zur Druckansicht

Gelungene Integration und gelebte Tradition

Schnell wurden die Uivarer im heutigen Rödental heimisch und bauten Eigenheime für ihre Familie.

Die 1962 mit 16 Trachtenpaaren gegründete Banater Trachtengruppe Uivar-Rödental bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt im April 1963. Einsender der Fotos: Erwin Metterle

Die 18. Kultur- und Heimattage der Banater Schwaben in Bayern, die in diesem Jahr in München stattfanden, standen unter dem Motto „70 Jahre Banater Schwaben in Bayern. Gelungene Integration – Gelebte Tradition“. Auch die Uivarer in Rödental können auf eine siebzigjährige Präsenz in dieser oberfränkischen Gemeinde im Coburger Land zurückblicken. Nach der Flucht im Herbst 1944 hatten sich viele Uivarer im heutigen Rödental niedergelassen und hier eine neue Heimat gefunden. Sie haben sich rasch integriert, aber auch von Anfang an ihr Brauchtum gepflegt und ihre Traditionen gelebt. Hierfür stehen die Uivarer Kirchweih, die seit 1948 gefeiert wird, und die 1962 gegründete Banater Trachtengruppe Uivar-Rödental. Die Uivarer in Rödental sind somit ein anschauliches Beispiel für gelungene Integration und gelebte Tradition.

Im Gegensatz zu den ehemals deutschen Siedlungen im Banat, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl im Laufe des 18. Jahrhunderts im Zuge der Kolonisation dieses Landstrichs mit deutschen Siedlern gegründet wurden, entstand der Ort Uivar erst am Anfang des 19. Jahrhunderts (nach anderen Quellen bereits 1785). Graf Johann von Buttler siedelte auf seinem Párdányer Herrschaftsgut, am rechten Begaufer, ungarische Familien an, die den Ort Újvár nannten, was „Neue Burg“ bedeutet. Nach häufigen Überschwemmungen verließen diese den Ort, worauf Graf Buttler 1811 deutsche Siedler aus den schwäbischen Dörfern anwarb. Deren Zahl wird mit 360 angegeben. Durch Zusiedlungen in den Jahren 1826 und 1880 wuchs der Ort auf über 1800 Einwohner Ende des 19. Jahrhunderts. Viele Entbehrungen und Rückschläge gab es in dieser Pionierzeit. Die Neuankömmlinge mussten gegen die regelmäßigen Überschwemmungen, gegen Missernten und Seuchen ankämpfen. Doch mit großem Einsatz und zäher Beharrlichkeit gelang es ihnen, dieses unwirtliche und sumpfige Land zu einer lebensfähigen Heimat für sich und ihre Nachkommen zu machen.

Der Erste Weltkrieg brachte wieder Rückschläge und einen dreimaligen Wechsel der Staatszugehörigkeit infolge der Neuziehung der Grenzen. Zunächst wurde das Dorf serbisch und erhielt den Namen Novo Selo („Neues Dorf“), 1924 wurde es an Rumänien angegliedert und hieß fortan Uivar. Die deutschen Ortsbewohner gebrauchten neben dem amtlichen Namen (in deutscher Schreibweise „Uiwar“) immer häufiger die Ortsbezeichnung Neuburg a.d. Bega. Diesen Kriegs- und Nachkriegswirren folgten glücklichere Zeiten. Durch Fleiß und Ausdauer schufen die Uivarer ein blühendes Gemeinwesen. Infolge des Zweiten Weltkriegs wurde dies jedoch von einem Tag auf den anderen für immer zerstört.

Nach dem Front- und Regimewechsel in Rumänien im August 1944 brachen über die Deutschen des Landes schwere Zeiten herein. Die Rote Armee rückte immer näher und so entschlossen sich rund 700 Uivarer schweren Herzens ihre Heimat zu verlassen. Der erste Transport mit 340 Personen – hauptsächlich Frauen und Kinder – startete am 24. September 1944 vom Bahnhof Tschene, der zweite Transport umfasste 360 Personen – Männer und ältere Familien mit erwachsenen Kindern – und fuhr zwei Tage später ebenfalls von dort ab. In aller Eile und nur mit dem Allernötigsten ausgestattet, nahmen die Scheidenden Abschied vom trauten Heim, von Hof und Vieh, von denen, die noch dort bleiben mussten oder ihre Heimat nicht verlassen wollten. In Uivar blieben rund 700 Personen zurück, zudem standen damals 224 Männer im Kriegsdienst. Diejenigen, die sich auf die Flucht begeben hatten, waren der festen Überzeugung, dass es sich nur um eine Trennung auf Zeit handele. Nach Kriegsende wollte man wieder in die Heimat zurückkehren, ging man doch davon aus, dass sich auch diesmal, wie schon nach dem Ersten Weltkrieg, die alte Ordnung wieder einstellen werde. Aber diesmal sollte es anders kommen.

Die beiden Transporte gelangten über Belgrad in die Schwäbische Türkei. Bei schwäbischen Bauern in verschiedenen Dörfern rund um Fünfkirchen wurden die Uivarer einquartiert. Als die Front immer näher rückte, setzten die Uivarer ihre Flucht Richtung Deutschland fort. Von Fünfkirchen aus wurden sie in Güterzügen in drei Transporten weiterbefördert. Der erste Transport mit 360 Personen führte über Österreich und die Tschechoslowakei nach Neumarkt in der Oberpfalz und von dort weiter nach Oeslau. Dort und in den Orten der näheren Umgebung fanden die Uivarer Unterkunft. Der zweite Transport landete im oberösterreichischen Städtchen Braunau am Inn, von wo die 220 Uivarer in drei nahe gelegenene Orte gebracht wurden. Weitere 220 Personen, die im dritten Transport unterwegs waren, konnten in der Nähe von Chemnitz (Sachsen) unterkommen.

Alle 700 geflüchteten Uivarer hatten nun ein Dach über dem Kopf, doch dachte damals keiner, dass es für viele eine dauernde Heimat werden sollte. Jeder wollte nach Kriegsende in die geliebte Heimat zurückkehren. Einem Teil der Uivarer ist dies auch gelungen. Sie hatten die Hoffnung, wieder ihr altes Leben aufnehmen zu können, sollten jedoch bitter enttäuscht werden. In Rumänien hatte sich eine kommunistische Diktatur etabliert. Die Deutschen wurden enteignet und waren Deportationsmaßnahmen und Diskriminierungen ausgesetzt. Im Januar 1945 wurden 82 Uivarer zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, zwölf von ihnen starben in der Verbannung. Dann folgte 1951 die Deportation in die Bărăgansteppe, von der 120 Deutsche aus Uivar betroffen waren. Zwei Personen überlebten die Deportationszeit nicht. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wanderten alle nach Deutschland aus und konnten hier ein neues Leben beginnen.

Nach Kriegsende war die Zukunft unserer Uivarer Landsleute mehr als ungewiss. Deutschland war im wahrsten Sinne am Boden zerstört. Es herrschte Wohnungsnot, die Nahrungsmittel waren knapp und es mussten rund 12 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufgenommen werden. Ein Großteil der 1944 geflüchteten Uivarer versuchte einen Neubeginn im heutigen Rödental.

Wie bereits geschildert, fanden kurz vor Kriegsende 360 Uivarer in Oeslau, Mönchröden, Einberg (diese drei Orte sollten sich 1971 unter dem Namen Rödental zusammenschließen) und weiteren Ortschaften in deren unmittelbaren Umgebung eine vorläufige Bleibe. Auch etwa 200-220 Landsleute zogen aus Sachsen und Österreich ins Coburger Land. Ein Teil der rund 580 hier gestrandeten Uivarer kehrte nach Rumänien zurück, andere wiederum wanderten nach Amerika aus.

Die im Coburger Land verbliebenen Uivarer sind schnell heimisch geworden. Bis 1948 beschäftigten sie sich hauptsächlich mit der Fertigung von Blumen aus Krepppapier. Infolge günstiger Arbeitsmöglichkeiten, die die Industrie nach 1948 bot, fassten sie langsam festen Fuß. Schon 1953 bauten die ersten Landsleute in Mönchröden ihr Eigenheim, und in den folgenden Jahren haben dann fast 90 Prozent der Uivarer in Oeslau und Umgebung ihre eigenen Häuser errichtet. So stellte sich für unsere Landsleute wieder ein geordnetes Leben ein. Dank ihrer Strebsamkeit genossen sie Anerkennung nicht nur bei den einheimischen Mitmenschen, sondern auch bei Behörden und Betrieben.
1948 folgte die Gründung einer Landsmannschaft und im selben Jahr wurde die erste Uivarer Kerweih nach heimatlichem Brauch in Waldsachsen gefeiert. 1962 nahm mit 16 Paaren eine Volkstanz- und Trachtengruppe ihre Tätigkeit auf. Die Banater Trachtengruppe Uivar-Rödental, die im Herbst 2012 ihr fünfzigjähriges Bestehen feierte, verschrieb sich der Pflege und Bewahrung des heimatlichen Brauchtums und erlangte durch ihre zahllosen Auftritte in weiten Teilen Deuschlands sowie in den USA und Kanada einen hohen Bekanntheitsgrad nicht nur in Banater und donauschwäbischen Kreisen, sondern auch weit darüber hinaus. Sie machte damit die neue Heimat Rödental weithin bekannt. Gerade diese Trachtengruppe war es auch, die den Zusammenhalt der Uivarer in Rödental und deren Gemeinschaft stärkte und immer als verbindendes Element fungierte. Dieses Miteinander trug mit dazu bei, dass Rödental für viele Uivarer zur neuen Heimat wurde. Dass dem so ist, beweist auch ihr Engagement auf kommunalpolitischer Ebene und in der Kirchengemeinde sowie ihr Mitwirken in den örtlichen Vereinen.

Aus Mangel an Nachwuchs stellte die Trachtengruppe mit dem am 12. Oktober 2013 gefeierten 65. Kirchweihfest ihre Tätigkeit ein. Mit 65 Auflagen war die Uivarer Kirchweih in Rödental die Banater Brauchtumsveranstaltung mit der längsten Tradition in Deutschland. Die Gemeinschaft wird jedoch weiterhin gepflegt und gelebt.