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Sanktannaer Kirchweih bleibt einzigartig

Der stattliche Kirchweihzug, angeführt vom Vortänzerpaar Johanna Reinholz und Sebastian Hell, marschiert in Begleitung der Geistlichkeit und der Ehrengäste zu den Klängen der Blasmusik zur Mutter-Anna-Kirche.

Die aus Deutschland angereiste Sanktannaer Blaskapelle unter der Leitung von Josef Wunderlich und Anton Kappes begleitete den Kirchweihzug.

Auch die Kleinsten machen voller Stolz und Begeisterung mit und wachsen so in die Brauchtumspflege hinein. Fotos: Josef Budean

Seit inzwischen acht Jahren berichte ich für die deutschsprachigen Medien aus Rumänien über die deutsche Minderheit. Und nur zu oft, wenn ich über Volksfeste, Kirchweihen oder einfach nur über die Verbliebenen sprechen und schreiben musste, kippte die Stimmung ins Negative. Das Wort „Aussterben“ oder „Untergang“ fiel mir dann oft ein und musste in einem Atemzug erwähnt werden, eben weil das auch das Bild war, das mir die deutsche Minderheit vermittelte. Wenn man eine über 80-jährige Frau in der Kleinstadt Detta besucht, die allein und verlassen lebt und nur noch von der alten Zeit schwärmt, die es nicht mehr gibt, dann fällt es einem auch objektiv schwer, das Erlebnis in ein optimistisches Gewand zu kleiden. Darum vertrat ich auch lange die Ansicht, eben auch durch den Beruf, den ich mir ausgesucht habe, immer die Wahrheit zu schreiben, selbst wenn die Wahrheit der Aussage eines Pessimisten gleicht.

Schließlich beklagen die deutschen Foren aus Rumänien den Rückgang der Jugend und auch Förderer und Heimatsortsgemeinschaften pochen immer wieder auf mehr Jugendarbeit. Denn nur so könne man die Zukunft einer schrumpfenden Minderheit sichern.

Ich war persönlich ein Zweifler, weil ich immer wieder den Ist-Zustand vor Augen hatte – ein krasser Gegensatz zur Propaganda. Dann lernte ich Sanktanna kennen.

In meinen Berichten für die Banater Zeitung nannte ich die Kleinstadt im Kreis Arad eine „Bastion Banater Deutschtums“. Denn während in vielen Schwabendörfern die alten Traditionen untergegangen sind und die Deutschen gänzlich weggezogen oder gestorben sind, halten in Sankt-anna noch immer einige Familien die Stellung und ziehen auch die anderen ethnischen Gruppen mit.

Im August wurde zum 146. Mal Kirchweih in Sanktanna gehalten. Die römisch-katholische Mutter-Anna-Kirche war während des Gottesdienstes voll. Neben den Vertretern der deutschen Gemeinde nahmen an den Festlichkeiten auch viele ausgewanderte Sanktannaer und Gäste aus anderen Banater Ortschaften teil. Es waren insgesamt 23 Trachtenpaare, davon drei Paare aus Deutschland. Johanna Reinholz, der Tochter des Forumsvorsitzenden aus Sanktanna, stand Sebastian Hell aus Leingarten zur Seite. Er wurde in Deutschland geboren und stellt die neue Generation dar, die Sanktanna nur aus den Geschichten der Eltern und Großeltern kennt. Die beiden bildeten das erste Geldherrenpaar.

„In Reih und Glied stehen wir hier,/ wie Generationen vor uns, des Festes Zier“, heißt es in dem Kirchweihspruch von Katharina Hell, den Sebastian vortrug. „Die Sanktannaer Tracht – wir tragen sie stolz und gern,/ egal ob wir geboren hier oder in der Fern.“

Der Kirchweihspruch war ein Appell zum Zusammenhalt: „Und wie Johanna mit Strauß jetzt bei mir steht,/ so steht zueinander, Ihr werdet sehen, es geht.“ Darum war auch das zweite Geldherrenpaar aufgrund ihrer Aufstellung besonders: Mit Claudia Constanţea stand Maximilian Reinholz eine Rumänin zur Seite, die, wie so viele andere, die Traditionen der Deutschen weiterführt.

„Die Sanktannaer sind stolz auf ihre Jugendlichen, da sie unabhängig ihrer Nationalität und Konfession die Deutsche Schule besuchen. So lernen sie unsere deutschen Sitten und Bräuche kennen und dadurch ehren und schätzen“, so der HOG-Vorsitzende Josef Lutz.

Maximilian „Maxi“ Reinholz trug den Kirchweihspruch in Mundart am Kirchweihbaum vor. Der Kirchweihbaum wurde vor dem Lambert-Steiner-Haus aufgestellt. Maxi entlockte den Anwesenden immer wieder ein Lächeln: „Grieß Gott midânoand liewâ Leit, liewâ Kescht,/ sichâ hedâ mitkriegt, mir feijârâ unzerâ Kerich ihre 146. Fescht./ Fâ eijâ Kummâ will i mâ fun Herzâ betoangâ/ âm allâ meischtâ pe unzenâ liewâ Sântoanâmâ Plechmusigoandâ.“

Sebastian trug den Kirchweihspruch in der Kirche vor. Er imponierte den Anwesenden nicht nur mit seinem imposanten Auftreten, sondern auch mit der Tatsache, dass er den Spruch auswendig gelernt hatte. Er erhielt dafür lang anhaltenden Applaus. Den Gottesdienst hielt genau wie im Vorjahr Pfarrer Peter Zillich aus Regensburg. Er griff auch erneut zum Akkordeon und spielte für die Kirchenbesucher. Konzelebranten waren Pfarrer Karl Zirmer (hielt auch die Predigt) aus Ginsheim-Gustavsburg und der Ortspfarrer László Barják. Die Kantorin Marianne Hellstern und ihr Kirchenchor begleiteten die Messe. Das Ave Maria sang die Sopranistin Ildikó Hajtman aus Békéscsaba. Auch die Blaskapelle der HOG Sanktanna unter der Leitung von Josef Wunderlich und Anton Kappes bereicherte den Gottesdienst mit drei Liedern.

Eines der Standbeine der deutschen Minderheit aus Sanktanna (noch über 350 Einwohner deutscher Nationalität leben im Ort) ist die Familie Reinholz. So nahmen besonders ihre Kinder sowie die Kinder der näheren Verwandtschaft an der Kirchweih teil. Für Hermine Reinholz Eltern, Katharina und Johann (Puvi) Renz, brachte das Fest die ganze Familie zusammen, sowohl ihre Kinder Hermine, Erika und Helmut, als auch deren Kinder, die sich in der traditionellen Tracht am Kirchweihfest aktiv beteiligten.

Aus Sanktanna kommt die Musik, hat mir einmal ein Rumäniendeutscher gesagt, als er mir über die Kleinstadt und ihre Geschichte erzählte. Er verwies auf den Blaskapellmeister Lambert Steiner, der es ins Guinnessbuch der Rekorde schaffte, weil er als erster auf mehreren Kontinenten mit seiner Kapelle auf Tournee ging. Über den ursprünglich aus Billed gebürtigen Lambert Steiner wurde auch ein Buch veröffentlicht. Der Kulturbeauftragte der HOG Sanktanna,
Anton Bleiziffer, sammelte über Jahre Dokumente und Berichte über den Blaskapellmeister. Der Vorsitzende des Arader Forums, Michael Szellner, hat diese Informationen bearbeitet und in einem Buch zusammengetragen.

Auch heute hat Sanktanna noch eine Blaskapelle und inzwischen sogar zwei. Zum siebten Mal trat die Blaskapelle der HOG Sanktanna, die von Josef Wunderlich geleitet wird, bei der Kirchweih auf. Die aus 18 Bläsern bestehende Kapelle begleitete die Trachtenpaare durch Sanktanna und spielte sowohl am Nachmittag bei der Straußversteigerung als auch am Abend während des Balls.  „Das gewisse Etwas, das nicht Nachahmbare, die hohe Intonationskunst machen eben die vertrauten Heimatklänge unserer Sanktannaer Blaskapelle aus“, meint Josef Lutz.

Nach dem Tanz um den Kirchweihbaum wurde nach alter Sitte sowohl der große als auch der kleine Kirchweihstrauß wie auch der kleine Hut versteigert, das Tuch und der große Hut wurden verlost. Der große Strauß ging für 1240 Lei nach amerikanischer Versteigerung an Jessica Renz aus Ingolstadt, die nächstes Jahr den Kirchweihstrauß hat und als Vortänzerin geht. Der kleine Strauß ging für 1470 Lei an Johann Kerner aus Neumarkt in der Oberpfalz, der kleine Hut für 2420 Lei an Helmut Frahler aus Offenbach. Sergiu Trif aus Sanktanna gewann den verlosten Hut, Alexander Sărăcuţ das Tuch.

Zum ersten Mal an einer Sanktannaer Kirchweih griff der erste Geldherr Sebastian Hell aus Leingarten (Mutter Katharina Hell ist Kultur-
referentin der HOG) selbst zur Trompete und spielte zum Tanz unterm Kirchweihbaum auf. Damit hat er sich einen lang ersehnten Wunsch erfüllt: einmal mit einem richtigen Instrument und mit der Sanktannaer Blaskapelle am Kirchweihfest zum Tanz aufzuspielen.

Das Kirchweihfest wurde organisiert vom Deutschen Demokratischen Ortsforum, dem katholischem Kirchenrat, der Deutschen Schule und dem Bürgermeisteramt. Diesbezüglich war eine große Unterstützung seitens des Rathauses, des Bürgermeisters Daniel-Sorin Tomuţa und seiner Stadträte gegeben. Wie bisher jedes Jahr wurde die Gesamtveranstaltung auch wieder von der HOG Sanktanna unterstützt. Die Teilnahme der Blaskapelle der HOG am Kirchweihfest wurde von der Kulturreferentin für Südosteuropa am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, Dr. Swantje Volkmann, gefördert.

Es stehen somit viele hinter der Organisation des Sanktannaer Kirchweihfestes. Dank ihres Einsatzes bleibt eine Tradition erhalten, die nicht nur für Sanktanna, sondern auch für das ganze Banat wichtig ist. Letztendlich ist die Kirchweih in der Arader Kleinstadt eine Kirchweih für das deutsche Banat. Und sie ist ein Beweis dafür, dass der deutschen Minderheit nicht der Untergang droht, sondern diese lediglich vor einer Veränderung steht, und dass es auch anders gehen kann. Die 146. Kirchweih hat auch mir persönlich gezeigt, dass das Schicksal der deutschen Minderheit aus Rumänien nicht einer Tragödie gleicht und Opfer der Zeit geworden ist.