben erachteten die Zusammenarbeit im Rahmen der Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft als hinreichend und lehnten eine Donauschwäbische Bundeslandsmannschaft entschieden ab. Sie pochten auf ihrer organisatorischen Eigenständigkeit, auch angesichts ihrer unterschiedlich gearteten heimatpolitischen Interessen, Bindungen und Verpflichtungen, die eine Selbstverantwortung in der Wahrnehmung der daraus resultierenden Aufgaben reklamierten. Anton Valentin, der Bundesvorsitzende der Banater Schwaben, betonte zudem, es sei völlig abwegig, von einem donauschwäbischen Gemeinschaftsbewusstsein bis 1918 zu sprechen und verwahrte sich gegen eine „politische Ausdeutung eines donauschwäbischen Stammesbewusstseins“.

Die in der Presse ausgetragenen, zum Teil heftigen und nicht immer auf sachlichen Argumenten beruhenden Auseinandersetzungen wirkten sich verständlicherweise auch auf die Vorbereitungen für den Tag der Donauschwaben 1958 aus, in dessen Rahmen das Auswandererdenkmal eingeweiht werden sollte. Die Verfechter einer gesamtdonauschwäbischen Organisation waren fest entschlossen, anlässlich des Tages der Donauschwaben im August 1958 in Ulm eine donauschwäbische Bundesversammlung mit dem Ziel einzuberufen, die Gründung der einheitlichen Bundeslandsmannschaft auszusprechen. Sie bildeten am 7. Dezember 1957 einen provisorischen Festausschuss unter der Leitung von Franz Helfrich, dessen endgültige Zusammensetzung am 30. März 1958 festgelegt wurde, stellten das Programm für den Tag der Donauschwaben zusammen und stimmten es mit der Ulmer Stadtverwaltung ab, erarbeiteten die Wahl- und Geschäftsordnung der ersten gesamtdonauschwäbischen Bundesversammlung und trafen alle weiteren Vorbereitungen für das Großereignis.

Im Festausschuss nahm Anton Bertl die Aufgabe des Beauftragten für die Bundesversammlung wahr. Diese sollte paritätisch zusammengesetzt sein und je 70 aus demokratischen Wahlen hervorgegangene Delegierte aus den drei Herkunftsländern umfassen. Angesichts der von der DAG Mitte März in Neustadt an der Weinstraße getroffenen Entscheidungen sah sich der Festausschuss – dem auch Peter Maurus und Josef Kungl als Beauftragte der Landsmannschaft der Banater Schwaben und der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn angehörten – veranlasst zu erklären, dass er einzig und allein für die Gestaltung des Tages der Donauschwaben verantwortlich sei.

Die Delegiertentagung der DAG in Neustadt an der Weinstraße, an der Vertreter der drei Bundeslandsmannschaften, der Landesverbände aus acht Bundesländern, der Donauschwäbischen Jugend und des Südostdeutschen Hochschulrings teilnahmen, hatte nicht nur die Bestrebungen zur Gründung einer sogenannten Donauschwäbischen Bundeslandsmannschaft „mit erdrückender Mehrheit“ abgelehnt, sondern auch beschlossen, dass die DAG Trägerin des Tages der Donauschwaben 1958 sei.

Zu den widersprüchlichen Schreiben, die beide Seiten im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für den Tag der Donauschwaben an Oberbürgermeister Pfizer gerichtet haben, bezog die Stadt Ulm dahingehend Stellung, dass sie nach wie vor mit der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg zusammenarbeiten wolle, da diese „die beiden letzten Donauschwaben-Tage im Wesentlichen organisiert hat und seitens der Stadt Ulm keine Veranlassung besteht, nun mit anderen Landsmannschaften zusammenzuarbeiten“. Die Stadt Ulm könne und wolle sich nicht „in die sich widerstreitenden Bestrebungen und unterschiedlichen Meinungen der verschiedenen Landsmannschaften einmischen“, es würde ihr aber besonders am Herzen liegen, wenn der Tag der Donauschwaben 1958 in Ulm ohne Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Landsmannschaften abgehalten werden könnte. In die beabsichtigte Gründung einer Donauschwäbischen Bundeslandsmannschaft könne sich die Stadt Ulm nicht einmischen, „da dieser Gründungsakt eine Sache der Landsmannschaft allein sein muss“. Stadtdirektor Allgöwer teilte mit, dass eine solche Gründung nicht in Räumen, die die Stadt Ulm zur Verfügung stellt, stattfinden könne und dass dabei auch keine offiziellen Vertreter der Stadt und des Staates anwesend sein würden.

Obwohl es nach der Vollsitzung des Festausschusses am 8. Juni 1958 noch den Anschein hatte, als ob die beiden Seiten doch noch zueinander finden würden, konnte letzten Endes keine Verständigung hinsichtlich der Bundesversammlung herbeigeführt werden. Sie standen sich beim Tag der Donauschwaben unversöhnlich gegenüber. Verhindern konnten die drei Landsmannschaften die Gründung einer vorgeblich einheitlichen Bundeslandsmannschaft mit der Bezeichnung „Verband der Donauschwaben“ nicht. Helfrichs Kommentar dazu: „Angesichts dessen, daß unsere Bundesspitzen weder mitgeholfen haben, das Denkmal zu errichten noch das Festprogramm zu planen, war ihre Anwesenheit rein symbolischer Natur. Die Annahme, ohne sie läuft nichts, hatte sie in diese Situation gebracht. Das war gegen die Absicht aller Anhänger der einheitlichen Bundeslandsmannschaft.“

Die Denkmalenthüllung am 9. August 1958

Unter der Überschrift „40000 Donauschwaben waren in Ulm!“ berichtete „Der Donauschwabe“ ausführlich über das beeindruckende Treffen in der Donaustadt. „Für uns Donauschwaben hat es seit 1945 gewiss noch kein so großes Ereignis gegeben, wie den ‚Tag der Donauschwaben‘ 1958“, so der Berichterstatter. „Es war nicht nur ein Tag, sondern eine ganze Woche, während der wir Donauschwaben all das vor die Öffentlichkeit brachten, was unser Wertvollstes ist. Diese ‚Woche der Donauschwaben‘ 1958 war ein Höhepunkt in der Geschichte unseres Volkes, den wir – das ist unsere vollste Überzeugung – nie mehr überschreiten werden. […] All jene, die vom 5. bis 10. August 1958 in Ulm waren, haben unsere glanzvollsten Tage erlebt. Wir glauben sagen zu dürfen, dass es uns selbst noch nie so bewusst war, was wir zu leisten imstande sind, als während dieser erhebenden Tage. […] Mindestens 40000 Donauschwaben aus aller Welt diesseits des Eisernen Vorhangs haben Tage erlebt, die sie niemals vergessen werden.“

Einer der Höhepunkte des Tages der Donauschwaben war die Einweihungsfeier des Auswandererdenkmals am Donauufer, an der Persönlichkeiten der Stadt Ulm und der Landsmannschaften, zahlreiche Gäste sowie Tausende von Landsleuten teilnahmen. Die Feier wurde von Josef Werneth eröffnet, der das von Franz Helfrich enthüllte Denkmal in die Obhut der Stadt Ulm übergab mit dem Wunsch: „Möge es unserem Volke, den Donauschwaben, durch die vorbildliche Tat unserer Ahnen in der Gegenwart und Zukunft Achtung erringen und uns weiterhin Kraft und Ausdauer verleihen.“

„Dieser Stein, seiner Hülle nun ledig, ist die Erfüllung eines schon seit langem gehegten Wunsches unserer Donauschwaben, aber auch der Stadt Ulm“, sagte Oberbürgermeister Pfizer. Das Denkmal solle vom großen friedlichen Schwabenzug künden, der vor 200 Jahren hier an den Ufern der Donau seinen Anfang nahm, es solle auch „von dem bitteren Schwabenzug am Ende des Zweiten Weltkrieges und von dem grausamen Geschick künden, das den Donauschwaben widerfuhr“. Die Stadt Ulm und dieser mahnende Stein sollen „ein festes Band für alle Donauschwaben“ sein, so Pfizer. „Wir freuen uns, dass dieses Werk ein Zeugnis dafür ist, wie die Donauschwaben und ihre Patenstadt sich die Hände reichen, denn beide haben mitgeholfen, dass dieses Denkmal entstehen konnte. Wir übernehmen es in die Obhut der Stadt und versprechen, es in Liebe und Treue zu hüten, weil es uns an ein wichtiges Stück deutscher Geschichte erinnert.“