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Der Kandidat aus dem Osten

Joachim Gauck (Foto: wikipedia.de / J. Patrick Fischer)

Nun also doch: Im zweiten Anlauf soll Joachim Gauck Präsident der Bundesrepublik Deutschland werden. Welches ist das Geheimnis dieses Mannes, auf den sich alle im Bundestag vertretenen und gefragten Parteien doch recht schnell einigen konnten? Was zeichnet ihn jenseits vieler Voraussetzungen aus, die auch andere Kandidaten für dieses Amt mitbrächten? Die Antwort ist in der Herkunft dieses Kandidaten, in seinem etwas anderen Lebensweg zu finden, der ihm einen etwas anderen Blick beschert hat. Gauck kommt aus dem Osten. Als er elf Jahre alt war, wurde sein Vater abgeholt und verschwand. Erst nach mehr als zwei Jahren – im September 1953 – erfuhr die Familie, dass er noch lebte: In einem Straflager in Sibirien. Nach weiteren zwei Jahren war er wieder bei den Seinen, aber diese Erfahrung hatte einen Abstand zum kommunistischen System zur Folge, welcher der rote Faden seiner Biographie bis 1989 bleiben sollte. Die Familie seiner Ehefrau stammt aus Königsberg, sie flüchtete von dort in den Böhmerwald und später nach Warnemünde.

Auch aufgrund dieser Erfahrungen hat sich Joachim Gauck eine besondere Sensibilität für diejenigen bewahrt, die der Willkür des totalitären kommunistischen Regimes ausgeliefert waren, die Flucht und Vertreibung erleiden, ihre Heimat verlieren mussten. Er hat darauf geachtet, dass die Opfer von damals ihre Würde wieder erlangen konnten, in dem er es durchsetzte, dass Bespitzelte und Gedemütigte Einsicht in die Machwerke der Unterdrücker bekamen. Mit Umsicht, aber Entschiedenheit leitete er die dafür zuständige Behörde, welche die Öffentlichkeit recht bald nur noch mit seinem Namen verbinden sollte. Welch eine Anerkennung für seine Amtsführung.

Joachim Gauck hatte es früh gelernt – lernen müssen –, den Blick auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu lenken. Deshalb hat der Freiheitsbegriff für ihn einen solch hohen Stellenwert, deshalb hat er sich eine gewisse innere Distanz zum lärmenden Alltagsgeschäft in Gesellschaft und Politik bewahrt. Dass ihm Juchtenkäfer-Retter oder immer wiederkehrende Demonstranten genauso fremd blieben wie diejenigen, die mit der DDR nur Arbeitsplatzsicherheit und Kinderbetreuung verbinden – wer mag es ihm verdenken.

Nach dem 18. März wird nicht mehr der Kandidat, sondern der Bundespräsident Joachim Gauck im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Jeder einzelne Begriff und Satz von ihm wird genau betrachtet, gewogen und darüber befunden werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Kandidat aus dem Osten als Bundespräsident aller Deutschen auch in diesem Amt mit Bravour bestehen wird.