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Gute Beziehungen zu Deutschland und den Deutschen im Banat (Teil 1)

Gespräch im Rathaus Temeswar. Bürgermeister Nicolae Robu (rechts) und Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB (zweiter von links) unterstrichen das positive Wirken der Deutschen in der Stadt. Fotos: Stefanie Schramm

Konsul Rolf Maruhn, Stiftungsvorsitzender Traian Orban, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, Forumsvorsitzender Dr. Karl Singer, Ministerialrätin Marie Therese Müller, eine Museumsmitarbeiterin und Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber (von rechts) an einem Teil der Berliner Mauer vor dem Revolutionsmuseum in Temeswar.

Blick in das Diözesanmuseum, das wertvolle Zeugnisse der Kirchengeschichte im Banat beherbergt.

Mit dem Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk im Banat - Dass ein Beauftragter der Bundesregierung, ein deutscher Bundestagsabgeordneter, sich vier Tage Zeit für einen Besuch im Banat nimmt, kommt nicht häufig vor. Dass er dabei nicht nur alle Vertreter der Verbände und Einrichtungen der deutschen Minderheit, sondern auch Vertreter der Regierung, des Kreises, der Stadt, der Kirche, der deutschen Schulen und der Wirtschaft sprechen will, spricht für ihn. Dass er überall Gesprächspartner findet, zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland hier ein geschätzter Partner ist.

Austausch in der Präfektur des Kreises Temesch Präfekt Eugen Dogariu, 37 Jahre alt, Absolvent des Loga-Lyzeums und studierter Wirtschaftswissenschaftler, ist Mitglied der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Probleme der deutschen Minderheit in Rumänien und als solcher bei den Sitzungen stets gewissenhaft und umfassend vorbereitet. Er kennt die Situation der Deutschen im Banat, ihre Geschichte, die Lage der Verbliebenen nach der massenhaften Aussiedlung, die trotz vieler Schwierigkeiten wichtige Strukturen für ein funktionierendes Gemeinschafts-
leben aufrechterhalten. Dass die deutschen Unternehmen so massiv im Kreis Temesch investierten und dies nach wie vor tun, findet er gut. Zurzeit bemüht er sich mit deren Vertretern ein duales Berufsschulwesen aufzubauen.

In einem großen Raum in der Präfektur ist an diesem Morgen kein Platz mehr frei, Fachleute aus Bildung und Wirtschaft sitzen an einem Tisch, um dieses Projekt in die Gänge zu bringen. Rumänien hat ein Interesse daran, die vielen Lyzealschüler mit und ohne Abschluss in das Erwerbsleben einzugliedern, denn der Wirtschaft fehlen die Facharbeiter. Eugen Dogariu freut sich, dass die kommende Sitzung der Regierungskommission in Temeswar stattfinden wird. Dabei will man anlässlich des 70. Jahrestages der Deportation der Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion gemeinsam der Opfer erinnern. Beim Gespräch mit der deutschen Delegation ist auch Kreisratspräsident Titu Bojin dabei.

Die Fragen in der anschließenden Pressekonferenz zeigen, dass auch hier eine neue Generation schreibt und informiert: offen und unbefangen, aber zugleich auch ohne das persönliche Erleben einer deutschen Gemeinschaft im Alltag.

Gespräche im Rathaus der Stadt Temeswar

Im Rathaus der Stadt Temeswar amtiert der Universitätsprofessor
Nicolae Robu als Bürgermeister. Er war Rektor der Technischen Universität „Politehnica“ Temeswar, Senator der National-Liberalen Partei im rumänischen Parlament und unterstützt deren Spitzenkandidat für das Amt des Präsidenten Rumäniens, Klaus Johannis. Er ist stolz, dass so viele Investoren Temeswar als Standort wählen, dass die meisten aus Deutschland kommen, dass seine Stadt ein Deutsches Staatstheater und eine erstklassige deutsche Schule beherbergt.

Bürgermeister Robu bekräftigt, dass er für deren Probleme und Nöte ein offenes Ohr habe. Eines, den Erlass der Grundsteuer für das Altenheim „Adam Müller-Guttenbrunn“ als soziale Einrichtung in Temeswar, wollte er gleich erledigen und versprach den hierfür nötigen Stadtratsbeschluss durchzusetzen.
Die Arbeit des Deutschen Konsulats wie auch des Deutschen Forums würdigte er als wichtigen Beitrag zur guten Zusammenarbeit und zum gedeihlichen Zusammenleben in seiner Stadt. Die Errichtung eines neuen deutschen Schulzentrums in Temeswar für alle verstreuten Schulklassen der Lenau-Schule habe oberste Priorität, ebenso müsse das Berufsschulwesen wieder aufgebaut werden.

Einen Modernisierungsschub habe er in Temeswar eingeleitet, einen weiteren erhoffe er sich vom Bewerbungsverfahren seiner Stadt für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2020“.

Besuch des Revolutionsmuseums

Temeswar gilt auch als „Revolutionsstadt“, als „Stadt der Märtyrer“, womit die revolutionäre Erhebung vom Dezember 1989 gemeint und an deren Opfer erinnert wird. Deshalb beherbergt die Stadt auch ein Revolutionsmuseum. Es befindet sich mittlerweile an der vielbefahrenen Oituz-Straße neben dem Kunst-
lyzeum. Fast 25 Jahre nach der Revolution haftet der Einrichtung etwas Unfertiges an, was wohl auch damit zusammenhängt, dass es erst kürzlich aus einem rückerstatteten Gebäude in der Altstadt ausziehen musste.

Die gute Seele des Hauses ist Traian Orban, Jahrgang 1944. Er ist  Tierarzt und stammt aus Petroschan. An der Erhebung in Temeswar gegen Ceau-șescu war er beteiligt, befand sich in den ersten Reihen der Demonstranten. Am 17. Dezember sollte sich sein Leben verändern. Eine Kugel, abgefeuert aus einer Kalaschnikow, Kaliber 7,62, trifft ihn im Knie. Er wird ins Kreiskrankenhaus gebracht und notdürftig behandelt. Das Krankenhaus ist voller Verwundeter, ein Bekannter bringt ihn in die Orthopädische Klinik. Als einige Tage später österreichische Ärzte aus Wien eintreffen, nehmen sie ihn in die österreichische Hauptstadt mit, operieren und behandeln ihn dort.

Traian Orban hat das nicht vergessen, sein Leben hat er dem Andenken seiner Mitstreiter von 1989 gewidmet, er hütet ihr Vermächtnis. In der Gedenkstätte sind Fotos, Dokumente, Uniformen ausgestellt, Originalaufnahmen von der Revolution in Temeswar dokumentieren sehr eindringlich die dramatischen Stunden vom Dezember 1989. Träger des Museums ist eine Stiftung. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Ereignisse vom Dezember 1989 zu erforschen und die Öffentlichkeit aufzuklären. Traian Orban freut sich über den Besuch von Hartmut Koschyk und dessen Delegation. Auch wenn die Zeit knapp war, die Botschaft wurde verstanden. Vor dem Haus steht ein Teil der Berliner Mauer, ein Geschenk der ehemals geteilten deutschen Hauptstadt an die Stadt der Märtyrer.

Im Dom und in der Krypta

Einen besonderen Einblick in die neuere Geschichte Temeswars erhält man mit einem Einstieg in die Krypta der Domkirche. Hier sind der italienische Kanoniker Carlo Tazolli bestattet, der bulgarische Bischof Nikola Stanislavich, der ungarische Bischof Alexander Csajághy. Hier ruhen die Bischöfe Alexander Bonnaz und Franz Anton Engl zu Wagrain, die viel für die Diözese und die Stadt leisteten, hier befinden sich die sterblichen Überreste der schwäbischen Bischöfe Augustin Pacha und Sebastian Kräuter, von Josef Nischbach, aber auch von mehreren hohen Offizieren und Adligen der Stadt. Diözesanarchivar Claudiu Călin kennt ihre Geschichte. An Allerheiligen und Allerseelen werden die Tore der Krypta geöffnet, Kerzen angezündet, Blumengebinde niedergelegt und Gebete gesprochen.

Am Sonntag, jeweils um 10 Uhr, wird die Heilige Messe im Dom immer in deutscher Sprache gefeiert, meistens von Domherr Tamáskó. Seine Begrüßungsworte sind herzlich, seine Predigt greift aktuelle Themen auf.

Empfang im Bischöflichen Ordinariat

Im Bischöflichen Ordinariat unweit der Domkirche hat Bischof Martin Roos, 1942 in Knees geboren, seinen Amtssitz. Nach der politischen Wende stellte ihn sein Bischof in der Diözese Rottenburg, Dr. Walter Kasper, für die Diözese Temeswar frei, er kehrte im Juli 1990 ins Banat zurück. Bischof Sebastian Kräuter ernannte ihn zum Kanzler der bischöflichen Kurie. Am 28. August 1999 wurde er durch Erzbischof Jean-Claude Périsset zum Bischof geweiht und in das Amt des Bischofs von Temeswar eingeführt.

Der Empfang im Bischöflichen Palais ist herzlich. Hartmut Koschyk betonte die Wichtigkeit von Glaube und Religion als Grundwerte neben Heimat und Identität für die deutsche Minderheit in Rumänien. Gleichzeitig dankt er dem Bischof für die Brückenfunktion zwischen den Menschen verschiedener Nationalität, werden in diesem Bistum doch acht Sprachen gesprochen. Ein friedvolles Miteinander, unabhängig von Herkunft und Sprache, ist Bischof Martin Roos sowohl innerhalb der eigenen Glaubensgemeinde als auch mit den Andersgläubigen wichtig. Als bischöflicher Kanzler hatte er nach dem Wegzug der meisten Deutschen nach 1990 die große Aufgabe, neue Strukturen zu schaffen und bestehende an die neue Situation anzupassen.

Die Diözese zählt laut Schematismus von 2006 über 88 000 Gläubige. Davon sind 40760 Ungarn, 8633 Deutsche, 14193 Rumänen, 5972 Kroaten, 3683 Bulgaren, 2282 Tschechen, 2191 Slowaken und 2800 Angehörige anderer Nationalität. Ein wichtiger Bestandteil der Seelsorge im Bistum ist die Jugendarbeit. Wichtigstes bauliches Projekt ist die Sanierung der Wallfahrtskirche Maria Radna mit dem angrenzenden ehemaligen Franziskaner-Kloster. Es ist ein von der EU mitfinanziertes Projekt, welches im kommenden Jahr abgeschlossen wird. Bischof Martin Roos bekräftigte den Termin der feierlichen Eröffnung und Weihe der restaurierten Wallfahrtsstätte anlässlich der Deutschen Wallfahrt am 2. August 2015.

Besichtigung des Diözesanmuseums

In Begleitung des deutschen Botschafters in Bukarest, Werner Hans Lauk, und des Abgeordneten der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganț, war Hartmut Koschyk von Domkapitular Andreas Reinholz in Maria Radna empfangen und mit dem Projektfortschritt vertraut gemacht worden. Ein Besichtigung des Diözesanmuseums Temeswar unter der fachkundigen Leitung von Claudiu Călin schloss diesen Besuch ab. Das Museum wurde von Bischof Roos nach der Wende aufgebaut und beherbergt wertvolle Zeugnisse unserer Geschichte im Banat. Dokumente von Maria Theresia und Prinz Eugen von Savoyen wie auch relevante Zeugnisse der Kirchengeschichte im Banat geben einen guten Einblick in die wechselvolle Geschichte der Diözese.