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Kulturelle Kontinuität und neuer Aufbruch nach 1918

An der 50. Jubiläumstagung nahmen rund sechzig an der Geschichte und Kultur der Banater Schwaben interessierte Landsleute teil.

Die Mitwirkenden des Konzertabends (von links) Dr. Franz Metz, Rotraut Arnold, Hermina Szabo und Wilfried Michl (zweiter von rechts) mit Dr. Christiane Meis, Josef Prunkl und Christine Neu. Fotos: Walter Tonța

Die Kulturtagungen des Landesverbandes Baden-Württemberg ergeben eine imponierende Veranstaltungsreihe. Was 1965 mit einer Zusammenkunft banatdeutscher Persönlichkeiten in Herrlingen bei Ulm begann, wurde kontinuierlich weitergeführt und entwickelte sich allmählich zum jährlichen Sammelpunkt der kulturell interessierten Banater Schwaben, zu einem Forum für Fragen zur eigenen Kultur und Geschichte. Mit der letztjährigen Kulturtagung, die am 8./9. November im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen stattfand, wurde ein besonderes Jubiläum begangen: Es war die 50. Tagung in Folge und der Nachweis einer einmaligen Kontinuität und Konsequenz der landsmannschaftlichen Kulturarbeit in Baden-Württemberg und auch bundesweit. Denn zu diesen kulturellen Jahrestagungen kamen im Laufe der Jahrzehnte Referenten und Teilnehmer auch aus anderen Bundesländern, aus Österreich und selbst aus dem Banat.

Im Mittelpunkt der Sindelfinger Tagungen stand von Anfang an neben der Pflege unseres banatschwäbischen Kulturerbes auch die jeweils aktuelle Lage und Entwicklung unserer Kulturgemeinschaft, die im letzten halben Jahrhundert, nicht erst mit dem Wendepunkt von 1989, einen grundlegenden Umbruch erfahren hat. Die Kulturtagungen widmeten sich grundsätzlich der Aufarbeitung und Vermittlung geschichtlicher und kulturhistorischer Themen und bezogen unsere Schulgeschichte, die Literatur- und Pressegeschichte sowie die kulturelle
Aktualität, das künstlerische Schaffen und das Brauchtum mit ein.

Thematisch knüpfte die Jubiläumstagung an die vorangegangene an. Beide Veranstaltungen widmeten sich anlassgebunden – 2014 jährte sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum einhundertsten Mal – dem Thema „Die Banater Schwaben und der Erste Weltkrieg“. Diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bedeutete eine Zäsur in der Geschichte des Banats und markierte – bezogen auf das Banater Deutschtum – eine entscheidende Wende, die eine Neuorientierung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bedingte. Grund genug also, das große Thema Erster Weltkrieg in zwei aufeinander folgenden Tagungen aufzugreifen. In den Vorträgen der 50. Jahrestagung kamen Aspekte der kulturellen Kontinuität und des neuen Aufbruchs nach 1918 zur Sprache, wobei die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die wirtschaftliche, politische und kulturelle Situation der Banater Schwaben beleuchtet wurden.

Zur Eröffnung der Tagung begrüßte der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg, Josef Prunkl, die Ehrengäste der Veranstaltung: Landtagsabgeordneter Heribert Rech, Vorsitzender des Vereins Haus der Donauschwaben, Henriette Mojem, Geschäftsführerin des Hauses der Donauschwaben, Christine Neu, stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben. Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber, der Ehrenvorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg, Jakob Laub, und der langjährige Leiter der Sindelfinger Kulturtagung, Alfred Huth, würdigten in Grußbotschaften, die Josef Prunkl überbrachte, die Bedeutung dieser einzigartigen Veranstaltungsreihe, die auf ein halbes Jahrhundert zurückblicken kann. Prunkl dankte Dr. Walter Engel für die Gestaltung der Tagung, den Referenten für die Erarbeitung der Vorträge und der Landesgeschäftsstelle für die organisatorischen Vorarbeiten.

Fünfzig Jahre Kulturtagung der Banater Schwaben in Sindelfingen zeugten von einer eindrucksvollen Erfolgsgeschichte, so der Vorsitzende des Vereins der Donauschwaben, Innenminister a.D. Heribert Rech in seinem Grußwort. Was entlang dieser fünf Jahrzehnte an Themen – zum Teil auch wissenschaftlich tiefgründig – erörtert und diskutiert worden sei, nötige ihm Respekt und Anerkennung ab. Die Jahrestagungen seien Ausdruck einer reichhaltigen Kultur der Banater Schwaben, die von diesen auch gepflegt und gelebt werde in dem Bewusstsein, dass die kulturellen Wurzeln eine wichtige Komponente ihrer individuellen und kollektiven Identität sind, betonte Rech.

Bevor sich die Tagung ihrem Hauptthema zuwandte, bot Dr. Walter Engel (Kaarst) in seinem Einführungsvortrag „Mosaiksteine einer Kulturgeschichte der Banater Deutschen. Rückschau und Ausblick anlässlich der 50. Sindelfinger Kulturtagung“ einen Rückblick auf die Pionierleistung der frühen Tagungen und die thematischen Schwerpunkte der traditionsreichen Veranstaltungsreihe. „Vom Fohlen zum Zugpferd“ betitelte Dr. Hans-Heinrich Rieser (Hechingen) seinen Vortrag, in dem die Folgen der Teilung des Banats für Wirtschaft, Infrastruktur und Bevölkerung erörtert wurden. Luzian Geier (Augsburg) rückte ein selten behandeltes Thema in den Mittelpunkt seiner Ausführungen: „Der Erste Weltkrieg im Banat und die Daheimgebliebenen“. Ein wichtiges banatdeutsches kulturpolitisches Kapitel der Nachkriegsjahre untersuchte der Historiker Josef Wolf (Tübingen): Er ging der Frage nach „Wer gestaltet Kultur in der Volksgemeinschaft?“ und beleuchtete die Rolle des „Deutsch-Schwäbischen Kulturverbandes“ in den Jahren 1920-1925.

Am 9. November standen zwei weitere Vorträge und eine Lesung auf dem Programm. Auf die spannungsgeladene Situation, der die Heidegemeinde Hatzfeld durch die neuen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg ausgesetzt war, und auf deren Folgen ging Walter Tonta (UIm/München) in seinem Beitrag ein. Eduard Schneider (München) erinnerte in seinem Vortrag an den ehedem populären und heute fast vergessenen Temeswarer Journalist Heinrich Büchelbauer, alias Josefstädter Franzi (1877-1933) und an dessen Nachkriegspublikationen. Zum Anschluss der Tagung wurde der Erste Weltkrieg als Thema eines aktuell erschienenen literarischen Werkes mit der Lesung des Schriftstellers Franz Heinz (Düsseldorf) aus seinem neuen Roman „Kriegerdenkmal. 1914 – Hundert Jahre später“ (Berlin, 2014) zur Diskussion gestellt.

Traditionsgemäß fand das Veranstaltungsprogramm des ersten Tages seinen Abschluss mit einem Konzertabend unter der bewährten Leistung von Dr. Franz Metz. Das Konzert, dem auch Dr. Christiane Meis, Leitende Ministerialrätin im Stuttgarter Innenministerium beiwohnte, stand diesmal unter dem Motto „Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen. Musik im Banat um die Zeit des Ersten Weltkriegs“. Bestritten wurde das Konzert von vier hochkarätigen Künstlern: Die Sängerin Rotraut Arnold wirkt als Schauspielerin und Theaterpädagogin am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Unser Landsmann Wilfried Michl (Bariton) ist als Musikpädagoge ebenfalls in München tätig und tritt bei Konzerten immer wieder als Solist auf. Die aus Ungarn stammende Violinistin Hermina Szabo lebt und arbeitet als Geigensolistin und Violinpädagogin in München. Dr. Franz Metz, in Darowa geboren, hat sich als Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler einen Namen gemacht. Auch diesmal hatte er das Programm des Konzertabends gestaltet und neben der Klavierbegleitung die Präsentation der Stücke übernommen.

Das Publikum war von den Darbietungen der Künstler begeistert, die sowohl Gesangs- als auch Instrumentalstücke zu Gehör brachten. Das Konzert umfasste so bekannte Melodien wie „An der Donau, wenn der Wein blüht“, „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde“, „Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen“, „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“ oder „Sag’ beim Abschied leise Servus“, aber auch Werke der Banater Komponisten Emmerich Bartzer, Richard Oschanitzky und Béla Bartók. Während die beiden Gesangssolisten sowohl stimmlich als auch interpretatorisch überzeugten, lieferte die Violinistin Hermina Szabo mit ihrem mal einfühlsamen, mal temperamentvollen Spiel einen Beweis ihrer hohen Interpretationskunst. Und Dr. Franz Metz verstand es wieder, den Zuhörern interessantes Wissen über Komponisten und Tonstücke und über das musikalische Leben im Banat am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu vermitteln.

Ein weiterer Bericht über die Sindelfinger Jubiläumstagung erscheint in der nächsten Ausgabe unserer Zeitung.