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Ein Denkmal als Inbegriff donauschwäbischer Identität (Teil 2)

Das am 9. August 1958 eingeweihte Auswandererdenkmal in Ulm ist zentraler Gedenkort der Donauschwaben und Banater Schwaben. Foto: Jürgen Schneider

Bei der Gedenkstunde am Auswandererdenkmal anlässlich des Heimattages der Banater Schwaben 2018 begrüßte der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch die Gäste von nah und fern. Foto: Jürgen Schneider

Vor sechzig Jahren wurde das Ahnen-Auswanderungsdenkmal am Ulmer Donauufer eingeweiht - Grundsteinlegung beim Tag der Donauschwaben 1956

Die symbolische Grundsteinlegung zum Ahnen-Auswanderungsdenkmal wurde anlässlich des Tages der Donauschwaben 1956 vorgenommen. Dazu hatten die Landsmannschaften der Deutschen aus
Jugoslawien, der Deutschen aus Ungarn und der Banater Schwaben aus Rumänien eingeladen. Die organisatorischen Vorbereitungen wurden vom Landesverband Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Donauschwaben und von der Ulmer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen aus dem Südosten getroffen. Schirmherren des zweitägigen Bundestreffens, an dem rund 20000 Donauschwaben teilgenommen haben, waren Dr. Gebhard Müller, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, das zwei Jahre zuvor die Patenschaft über die Volksgruppe der Donauschwaben übernommen hatte, Eduard Fiedler, baden-württembergischer Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, sowie Ulms Oberbürgermeister Theodor Pfizer.

Am Vormittag des 15. September versammelten sich die Vertreter der Stadt, die Spitzen der Bundeslandsmannschaften sowie tausende Gäste am Donauufer, um dem feierlichen Akt der Grundsteinlegung beizuwohnen. Der Ulmer Kreisvorsitzende Franz Helfrich sprach Worte der Begrüßung und gab Aufschluss über den Entstehungsgedanken und den Plan, nach dem das Denkmal gestaltet werden soll. Dann sprach Oberbürgermeister Pfizer, der zum einen an die Auswandererzüge erinnerte und das Schicksal der Donauschwaben mit der Donaustadt Ulm verknüpfte und zum anderen die Bereitschaft der Stadt Ulm zur Gestaltung und Betreuung des Denkmals hervorhob. Er verlas eine in künstlerischer Form auf Pergament abgefasste Urkunde, die bei der Errichtung des Denkmals in das Fundament eingelassen werden sollte. Die Urkunde hat folgenden Inhalt:

„Von dieser Stelle aus zogen vor zweihundert Jahren, gerufen von den Kaisern Karl VI., Maria Theresia und Joseph II., tausende schwäbischer Bauern die Donau hinab nach Wien und von dort in die durch die Türkenkriege verödeten Ebenen zum unteren Donaulauf, um hier ein Werk der Kolonisation zu schaffen, von dessen Mühen und Entbehrungen das Wort zeugt: ‚Die Ersten hatten den Tod, die Zweiten die Not, die Dritten das Brot!‘ Ihre mit der Pflugschar, nicht mit dem Schwert gegründete neue Heimat durchwirkten sie im Laufe der Generationen – den Nachbarn zum Vorbild – mit einer
eigenständigen Kultur.
Aus den Wirren des zweiten Weltkriegs aufbrechender Hass vernichtete diese blühenden Siedlungen: Die Donauschwaben wurden vertrieben und zerstreut, ihre Dörfer und Höfe ver-
fielen.
Fünfhunderttausend kehrten in die alte Heimat zurück und haben mit dieser Urkunde sich zu einer großen, friedlichen Leistung bekannt, die vor der Geschichte der Menschheit bestehen bleibt, auch wenn menschlicher Unverstand sie tilgte.
Diese Urkunde wurde in das Denkmal eingefügt, das die Nachfahren der einst von hier ausgezogenen Siedler an dieser Stelle errichtet haben.“

Die Ehre, die Festrede zu halten, wurde Nikolaus Engelmann zuteil. Der aus dem Banat stammende, in Oberösterreich beheimatete Schulmann, Kulturpolitiker, Publizist und Schriftsteller zeigte nach einem kurzen historischen Rückblick die Notwendigkeit und den Sinn eines solchen Denkmals auf. Es müsse ein Erinnerungszeichen an Leid und Größe südostdeutscher Kolonisationsarbeit sein, sagte Engelmann, und zugleich ein Mahnmal, alles zu unternehmen und Wege zu suchen, um Katastrophen ähnlicher Art, wie sie die Donauschwaben zu erdulden hatten, in Hinkunft zu vermeiden.

Anschließend trug Josef Kungl das Gedicht „Eine Handvoll Heimaterde“ von Ella Triebnigg-Pirkhert (geb. 1874 in Ofen, gest. 1938 in Wien) vor, das mit den Versen beginnt: „Eine Handvoll Heimaterde nahm ich von der Heimat mit, / als ich schied, / habe in ein Linnensäckchen eingenäht sie mitgebracht, / unter meinem Kissen liegt sie in der Nacht.“ Franz Helfrich schloss die feierliche Grundsteinlegung und streute Heimaterde an die Stelle des zukünftigen Denkmals mit den Worten: „Südost-Heimaterde verbinde dich mit der alten unserer Auswanderer-Ahnen!“ Die Feierstunde wurde von einem Trompetenquartett der Ulmer städtischen Bühne musikalisch umrahmt.

Über die weiteren Pläne der Donauschwaben interviewt, sagte der Vorsitzende der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg, Jakob Wolf, unter anderem: „Die Münsterstadt Ulm ist ein Markstein in der Geschichte der Donauschwaben. Durch die Errichtung eines Ahnendenkmals, das künftig donauabwärts blickt, wird Ulm der Wallfahrtsort für alle vertriebenen Donauschwaben.“

Ein Monat nach dem Tag der Donauschwaben kündigten die Deutschen aus Ungarn die Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen aus dem Südosten auf und gründeten einen eigenen Kreisverband. Die Donauschwaben aus Jugoslawien und die kleine Gruppe der Banater Schwaben um ihren Sprecher Stefan Schweitzer bildeten fortan die Landsmannschaft der Donauschwaben, Kreisgruppe Ulm.

Erster Preis geht an Kunststudenten

Die Sitzung des Preisgerichts, dem Oberbürgermeister Theodor Pfizer, Museumsdirektor Dr. Herbert Pée, der Ulmer Bildhauer Gottlieb Kottmann, der Landesvorsitzende Jakob Wolf und der Kreisvorsitzende Franz Helfrich angehörten, fand am 10. Januar 1957 im Ulmer Rathaus statt. Eingereicht worden waren 21 Entwürfe.

Die Jury ließ sich bei der Beurteilung der Arbeiten in der Hauptsache von zwei Gesichtspunkten leiten, und zwar von dem Gesichtspunkt, wieweit der Erfüllung der gestellten Aufgabe Rechnung getragen wurde, ferner von dem Gesichtspunkt der Wertung der künstlerischen Qualität. Nach zwei Durchgängen, bei denen jede einzelne Wettbewerbseinsendung im Sinne der genannten Vorbedingungen geprüft wurde, schieden 15 Entwürfe aus. Von den verbliebenen sechs Arbeiten sind nur zwei mit Preisen bedacht worden, während vier Entwürfe zum Ankauf bestimmt wurden. Den ersten Preis in Höhe von 500 DM erhielt Erich Koch, Student an der Akademie der Bildenden Künste in München, dessen Entwurf den Vorstellungen der Jury am weitestgehenden entsprach und auch künstlerisch den Ansprüchen gerecht wurde. Diese Arbeit wurde somit zur Ausführung ausersehen.

Dazu Jakob Wolf in der „Donauschwäbischen Rundschau“ vom 27. Januar 1957: „Die zur Ausführung ausgewählte Arbeit zeichnet sich durch die Schlichtheit und Prägnanz der Symbolsprache aus. Das Leitmotiv der Schwabenzüge, das Schiff, tritt klar in Erscheinung, verbunden mit dem die Fläche des Steines gliedernden Kreuz als Symbol der Missionsarbeit und des Schicksals der Donauschwaben. Das Kreuz wie auch die Menschen, die es umstehen, haben keinen festen Stand, womit die Zeitlosigkeit der Aufgabe und die mutwillige Entwurzelung des Volksstammes der Donauschwaben angedeutet scheint. Künstlerisch spricht das Werk sehr an und wirkt absolut überzeugend in der Gesamtgestaltung.“

Die „Donauschwäbische Rundschau“ veröffentlichte in der Ausgabe vom 3. Februar 1957 auf Seite 1 den aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Denkmal-Entwurf.

Erich Koch: Bildhauer und Akademieprofessor

Erich Koch wurde 1924 in Roßbach in der Pfalz geboren, wo sein Vater eine Schnitzerwerkstatt besaß. Er besuchte die Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern. 1942 zum Kriegsdienst einberufen, geriet er gegen Kriegsende in russische Gefangenschaft, aus der er erst nach neun Jahren entlassen wurde. In Russland hatte er auch Donauschwaben kennengelernt, von denen er vieles über das Schicksal der Deutschen an der mittleren Donau erfuhr. Nach seiner Rückkehr 1954 begann Koch ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München als Schüler der Bildhauerklasse von Professor Josef Henselmann. Zehn Jahre leitete er die Guss-Werkstatt an der Kunstakademie, ab 1964 verband er sein künstlerisches Wirken mit einer Lehrtätigkeit an der Akademie, zunächst als Lehrer für Erzguss, dann als Honorarprofessor und schließlich von 1975 bis 1990 als ordentlicher Professor für Bildhauerei. Erich Koch ist am Neujahrstag 2014 im Alter von 89 Jahren in München gestorben.

Im Zentrum seines künstlerischen Schaffens standen Metallplastiken, insbesondere aus Bronze, wobei die Darstellung des Menschen und Tierfiguren seine Hauptthemen waren. Man glaube zu schnell, Kochs Kunst zu durchschauen, das Auge hefte sie übereilt als freundlich und gefällig ab, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ im Jahr 2011. „Bei seinen Figuren – Torsi und kleine Gruppen, Tierdarstellungen – schwingt etwas Abgründiges, Dunkles mit, eine Traurigkeit vielleicht auch. Fast meint man, seine Werke tarnen sich mit dem figürlichen Putz, um sich nur dem zu zeigen, der sich ihnen völlig öffnet.“ Als Mensch und Künstler stehe Erich Koch „für eine skeptische Generation, die von den Verwerfungen des letzten Jahrhunderts geprägt wurde und in gewisser Weise zeitlebens um Befreiung rang“.

Der Bildhauer, der einige Jahre auch Präsident der am Haus der Kunst angesiedelten Künstlervereinigung „Neue Gruppe“ war, hat mehrere Kunstpreise erhalten und wurde 1984 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Mit der Schaffung des Auswanderungsdenkmals in Ulm hat sich Erich Koch den Donauschwaben unvergesslich ins Bewusstsein geprägt.

Spendenaktion erbrachte über 33000 DM

Der ursprüngliche Plan, das aus Spenden finanzierte Denkmal anlässlich des Tages der Donauschwaben am 24. und 25. August 1957 zu enthüllen, ließ sich nicht verwirklichen, weil einerseits die Spendenaktion noch nicht die angesetzte Summe von 7000 DM erbracht hatte und andererseits die Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Ungarn entgegen ihrer ursprünglichen Zusage beschlossen hatten, am Tag der Donauschwaben 1957 nicht teilzunehmen. Die Delegiertentagung der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die am 16. und 17. Juni 1957 in Stuttgart stattfand, hatte sich dafür ausgesprochen, in Zukunft jährlich einen eigenen Banater Heimattag zu veranstalten und sich nur jedes zweite Jahr an einem donauschwäbischen Treffen zu beteiligen. Somit sind im August 1957 lediglich die Deutschen aus Jugoslawien, und das 10000 an der Zahl, dem Ruf des damaligen Bundesvorsitzenden Franz Hamm nach Ulm gefolgt.

Die Spendenaktion unter der Leitung von Franz Helfrich war am 9. April 1956 gestartet. Einem von Helfrich in der „Donauschwäbischen Rundschau“ vom 31. März 1957 unter dem Titel „Ulmer Sorgen“ veröffentlichten Beitrag ist zu entnehmen, dass die Aktion bis zum damaligen Zeitpunkt 3600 DM eingebracht hatte, wovon allein 70 Prozent auf den Kreis Ulm entfielen. Hamms Aufruf anlässlich des Tages der Donauschwaben 1957, eine Sammlung für das Denkmal durchzuführen, erbrachte 593,75 DM. Danach stagnierte die Spendenaktion und nahm erst im Frühjahr 1958, unter anderem auch infolge von Helfrichs „Aufruf an das donauschwäbische Volk“, wieder Fahrt auf.

In dem in der „Donauschwäbischen Rundschau“ vom 16. März 1958 erschienenen Aufruf heißt es: „Inzwischen haben viele donauschwäbische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Frankreich und in Übersee sowie zahlreiche Landsleute, von denen nicht wenige auch heute noch in Massenlagern zu leben gezwungen sind, oft über ihre finanziellen Verhältnisse hinaus ihren freiwilligen Beitrag für dieses Werk, das Generationen überdauern wird, geleistet.“ Dank des Einsatzes einzelner Landsleute und landsmannschaftlicher Kreis- und Ortsverbände habe man es – auch „ohne jegliche Unterstützung seitens unserer gegenwärtigen Bundesorganisationen“ – geschafft, etwa die Hälfte der laut Kostenvoranschlag auf rund 13000 DM bezifferten Summe aufzubringen. Helfrich appellierte an alle Landsleute, eine freiwillige Spende für das Denkmal zu leisten, um den noch fehlenden Betrag aufbringen zu können.

„Erst ab dieser Zeit öffneten sich wieder die Herzen und damit die Opferbereitschaft überall in Deutschland, Österreich, Frankreich, Süd- und Nordamerika bis hinüber nach Brasilien“, heißt es in Helfrichs Aufzeichnungen. Die Geldeingänge häuften sich jetzt schlagartig. Bis zum Abschluss der Spendenaktion am 22. November 1958 wurden in dem von Helfrich geführten Kassenbuch insgesamt 1514 Buchungen verzeichnet, die – einschließlich des Zuschusses der Stadt Ulm in Höhe von 5000 DM – eine Spendensumme von 33520,66 DM erbrachten. Damit konnten die Kosten für das Denkmal nicht nur voll gedeckt werden, sondern es wurde auch noch ein ansehnlicher Überschuss erzielt. Jetzt bedauerte man, die Kosten für das Denkmal bei der Wettbewerbsausschreibung mit nur 7000 DM veranschlagt zu haben, zumal die Spendenaktion letztendlich das Viereinhalbfache dieser Summe erbrachte. Der Überschuss sollte für weitere Gemeinschaftsprojekte verwendet werden.

In seinen Aufzeichnungen weist Helfrich auf den großen Erfolg der Spendenaktion hin, die „wirklich globale Formen“ angenommen habe, moniert aber gleichzeitig: „Was aber fast unglaublich klingt, dass die drei Bundeslandsmannschaften unter ihren damaligen Vorsitzenden Franz Hamm, Prof. Anton Valentin und Dr. Jakob Zumpft infolge ihrer Meinungsverschiedenheiten untereinander über einen Entwurf zum Zeitungsaufruf für die Spendenaktion nicht hinauskamen. Und dennoch, das Denkmal steht heute ohne ihr Dazutun. Es manifestiert gemeinsame Ahnen-Ansiedlungsgeschichte, gemeinsame kolonisatorische Aufbauleistung im Südosten Europas, und nicht Aufsplitterung unserer Volksgruppe nach den Trianoner Grenzen.“

Den an die Bundesverbände gerichteten Vorwurf hatte Helfrich schon 1957 in der „Donauschwäbischen Rundschau“ erhoben, worauf ihm Anton Valentin in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Vorsitzender der Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft (DAG) entgegnete, dass der von den Bundesvorsitzenden der drei in der DAG vereinigten Landsmannschaften unterzeichnete und der Landsmannschaft der Donauschwaben in Baden-Württemberg zwecks Veröffentlichung in der Presse zugeleitete Aufruf zur Leistung von Spenden für das Ulmer Denkmal deren Missfallen erregt habe und deshalb zurückgehalten worden sei. Der Bundesvorstand der Landsmannschaft der Banater Schwaben werte dies als „bewußte Vereitelung einer gemeinsamen donauschwäbischen Aktion“ in der Denkmal-Angelegenheit und distanziere sich davon. Es sei bedauerlich, „daß die Angelegenheit des Ulmer Denkmals zu Geltungsbestrebungen jugoslawiendeutscher Anhänger der Donauschwäbischen Bundeslandsmannschaft mißbraucht wurde“.