Zacharias Bönisch wurde am 16. November 1894 als Sohn einer alteingesessenen Bauernfamilie in Deutschsanktpeter geboren. Er besuchte die Volksschule in seinem Heimatort und anschließend zwei weitere Jahre die Mittelschule in Orosháza. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs erreichte ihn als 20-Jährigen mitten in der Druschzeit. Im Herbst 1914 rückte er ein und bereits im Dezember ging es ins Feld. Die Geschehnisse und Gräueltaten des Krieges schildert er in seinen „Kriegserlebnissen“, denen der nachstehende Auszug entnommen ist.
Nach der Rückkehr aus dem Krieg übernahm Zacharias Bönisch als Erstgeborener die Wirtschaft von seinem Vater und führte diese weiter. Aus der Ehe mit Margarethe Lehnert ging Tochter Elisabeth hervor. Er engagierte sich auch im gesellschaftlichen Leben seiner Heimatgemeinde und hatte eine Führungsposition beim „Schwäbischen Landwirtschaftsverein“ inne. Anlässlich der im Jahre 1935 in seinem Heimatort abzuhaltenden Vereinsversammlung ist in der Vereinszeitschrift „Banater Landwirt“ eine von ihm verfasste „Kurzgefasste Geschichte der Gemeinde Deutschsanktpeter“ erschienen. Vor dem Zweiten Weltkrieg übte er auch einige Jahre das Amt des Gemeinderichters aus. Er wirkte in der Zwischenkriegszeit sowohl im Männergesangsverein als auch im Kirchenchor mit. Letzterem gehörte er bis zu seiner Ausreise an. Durch die Agrarreform von 1945 enteignet, stand er vor dem Nichts. Um den Unterhalt seiner Familie zu sichern, musste er als Feldarbeiter, Kassierer oder Wächter arbeiten.
Zacharias Bönisch hat sich viel mit der Geschichte seiner Heimatgemeinde und mit der Mundart von Deutschsanktpeter auseinandergesetzt und 1970 zusammen mit Lehrer Franz Josef Klepp eine „Monographie der Gemeinde Deutschsanktpeter“ verfasst, die als Grund-lage für das 1991 von der HOG herausgegebene „Heimatbuch der Gemeinde Deutsch-Sankt-Peter“ diente. In dem Sammelband „Dem Alter die Ehr. Lebensberichte aus dem Banat“ von Walther Konschitzky (Kriterion Verlag Bukarest 1982) ist er mit der Erzählung „Iwer unser Dorf“ in Deutschsanktpeterer Mundart vertreten. Zu den Themen Sitten, Brauchtum und Mundart von Deutschsanktpeter hat er mehrere Beiträge in den deutschsprachigen Zeitungen „Neuer Weg“ und „Neue Banater Zeitung“ veröffentlicht.
Im Jahr 1977 ist er zusammen mit Tochter Elisabeth Hensl und Schwiegersohn Stefan Hensl zu seiner Enkeltochter Hildegard Zappel (geb. Hensl) nach Deutschland ausgesiedelt. Leider konnte er das Leben in seiner neuen Heimat nicht lange genießen, denn er verstarb am 13. März 1979 in Göttingen.
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Zacharias Bönisch, mein Großvater mütterlicherseits, hat seine „Kriegserlebnisse“ kurz nach Kriegsende aufgrund von Tagebuchaufzeichnungen niedergeschrieben. Scheinbar haben das an der Front Erlebte und die großen politischen Umwälzungen im Gefolge des Krieges einen solch nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass er dies alles schriftlich festhalten wollte. Im Gegensatz zu den Tagebüchern, die verschollen sind, blieb das 64 Seiten umfassende Manuskript erhalten. Es befindet sich in meinem Besitz.
Wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, wurde Zacharias Bönisch Anfang Oktober 1914 assentiert, am 27. Oktober ist er eingerückt. In Arad wurde er dem 2. Honvéd-Infanterieregiment zugeteilt und nach kurzer Ausbildung wurde seine Einheit Mitte Dezember an die Galizien-Front verlegt. Bönisch beschreibt die Kampfhandlungen, in die seine Einheit bis Ende Februar 1915 verwickelt war, und berichtet von seiner krankheitsbedingten Verlegung in das Barackenspital in Zsolna und seiner Internierung in das Reservespital in Prag im März 1915. Am 1. Juli kehrte er zum Ersatzbataillon nach Klausenburg zurück. Nach der Absolvierung eines Telefonistenkurses wird er am 21. Oktober als Telefonist der 201. Honvéd-Infanteriebrigade zugeteilt, um dann an die Front in die Bukowina verlegt zu werden.
An dieser Stelle setzt die nachfolgende Schilderung meines Großvaters ein. Anmerkungen von mir stehen in eckigen Klammern.
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Unsere 51. Honvéd Inft. Division kam am 7. Dezember 1915 in Lemberg [heute Lwiw in der Ukraine] an, wo unser Zug auf einige Stunden anhielt. Wir benutzten die Gelegenheit und besichtigten die Stadt. Nachher setzten wir unsere Fahrt über Stryj, Stanislau [heute Iwano-Frankiwsk], Kolomea [Kolomyja] fort. Am 8. Dezember kamen wir in Snyatin [Snjatyn] an, waggonierten aus, marschierten bis Oroscheni [Orschiwzi], wo wir uns einquartierten. Am 11. Dezember inspizierte Armeekommandant Pflanzer Baltin [Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin, geb. 1855 in Pécs/Fünfkirchen, gest. 1925 in Wien; war damals General der Kavallerie und Kommandant der Armeegruppe Pflanzer-Baltin, die größtenteils aus Honvéd-Einheiten bestand] unsere Division, nachher verblieben wir noch 8 Tage in Oroscheni.
Am 19. Dezember nachmittags 2 Uhr kam unerwartet Befehl zur Einwaggonierung und wir marschierten sofort zur Eisenbahnstation Nepokoloutz [Nepolokiwzi], wo wir unserem Befehl rasch nachkamen. Nachts 24 Uhr kamen wir in Czernovitz [in der Bukowina, heute Tscherniwzi, zur Ukraine gehörend] an und marschierten noch in derselben Nacht bis in die Nachbarsgemeinde Mahala, wo wir in den frühen Morgenstunden ankamen und uns noch ein wenig ausruhten.
Am 20. Dezember übersiedelten wir nach Rarance [heute Ridkiwzi, nordöstlich von Czernowitz] und unsere Regimenter übernahmen die Stellung bei Rarance. Auch wurde in Erfahrung gebracht, dass die Russen auf dieser Linie einen Angriff planen, daher wurden unsererseits die größtmöglichsten Vorbereitungen und Vorsichtsmaßregeln getroffen. In das Drahtverhau vor der Linie wurde elektrischer Hochspannungsstrom eingeschaltet. Unser Kommando nahm seinen Standpunkt unmittelbar hinter der Schwarmlinie ein, um ja möglich Verbindung mit den Truppen in der Schwarmlinie halten zu können und die Befehle und notwendigen Anordnungen zu erteilen.
Am 23. Dezember konnte man ganz genau feststellen, wie sich die als Verstärkung beigezogene russische Artillerie auf unsere vordere Linie, auf unsere Batteriestellung und verschiedenen wichtigen Punkten eingeschossen hat.
Am 24. Dezember, also auf Christnacht, setzte von 24 bis 2 Uhr nachts heftiges feindliches Artilleriefeuer ein, nachher Ruhe. Um 4 Uhr morgens setzte abermals feindliches Artilleriefeuer ein u.zw. besonders heftig. Vielleicht tausend Geschütze nahmen unsere erste Linie in einer Breite von circa einem Kilometer unter Feuer. Die Geschosse heulten und brüllten durch die Luft und hunderte und aber hunderte von Granaten platzten mit einem ohrenbetäubenden Lärm auf einmal auf unsere Stellungen nieder. Der Himmel war ein Feuer und der Schauer der Nacht machte dieses Höllenspiel noch fürchterlicher. Unsere Mannschaft saß zusammengezogen und lautlos in ihren Deckungen, keiner weiß was kommt, was geschieht, ob er in der nächsten Sekunde noch unter den Lebenden zählt.
Das Trommelfeuer hält weiter an, die Granaten platzen ununterbrochen nieder, manche haargenau in der Stellung. Das Dach des Schützengrabens stürzt ein, die Mannschaft unter sich begrabend; Hilferufe werden laut, die Verwundeten jammern, aber es traut sich ihnen niemand in die Nähe. Die noch Lebenden kriechen langsam aus dem zerstörten Schützengraben heraus und nehmen Zuflucht in den unzähligen Granattrichtern der verschiedenen schweren Geschosse, denn es heißt, dass auf denselben Platz höchst selten nochmals eine Granate einschlägt.
Volle zwei Stunden hielt dieses allesvernichtende, schreckliche Trommelfeuer an, während dieser Zeit näherte sich die russische Infanterie unseren Stellungen. Nach 6 Uhr verlegte die feindliche Artillerie ihr Feuer mehr rückwärts auf unsere Reservestellungen. Es folgte sodann Angriff auf Angriff. In achtfacher Schwarmlinie rückten die Russen vor und es entstand ein verzweifelter Kampf um unseren total verschossenen Graben. Unser Drahtverhau, somit auch die Hochstromleitung, war ebenfalls gänzlich zerschlagen und funktionierte absolute nicht.
Unsere verbliebene Mannschaft führte einen erbitterten Kampf und erst dem dritten russischen Ansturm gelang es, in unserem Graben Fuß zu fassen. Unsererseits setzte jedoch sofort ein Gegenangriff ein und der Feind wurde hinausgeworfen und dabei einige Gefangene gemacht.
Mit unverminderter Heftigkeit dauerte der Kampf um diesen schrittbreiten Graben an. Einmal sind die Unsrigen, dann wieder die Russen Besitzer desselben. Um die Mittagszeit hat der Kampf nachgelassen. Die Russen haben ihre Angriffe eingestellt. Die Kanonen verstummten auf eine kurze Zeit; hie und da krachte noch ein Gewehr.
Nun kamen die Verwundeten und Toten an die Reihe. Welch ein Elend und Wehklagen! Gesunde, kräftige Männer lagen tot oder verwundet herum. Kopf-, Lungen- und Bauchschüsse, abgerissene Arme und Beine sind nichts Seltenes. Mein gewesener Zugskommandant Leutnant Tusko kam auch gestützt von seinem Diener mit einem schrecklichen Beinschuss dem Hilfsplatz zu.
Nachmittags 4 Uhr setzte der Angriff der Russen aufs Neue ein und die Menschenmetzelei ging weiter.
Es war Weihnachten und mitten im Gefechtstumult flohen unsere Gedanken weit, weit über Berge und Täler in die liebe Heimat, und wir weilten im Geiste, wenn auch nur auf einige Augenblicke, bei den Lieben in der Heimat und erinnerten uns der herrlichschönen Weihnachtsfeste, welche wir stets mit Freude im Kreise unserer lieben Angehörigen verbrachten. Auch glaubten wir den Chorgesang einer Engelschar zu vernehmen, die da sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind“. Ja Friede, du lieber Friede, wie weit bist du von uns!
Am 12. März 1916 wurde ich, wahrscheinlich als Belohnung für das tapfere Aushalten bei den schweren Kämpfen bei Rarance, unter Zahl 48 der 51. Honvéd Inft. Division zum Zugsführer befördert.