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Rumänien schätzt sich glücklich, Sie nahe zu wissen

Ministerpräsident Dacian Cioloş bei seiner Ansprache im Konferenzraum der Donauhalle. Foto: Oleg Kuchar

Ministerpräsident Dacian Cioloş und die Mitglieder seiner Delegation besichtigten die im Foyer der Donauhalle präsentierte Ausstellung zur Geschichte und Gegenwart der deutschen Minderheit in Rumänien. Foto: Oleg Kuchar

Edith Singer, Leiterin des Jugendtrachtenvereins „Banater Rosmarein“ aus Temeswar, und DBJT-Vorsitzender Harald Schlapansky äußerten sich im Gespräch mit Ministerpräsident Cioloş zufrieden über den intensiven Jugendaustausch. Foto: Oleg Kuchar

Sehr geehrter Herr Bundesvorsitzender Leber, Herr Botschafter, meine Damen und Herren,
es freut mich sehr, heute zum ersten Mal dieser Seelenbegegnung beiwohnen zu können. Nebst Botschafter Emil Hurezeanu begleiten mich Staatssekretär Paul Gheorghiu, mein Kabinettschef, Staatssekretär Dan Suciu, Regierungssprecher, und Staatssekretär Manuel Costescu vom Wirtschafts- und Handelsministerium.

Ich danke Ihnen für die Einladung und für die Gelegenheit, die Sie mir damit bieten, bei Ihnen zu sein. Ich will Ihnen auch die Grüße der Siebenbürger Sachsen übermitteln. Herr Dr. Fabritius hat mich heute Morgen ausdrücklich gebeten, wenn ich zu Ihnen komme, den Banater Schwaben seine und die Grüße der Siebenbürger Sachsen zu überbringen. Ich bin auch hier um Ihnen zu sagen, dass Ihre Anwesenheit in Deutschland für die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland sehr wichtig ist. Obwohl Sie uns in Rumänien, im Banat fehlen, hat die Tatsache, dass Sie seit einigen Jahrzehnten in Deutschland leben, mit Sicherheit zu der heute sehr engen Beziehung zwischen Rumänien und Deutschland beigetragen.

Sie haben nicht nur Ihre Traditionen bewahrt, Sie haben nicht nur die Verbindung untereinander auch hier, fern der Heimat, aufrechterhalten, Sie haben auch die Verbindung zu Ihrer alten Heimat nicht abreißen lassen. Das macht Ihre Gemeinschaft so einzigartig und bedeutsam, nicht nur für Rumänien, sondern auch für Deutschland. Und ich sage Ihnen dies nicht der Form halber. Dass wir uns heute Morgen mit den Siebenbürger Sachsen und jetzt auch mit Ihnen auf Rumänisch unterhalten können, dass wir uns über gemeinsame Anliegen austauschen, lässt auch mich als Ministerpräsident
Rumäniens bei Ihnen wie zuhause fühlen.

Heute leben in Deutschland etwa 500000 aus Rumänien stammende Menschen, außerdem haben einige tausend deutsche Unternehmer in Rumänien investiert. Deutschland als starkes europäisches Land und Rumänien arbeiten also heute so eng wie noch nie zusammen, und das auch dank Ihnen.

Es ist dies mein zweiter Besuch im Laufe dieses Jahres in Deutschland in meiner Eigenschaft als Ministerpräsident. Bei meinem ersten Besuch im Januar hatte ich eine Unterredung mit Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch Staatspräsident Klaus Johannis hat Deutschland besucht, und Bundespräsident Joachim Gauck wird im Juni nach Bukarest kommen. Ich führe all dies an, um zu verdeutlichen, wie intensiv die Beziehungen und der Austausch auf politischer Ebene zwischen Deutschland und Rumänien sind. Rumänien wünscht sich eine intensive Kooperation mit Deutschland nicht nur auf Bundesebene, sondern auch mit den Bundesländern. Ich selbst werde im Herbst zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation einige Bundesländer besuchen, um auch die wirtschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Rumänien zu intensivieren.

Wir werden in Kürze ein neues rumänisches Generalkonsulat in Stuttgart eröffnen, um einerseits das Generalkonsulat in München zu entlasten und andererseits den in Deutschland lebenden rumänischen Staatsbürgern sowie den ehemaligen Staatsbürgern, die weiterhin Verbindungen zu Rumänien aufrechterhalten, entgegenzukommen.

Wir verfügen auch über verschiedene Gremien, in deren Rahmen wir anfallende Probleme gemeinsam erörtern, darunter auch jene in Bezug auf Wiedergutmachung des während der kommunistischen Diktatur erlittenen Unrechts, auf Restitution der konfiszierten Vermögenswerte, aber auch gemeinsame Projekte auf den Weg bringen. Ich begrüße ausdrücklich die Arbeit der Rumänisch-deutschen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien, die vor einigen Wochen in Goslar tagte. Wir verfolgen sehr aufmerksam die in diesem Gremium geführten Diskussionen und versuchen auf Regierungsebene alles in unserer Macht Stehende zu tun, um möglichst vielen Ihrer Erwartungen gerecht zu werden.

Mir ist bekannt, dass seitens von Angehörigen Ihrer Gemeinschaft und wahrscheinlich auch seitens
einiger hier Anwesender Erwartungen bezüglich Restitution von Vermögenswerten gehegt werden, die Ihnen durch das kommunistische Regime konfisziert worden waren. Ein Teil der noch offenen Verfahren konnte erledigt werden, andere, komplexere Verfahren befinden sich in Bearbeitung. Ich versichere Ihnen, dass wir mit Nachdruck auf den Abschluss der Restitutionsverfahren hinarbeiten werden, um auch die unerledigten Fälle einer Lösung zuzuführen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch Herrn Botschafter Hurezeanu danken, der zwecks Erleichterung des Kontakts zwischen dem betroffenen Personenkreis und den rumänischen Behörden eine Möglichkeit geschaffen hat, die bei den Landsmannschaften eingegangenen Meldungen über ungelöste Verfahren bei der Botschaft zu zentralisieren und an die zuständigen Behörden in Rumänien weiterzuleiten. Für die von der Botschaft unternommenen Anstrengungen möchte ich mich bedanken, und ich hoffe, dank dieses Mechanismus’ noch effizienter in unserer Arbeitsweise zu werden.

Wir sind auch bemüht, Ihre Traditionen wie auch die traditionellen Siedlungen der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen zu erhalten. Deshalb werden wir auch weiterhin in den Erhalt und die Restaurierung des architektonischen Erbes investieren. Die rumänische Regierung ist der Ansicht, dass es sich hierbei um unser gemeinsames Erbe handelt, um das Erbe der jeweiligen Gemeinschaften und des Landes. Ich habe es auch heute Morgen bei der Begegnung mit den Siebenbürger Sachsen betont: Ich wünschte mir, dass die Restaurierungen nicht nur mit dem Zweck vorgenommen werden, das bauliche Erbe museal zu erhalten und zu konservieren, sondern auch, um diesen Gebäuden neues Leben einzuhauchen, ihnen eine neue, zeitgemäße Dynamik zu verleihen.

Es freut mich sehr zu erfahren, dass der Jugend eine wichtige Rolle in Ihrem Verband zukommt, dass sich die junge Generation für ihre Wurzeln, für die kulturellen Traditionen ihrer Gemeinschaft interessiert und ich wünschte mir, dass wir diesem Interesse der Jugend für ihre Banater Herkunft neue Impulse verleihen. Deshalb schlagen wir ein Projekt vor, das wir gemeinsam mit Ihnen realisieren wollen: Wir planen nämlich, zusammen mit den Jugendverbänden der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen Sommerschulen oder Sommerlager im Banat und in Siebenbürgen zu organisieren, um so die restaurierten Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen und mit neuem Leben zu erfüllen. Zu diesen Sommerschulen oder -lagern werden wir Jugendliche aus Ihren Verbänden einladen, um zusammen mit rumänischen Jugendlichen in einem europäischen Geist zu arbeiten und kreativ zu sein.

Auch weiterhin werden wir uns für den Erhalt der Schulen mit deutscher Unterrichtssprache einsetzen, die – obwohl die deutschstämmigen Schüler nur eine Minderheit darstellen – auch heutzutage zu den prestigeträchtigsten im Lande zählen, gerade wegen der vermittelten Werte und des über Jahre und Jahrzehnte gehaltenen hohen Bildungs- und Erziehungsstandards. Aus diesem Grund wollen wir diese Schulen nicht nur erhalten, sondern ihnen auch eine neue Dynamik verleihen. Das Honterus-Lyzeum in Kronstadt, das Brukenthal-Lyzeum in Hermannstadt, das Lenau-Lyzeum in Temeswar, das Goethe-Kolleg in Bukarest sind auch heute Referenzen im rumänischen Bildungswesen und zählen weiterhin zu den besten Lyzeen des Landes. Deswegen sind sie ein Anziehungspunkt für viele Jugendliche, vor allem für solche rumänischer Herkunft und Muttersprache.

Eine wichtige Rolle in dem Dialog zwischen den rumänischen Behörden und den Angehörigen der deutschen Minderheit spielt nach wie vor das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, das mittlerweile auf sein 25-jähriges Bestehen verweisen kann. Neben seinem Einsatz für die Belange der deutschen Minderheit und seiner Vermittlerrolle in den Beziehungen zwischen den deutschen Gemeinschaften in Rumänien und den staatlichen Institutionen hat das Forum auch einen Staatspräsidenten gestellt. Es bereitet mir Freude, Ihnen seitens des Präsidenten Klaus Johannis herzliche Grüße zu übermitteln und Erfolg in Ihrer Arbeit zu wünschen.

Sie, liebe Banater Schwaben, haben hier in Deutschland gewisse Erfahrungen gesammelt, die – darüber bin ich mir sicher – auch Rumänien von Nutzen sein können. Und deshalb will ich Sie auch als Ministerpräsident ermutigen, diese Erfahrungen – nicht nur Lebenserfahrung, sondern vor allem Berufserfahrung – in die Beziehungen einzubringen, die Sie mit Ihren Freunden und Bekannten in Rumänien pflegen. Angesichts der Anstrengungen, die Rumänien derzeit unternimmt, um sich weiter zu entwickeln und Fortschritte zu erzielen, sind Ihre vielfältigen Erfahrungen sehr nützlich.

Das Banat profitierte in der Vergangenheit und profitiert auch weiterhin von Ihrem Unternehmungsgeist und der Entschiedenheit, mit der sie professionelle Dinge angehen. Werfen wir einen Blick auf die Karte der wirtschaftlichen Entwicklung Rumäniens, ist dies im Banat, im westlichen Teil des Landes offensichtlich. Dass dem so ist, haben wir größtenteils auch Ihnen zu verdanken, nicht nur wegen des Arbeitsgeistes, den Sie dort hinterlassen haben, sondern auch dank der Tat-sache, dass sich einige von Ihnen dort in verschiedenen Bereichen engagieren oder gar zurückgekehrt sind. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Dynamik in Rumänien, das zu den Ländern mit den höchsten Wachstumsraten in der Europäischen Union gehört, besteht noch ein großes Entwicklungs- und Investitionspotential auch in anderen Landesteilen. Wir brauchen auch dort, nicht nur im Banat, deutsche Gründlichkeit („treabă făcută nemţeşte“). Deshalb sind Sie uns überall willkommen.

Ich möchte gleichzeitig diejenigen unter Ihnen ermutigen, die die rumänische Staatsbürgerschaft beibehalten oder wieder erlangt haben, von den Rechten Gebrauch zu machen, die Sie als rumänische Staatsbürger genießen, und sich aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben Rumäniens zu beteiligen. Dieses Jahr stehen Kommunal- und Parlamentswahlen an. Ich bitte Sie, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Außer den bisher bestehenden Möglichkeiten, Ihre Stimme bei der Botschaft, bei den Konsulaten oder in Wahlbüros abzugeben, können rumänische Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland ab diesem Jahr per Briefwahl an den Parlaments- und Präsidentenwahlen teilnehmen. Voraussetzung hierfür ist die rechtzeitige Eintragung ins Wählerregister.

Abschließend möchte ich die junge siebenbürgische Schriftstellerin Iris Wolff zitieren, die in ihrem
Roman „Halber Stein“ von Orten spricht, die uns in die Vergangenheit blicken lassen und uns gleichzeitig die Zukunft zeigen. Wir befinden uns heute an einem solchen Ort, der uns ermöglicht, nicht nur an die Vergangenheit zu erinnern, sondern auch in die Zukunft zu blicken – in eine gemeinsame Zukunft, getragen von jenem Gemeinschaftsgeist, den Sie mit so viel Beharrlichkeit und Leidenschaft verteidigt und aufrechterhalten haben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre wunderbaren Traditionen lebendig erhalten und diese von den jüngeren Generationen weitergeführt werden. Ich lade Sie ein, nach Rumänien, nachhause zu kommen, sooft Sie dieses Bedürfnis verspüren. Rumänien vermisst Sie sehr, aber schätzt sich auch glücklich, Sie nahe zu wissen, ganz gleich, wo Sie sich auch befinden mögen.