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Denkmal erinnert an die Deportationsopfer

Das am 8. März feierlich enthüllte Denkmal für die Opfer der Deportation steht vor dem Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar.

Zum Gedenken an die Deportation der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion vor 70 Jahren zelebrierte Bischof Martin Roos zusammen mit Generalvikar Johann Dirschl und Diözesankanzler Nikola Lauš am 8. März eine Messe im Dom zu Temeswar. Fotos: Walther Konschitzky

Der Gedenkveranstaltung in Temeswar wohnten zahlreiche Ehrengäste bei, darunter Hartmut Koschyk MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

Am 8. März wurde in Temeswar des 70. Jahrestages der Deportation der Deutschen aus dem Banat zur „Wiederaufbauarbeit“, eigentlich zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion gedacht. Auf Befehl Stalins und der sowjetischen Behörden, aber auch mit Zustimmung der Westmächte  hatte Mitte Januar 1945 auch im Banat die Verschleppung der rumänischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit, Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und Frauen von 18 bis 30 Jahren, begonnen. Ausgenommen wurden bloß Frauen mit Kindern unter einem Jahr. Die rumänischen Behörden haben bei dieser Operation mit den sowjetischen Besatzungsbehörden zusammengearbeitet.

Aus dem Banat wurden etwa 33000 Personen deportiert. Damit stellten die Banater Schwaben und Berglanddeutschen unter den mehr als 70000 Rumäniendeutschen die größte Zahl an Deportationsopfern. In Viehwaggons verfrachtet, bei bitterer Kälte, wurden sie unter direkter Mitwirkung der Roten Armee in die Sowjetunion verschleppt. Die Deportierten mussten im Donezbecken und im Ural unter unglaublichen, menschenunwürdigen Bedingungen Schwerstarbeit leisten. Hunger, Kälte, Krankheiten waren ihre ständigen Begleiter. Rund 5000 Personen haben unter diesen Umständen die Deportation nicht überlebt.

Infolge der Intervention von Bischof Dr. h.c. Augustin Pacha, der Apostolischen Nuntiatur und des damaligen Nuntius Andrea Cassulo sind die Priester und Ordensschwestern von der Deportation verschont geblieben. Trotzdem wurden etwa zehn römisch-katholische Priester aus dem Kreis Karasch-Severin deportiert. Sie standen ihren Landsleuten, die ein schweres Los zu tragen hatten, geistlich bei. Die Novizinnen und Postulantinnen sollten von der Deportation nicht ausgenommen werden. In Temeswar jedoch wurden auf den Wink eines rumänischen Offiziers hin im Januar 1945 alle Novizinnen und Postulantinnen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eingekleidet und in den Notre-Dame-Orden aufgenommen, um sie zu retten. Der greise Bischof Pacha ging nachts ins Sammellager und spendete seinen bereits in Viehwaggons eingepferchten Landsleuten Trost und Segen. Im Laufe des Jahres 1945 reiste er zweimal nach Bukarest, um die Entlassung und Rückkehr seiner Gläubigen aus der Deportation zu erreichen. Sein Anliegen fand jedoch kein Gehör.

Bischof Pacha rief zusammen mit Domherr Josef Nischbach und Priorin Dr. Hildegardis Wulff noch 1945 das Kinderhilfswerk und das Heimkehrerhilfswerk ins Leben. Ersteres kümmerte sich um die zurückgelassenen Kinder, deren Eltern nach Russland verschleppt worden waren, letzteres um die vorzeitig in die Heimat entlassenen Schwerkranken, für deren Aufnahme und Betreuung in Großwardein, Sighet, Focşani und Jassy Hilfsstellen eingerichtet wurden. Große Verdienste bei dieser karitativen Arbeit erwarb sich Schwester Patricia Zimmermann. Wie Bischof Pacha, Domherr Nischbach, Schwester Hildegardis und viele andere Geistliche und Ordensleute musste auch sie später ihren Einsatz mit schweren Zuchthausjahren bezahlen.

Nun, 70 Jahre nach Beginn dieser Tragödie, veranstalteten der Verein der ehemaligen Russlanddeportierten, das Demokratische Forum der Deutschen im Banat und das Römisch-katholische Bistum Temeswar eine Gedenkfeier, die mit einer Gedenkmesse im Dom begann, einer Feierstunde im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus fortgesetzt wurde und der Einweihung eines Denkmals für die Opfer der Deportation endete.

Die feierliche Gedenkmesse in der Sankt-Georgs-Kathedrale wurde von Bischof Martin Roos zusammen mit Monsignore Johann Dirschl, Generalvikar der Diözese, und Pfarrer Nikola Lauš, Diözesankanzler, zelebriert. Pfarrer Bene Tamás, Bischofssekretär und Zeremoniar, war für den reibungslosen Ablauf des in deutscher Sprache zelebrierten Pontifikalamtes zuständig. Die Tageslesungen wurden von Erwin Josef Țigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, und Diözesanarchivar Claudiu Călin vorgetragen. Monsignore Johann Dirschl verkündete das Evangelium.

Seiner Predigt legte Bischof Roos die Szene der Heimkehr einer Mutter aus der Deportation zugrunde, wie sie von dem Maler Franz Ferch in dem bekannten Gemälde „Kennst du mich nicht mehr?“ festgehalten wurde. Mit dieser Frage hatte sich die Mutter an ihr Kind gewandt, das sich nicht mehr an sie erinnern kann. Im Auftrag des Marienfelder Pfarrers Hans Schmidt habe Ferch diese herzzerreißende Szene, die sich so oder so ähnlich in vielen Banater Dörfern abgespielt hatte, auf die Leinwand gebannt, so Bischof Roos. Der Weihwasserkessel, der ganz diskret im Hintergrund zu sehen ist, sei „ein dezenter Hinweis auf die Rolle des Glaubens, der damals viele gerettet und wohl auch unsere Angehörigen wieder zurückgebracht hat, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben, dass sie eines Tages wieder heim dürfen“.

Bischof Roos würdigte den Einsatz der Großeltern, die für ihre Enkelkinder Elternersatz waren und sie mit großer Hingabe aufgezogen haben. Auch er sei ein solches Kind gewesen, bekannte der Bischof, eines von tausenden im Banat, die sich der Fürsorge ihrer Großeltern erfreuten. „Wenn wir später das Denkmal einweihen, dann ist das auch ein Zeichen dessen, dass wir jene nicht vergessen, die damals den Weg des Leidens und des Todes gegangen sind“, sagte Bischof Roos.

Musikalisch wurde die Gedenkmesse vom Chor und der Kapelle des Temeswarer Doms gestaltet. Konzertmeister war Johann Fernbach, die Orgel spielte Silviana Cîrdu, während die Gesamtleitung Domkapellmeister Walter Kindl oblag.

Anschließend fand der Festakt mit Grußworten und Ansprachen hoher Würdenträger im Festsaal des Adam Müller-Guttenbrunn-Hauses statt, zu dem der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, zahlreiche Ehrengäste begrüßen konnte: Hartmut Koschyk MdB, Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten; Werner Hans Lauk, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest; Rolf Maruhn, deutscher Konsul in Temeswar; Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien; Ovidiu Ganţ, DFDR-Abgeordneter; Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung; Eugen Dogariu, Präfekt des Kreises Temesch; Dan Diaconu, stellvertretender Bürgermeister von Temeswar.

In einer bewegenden Ansprache erinnerte der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, Ignaz Bernhard Fischer, an die tragischen Geschehnisse vor 70 Jahren: „Es gibt in unserem Leben Tage der Freude, die wir rot anstreichen im Kalender unseres Lebens. Das sind die Geburts- und Namenstage, die Feier des Hochzeitstages und sonstige freudenvolle Ereignisse in der Familie. Es gibt in unserem Leben aber auch sogenannte ,schwarze Tage‘. Es sind Tage, die uns Unglück gebracht haben. Der schwärzeste Tag unseres Lebens war jener 14. Jänner 1945, als vor unserer Haustür eine Gruppe Soldaten erschien, angeführt von einem Vertreter der Roten Armee. Sie befahlen uns, schnell den Koffer zu packen und mitzukommen“. Fischer schilderte eindringlich die Leidensjahre in der Deportation als „die schlimmste und schwerste Zeit unseres Lebens“ und verurteilte den Kommunismus  aufs Schärfste ebenso wie die sogenannte demokratische und zivilisierte Welt, die eine Mitschuld an den stalinistischen Verbrechen trage.

Als Höhepunkt der Gedenkfeier fand im Hof des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses die Einweihung des vom Verein der ehemaligen Russlanddeportierten gestifteten Denkmals statt – eine weiße Marmorstele, die in Rußberg hergestellt wurde. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben hatte dafür 1000 Euro gespendet. Hartmut Koschyk bezeichnete das Mahnmal als Bindeglied von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, mit dem ein Auftrag an Politik und Gesellschaft verbunden sei: der Schutz von Minderheiten und die Ächtung von Vertreibung und Deportation. „Wir alle müssen wachsam sein, dass diese als politisches Instrument geächtet und als Menschenrechtsverletzung angeprangert werden – zu jeder Zeit und an jedem Ort“, betonte Koschyk.