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Bekenntnis zur Wahrheit ist Voraussetzung für Versöhnung

Bischof Dr. László Német mit den Vorstandsmitgliedern des St. Gerhards- Werks Josef Lutz (links) und Franz Müller. Fotos: Maria Nyffenegger

Die Blaskapelle der HOG Sanktanna und die Donauschwäbische Singgruppe Landshut umrahmten das Pontifikalamt musikalisch.

56. Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting mit dem Großbetschkereker Bischof Dr. László Német  - Nahezu 1500 Pilger kamen am 11./12. Juli 2015 zur 56. Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting, dem seit über 500 Jahren bedeutendsten Marienwallfahrtsort im deutschsprachigen Raum. Unzählige Gläubige sind seit dem Aufblühen der Wallfahrt im Jahr 1489 zur Kleinen Gnadenkapelle gepilgert, viele sollen Hilfe von der „Schwarzen Muttergottes“ erfahren haben. Seit fast sechs Jahrzehnten pilgern alljährlich auch die donauschwäbischen Katholiken nach Altötting. Die wiederum vom St. Gerhards-Werk organisierte Wallfahrt stand diesmal unter dem Motto „Reich werden an Hoffnung in der Kraft des heiligen Geistes“ (Römerbrief 15,13 b).

Am Samstagnachmittag wurde die Veranstaltung in der Stiftskirche eröffnet. Der aus Tschakowa stammende Johann Palfi – erst seit einem halben Jahr in Altötting als Stiftskanonikus – hieß die Wallfahrer willkommen und ermutigte sie, ihre multikulturelle Kompetenz in die Gesellschaft einzubringen. Man könne stolz sein auf seine Herkunft und die von dort mitgebrachten Werte und dankbar für die Möglichkeiten in der neuen Heimat. Anschließend suchte Prof. Dr. Georg Wildmann aus Linz in einen Kurzreferat das Unrecht deutlich zu machen, das vor 70 Jahren den Donauschwaben in ihren drei Herkunftsländern angetan wurde. Das erste Mal überhaupt habe Deutschland in diesem Jahr der 14 Millionen Menschen gedacht, die am Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat verloren. Man habe gute Staatsbürger ohne Nachweis individueller Schuld enteignet, entrechtet, interniert, deportiert, vertrieben und ermordet, so der Redner.

Die der Heiligen Anna geweihte Basilika war Sakralort des Vorabendgottesdienstes, den Abt Markus Eller OSB aus Scheyern als Prediger zusammen mit sieben Konzelebranten feierte. In seiner Predigt griff Eller die Lesung aus dem Evangelium nach Markus auf: Jesus schickt seine Jünger aus und verleiht ihnen Vollmacht, die Menschen zu heilen und ihnen zum Leben zu verhelfen. Auch jeder einzelne von uns könne, wenn er echt und authentisch ist, zu einem Klimawandel im wörtlichen und übertragenen Sinn beitragen. „Echte Menschen sollen wir sein“, sagte Eller, „wir brauchen auch unsere Hilfsbedürftigkeit nicht zu verstecken, vor allem vor diesem Gott nicht, der uns kennt bis auf den Grund“.

Nach der Messe zogen die Pilger mit angezündeten Kerzen zur Gnadenkapelle und umrundeten sie bei einbrechender Dunkelheit mehrfach betend und singend. Prälat Günther Mandl, Administrator und Wallfahrtsdirektor vor Ort, sprach die Gebete über Lautsprecher vor. Pfarrer Peter Zillich, Präses des St. Gerhards-Werks und Bischöflicher Beauftragter für Heimatvertriebene und Aussiedler in der Diözese Regensburg, berührte mit dem Vortrag verschiedener Kirchen- und Lagerlieder die um ihn versammelten Pilger und ließ den Abend andächtig und stimmungsvoll ausklingen.

Am Sonntagvormittag zogen die Pilger unter den Klängen der Banater Blasmusik aus Sanktanna von der Gnadenkapelle zur Basilika, angeführt von zehn Fahnenabordnungen und zahlreichen Trachtenträgern sowie der Geistlichkeit und den Honoratioren. Im Namen des St. Gerhards-Werks begrüßte der stellvertretende Vorsitzende Josef Aufricht die Pilger, im Besonderen Bischof Dr. László Német aus Zrenjanin/Großbetschkerek in Serbien. Er dankte Msgr. Andreas Straub, dem emeritierten Visitator der Donauschwaben, und Pfarrer Peter Zillich sowie allen, „die mit uns und für uns das Pontifikalamt feiern“.

Das Wort des Laien sprach Prof. Dr. Georg Wildmann. Wie kein zweiter hat der mittlerweile 86-jährige, aber noch überaus produktive Forscher sich dafür eingesetzt, die Erinnerung an einen Völkermord zu bewahren, den er selbst noch miterlebt hat, der aber in der Weltöffentlichkeit kaum bekannt geworden ist: die Verfolgung der Deutschen Jugoslawiens durch Titos Partisanen. Für uns Donauschwaben jähre sich zum siebzigsten Mal, „dass der Zweite Weltkrieg als Kampf und Eroberung in unsere Heimatgebiete hereinbrach“ und unser Schicksal zur Katastrophe machte, sagte Wildmann. „Flucht, Vertreibung, Entrechtung, Verschleppung und Internierung waren ein tragisches, weil unverschuldetes Leid.“ Es habe unsere Landsleute im rumänischen Banat, in Ungarn und in Jugoslawien in unterschiedlicher Härte getroffen. Wildmann erinnerte daran,  dass von den insgesamt 60000 deutschen Ziviltoten am Ende des Zweiten Weltkriegs im vormaligen Jugoslawien auf Titos Vernichtungslager-System 48500 deutsche Opfer entfallen. Wir Donauschwaben müssen betonen, „dass es Genozid war, was an uns in Jugoslawien geschehen ist“, mahnte Wildmann. Es sei nicht zu erwarten, „dass uns in Zukunft jemand zu Hilfe kommt: Wir müssen es öffentlich sagen: Es war Völkermord“. Es gebe, schloss Wildmann, „eine historisch-moralische Verantwortung, allen Opfern gerecht zu werden und sich der Geschichte unverkürzt zu erinnern“. Wir seien aufgefordert, zu vergeben und uns zu versöhnen, aber nicht zu vergessen. Friedensliebe müsse wachsam sein, und Versöhnungsbereitschaft brauche mutige Wahrheitssuche.

Bischof Dr. László Német zelebrierte zum zweiten Mal bei einer Vertriebenenwallfahrt in Deutschland das Hochamt. Schon als Sekretär und Sprecher der Ungarischen Bischofskonferenz setzte er sich für die Anliegen der Donauschwaben ein und tut dies auch seit 2008, als er Diözesanbischof im serbischen Teil des Banats wurde. Für ihn als überzeugten Europäer und Brückenbauer steht nicht die Nationalität im Vordergrund, sondern die Einigkeit der Christen. Von Anfang an sei es Gottes Plan gewesen, die Menschen in Christus zu vereinen. Dieser Zustand sei in der Bibel als Paradies bezeichnet worden, sagt er. In seiner frei in deutscher Sprache gehaltenen Predigt ging Német auf das Wachsen eines neuen Bewusstseins im Westen Deutschlands nach 1945 ein, in dem nicht zuletzt durch den Einfluss der zwölf Millionen Heimatvertriebenen über Jahrzehnte hinweg die christlichen Werte eine bedeutende Rolle auch im politischen Leben spielten. Nach viel Leid sei mit Hilfe der Alliierten, vor allem aber durch Fleiß und ehrliche Arbeit, ein neues Land aufgebaut worden, das maßgeblich zur europäischen Integration beitrug und heute in Europa eine führende Rolle spielt. Im heutigen öffentlichen Leben dagegen sei das Christentum auf dem Rückzug und müsse durch jeden einzelnen gestärkt werden, der hinausgeht, Zeugnis ablegt und Gottes Liebe verkündet. Den Heimatvertriebenen sei es trotz aller Schwierigkeiten gelungen, sich in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen. Ihr Glaube sei stark geworden gerade durch Verfolgung und Heimatverlust. Mit einer erstaunlichen Gabe hätten sie die Menschen und Kirchen in ihren ehemaligen Heimatgebieten unterstützt. Dafür dankt der Bischof.

Nach einem halbstündigen Marienliedersingen in der Basilika interpretierte im Rahmen der Marienandacht Msgr. Andreas Straub das Wallfahrtsmotto. Aus der Verbindung mit Gott können wir die für den Alltag nötige Harmonie schöpfen und im Einverständnis mit unseren Mitmenschen leben, auf uns allein gestellt, seien wir dazu nicht in der Lage. Wir seien reich, wenn wir aus dem Glauben Kraft und Trost schöpfen. Die  Gelöbniswallfahrt endete mit dem sakramentalen Segen und der Weihe der von den Pilgern erworbenen Andachtsgegenstände.

Musikalisch mitgewirkt haben die Zwillinge Bianca und Patrick Schummer aus Schwabach auf ihren Trompeten, die Banater Blasmusik aus Sanktanna unter Leitung von Josef Wunderlich sowie die Donauschwäbische Singgruppe aus Landshut unter Leitung von Reinhard Scherer, unter anderem mit der Deutschen Messe von Schubert. Die Orgel spielte Johanna Kowatschewitsch aus Altötting.