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Was für ein Fest! Ehemalige Lenauschüler trafen sich in Temeswar

Höhepunkt des Lenautreffens war der Festakt im Adam-Müller-Guttenbrunn- Haus, dem auch der deutsche Botschafter in Bukarest, Werner Hans Lauk, und der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Gant beiwohnten.

Die Preisträgerinnen des diesjährigen Elsa-Lucia-Kappler-Wettbewerbs in Klasse 12 mit Christoph Kappler. Fotos: Călin Piescu

Ein ungewöhnliches Gefühl: Durch Temeswar zu laufen und überall Bekannte zu treffen. So war das früher mal, aber wer kennt das noch? Für ein paar Tage konnte man es erleben, als sich die ehemaligen Lenauschüler bereits zum zweiten Mal am Originalschauplatz trafen. Der Verein der Freunde der Lenauschule als Veranstalter konnte an den Erfolg und die gute Resonanz des Treffens 2010 anknüpfen und so wurde es für alle Beteiligten ein Eintauchen in Nostalgie, aber auch ein freudiges, Tage wie Nächte füllendes Wiedersehen mit alten Freunden und Bekannten.

Zum Auftakt gab es eine Sondervorstellung des Deutschen Staatstheaters (DSTT) für die Teilnehmer am Treffen. Eigentlich war „Cabaret“ vorgesehen, aber aus Dispositionsgründen bot das Theater stattdessen Herta Müllers „Niederungen“ an. Weniger vergnüglich, aber passend zur Stimmung und dem Erlebnishorizont der Anwesenden. Beeindruckend, wie professionell von vorwiegend nichtdeutschen Muttersprachlern hier Theater gemacht wird. Unter der Regie eines alten Bekannten des DSTT, Niky Wolcz, entstand eine dramatische Fassung von Herta Müllers Erzählungen. Das Bühnenbild von Helmut Stürmer wurde mit Videoeinspielungen ergänzt. Neben ambitionierten jungen Schauspielerinnen und Schauspielern war auch die vielen noch bekannte Ida Jarcsek zu sehen und, aus der mittleren Generation, die ehemalige Lenauschülerin Isolde Cobeţ, die sich mit der Jugendtheatergruppe NiL um den schauspielerischen Nachwuchs in Temeswar verdient gemacht hat. Beim Festakt am Freitagvormittag bot NiL deshalb auch einen beacht-lichen Einblick in sein Repertoire. Doch auch die von Brigitte Sokolow geleitete Tanzgruppe der Lenauschule und die „Lenau-Band“ sorgten zwischen den festlichen Worten für Abwechslung. Letztere übrigens nicht nur mit der Lenauhymne „Trutz euch“, inspiriert von dem allgegenwärtigen Lenau-Zitat im Eingangsbereich der Schule, sondern auch mit „Atemlos“.

Doch selbstverständlich gab es auch ernste Worte aus Anlass der Feier, denn die Anwesenden einte außer gemeinsamer Vergangenheit auch die Sorge um die Zukunft der Lenauschule. Diese stand als Gebäude für den Festakt nicht zur Verfügung, weil sie nach langen Kämpfen und Rückschlägen nun doch endlich renoviert wird. Im Moment ist der Schulbetrieb dadurch sehr eingeschränkt und ob der Zeitplan bis zum Jahresende eingehalten werden kann, steht in den Sternen. Der deutsche Botschafter in Bukarest, Werner Hans Lauk, erwies sich als Kenner und Förderer der Lenauschule, der er auch aus Sicht der Bundesrepublik einen hervorragenden Ruf bescheinigte. Ovidiu Ganţ, ehemaliger
Direktor der Lenauschule und jetzt Abgeordneter der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, zeigte sich dagegen besorgt über die Lage der Schule angesichts des Mangels an Lehrern, die in deutscher Sprache unterrichten können. Es fehle an einer Fachlehrerausbildung in deutscher Sprache, die angesichts ständig steigender Schülerzahlen dringend erforderlich wäre. Als Gast aus der Partnerstadt Karlsruhe war Stadtrat Tom Hoyen nach Temeswar gekommen, der auch die Europäische Schule in Karlsruhe leitet und launige Grüße überbrachte. Der Temeswarer Alt-Oberbürgermeister und ehemalige Lenauschüler Gheor-ghe Ciuhandu sprach als Freund und Förderer der Schule und als Großvater von Lenauschülern ebenfalls aktuelle Probleme an.

Einen Höhepunkt bildete die Festrede der ehemaligen Mathematiklehrerin Barbara Bonfert. Eine „Institution“, den Anwesenden gut bekannt, war sie doch 35 Jahre lang, von 1952 bis 1987, an der Schule tätig. Mit ihren humorvollen Erinnerungen beschwor sie die „große Familie der
Lenauschüler“, die sie auch im Nachhinein immer wieder erleben würde. Dazu gehörten nicht nur Lehrer und Schüler, sondern alle, die zum Funktionieren dieser Gemeinschaft beigetragen haben: Eltern, Techniker, Sekretariat, Hilfskräfte in Labors, Pförtner und nicht zuletzt die Kantine, die für das leibliche Wohl der Schüler gesorgt hat. Nur so konnten in der Schule Traditionen geschaffen werden, die über den Schulalltag hinausgingen, „Festtage“. Dieses Treffen sah sie als Fortsetzung der Festtage über die Schulzeit hinaus und begrüßte das Interesse der Teilnehmer an ihrer alten Schule.

Nachdem Direktorin Helene Wolf noch einige aktuelle Bilder der ausgelagerten Lenauschul-Depandancen gezeigt und Franz Quint den Verein der Freunde der Lenauschule vorgestellt hatte, kam es zur Verleihung des diesjährigen Elsa-Lucia-Kappler-Preises. Stifter Professor Günter Kappler hatte außer seinem Bruder auch Vertreter der nächsten Kappler-Generation mitgebracht, und so war es auch Christoph Kappler, der die Preise verlieh. Insgesamt hatten 19 Schüler der 10. und 12. Klassen teilgenommen, aus jedem Jahrgang wurden drei ausgezeichnet. In Klasse 10 waren das Dominique Heidenfelder, Alexandra Nesici und Tudor Popoiu. In Klasse 12 gewannen Ioana Berariu, Oxana Grosseck und Miruna Popa. Auch die elf betreuenden Lehrkräfte wurden für ihr Engagement gewürdigt.

Als kleines Trostpflaster, weil der Festakt nicht in der Schule stattfinden konnte, bot Direktorin Wolf den Anwesenden die Möglichkeit einer Baustellenbesichtigung an. Diese erwies sich als besonders aufregend, weil sie im Gegensatz zu einer fertig eingerichteten Schule der nostalgischen Erinnerung breiten Spielraum bot.

Der Höhepunkt des Treffens fand am Samstag mit der eigentlichen Feier im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus statt, wo sich alle nach Herzenslust austauschen und in Erinnerungen schwelgen konnten. In einem Nebenraum konnte man die Lyrikerin und ehemalige Lenauschülerin Sigrid Katharina Eismann bei ihrer vergnüglichen „Tuchfühlung mit Temeswar“ begleiten. Den kulinarischen Rahmen bot ein traditionelles Buffet mit den Spezialitäten der Kindheit. Nach weiteren Auftritten von NiL-Schauspielern wurde das musikalische Rahmenprogramm vorwiegend von der jungen Musikergruppe „Peregrinii“ gestaltet, die sich der Pflege historischen Liedrepertoires verschrieben hat, um damit die Geschichte Temeswars zu erzählen. Doch die Pilger zwischen den Zeiten beherrschen auch Töne aus der jüngeren Geschichte und erfreuten die Zuhörerschaft mit dem einen oder anderen „Phoenix“-Hit als Zugabe. Selbstverständlich konnte auch diesmal wieder in alter Lenau-Disco-Tradition das Tanzbein geschwungen werden, bis die Lichter ausgingen. Einige der „runden“ und „halbrunden“ Absolventenjahrgänge hatten sich bereits am Abend zuvor „intern“ getroffen und überhaupt waren alle Lokale der Innenstadt die ganzen Tage über bis spät nachts von größeren und kleineren Lenau-Gruppen belagert. Man hatte sich was zu erzählen in der Lenau-Familie. Und man hat sich sicher nicht zum letzten Mal gesehen in diesem oder einem ähnlich festlichen Rahmen.