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Herrischried als Gedächtnisort der Banater Schwaben

Saderlacher Landsleute, der Kreisvorstand mit Fahnenabordnung aus München, Franz Andor und die Banater Trachtengruppe Singen am ersten Banater Gedenkstein vor der Kirche in Herrischried.

Der Kreisvorstand München mit der Fahnenabordnung.

Die Banater Trachtengruppe Singen am ersten Banater Gedenkstein vor der Kirche in Herrischried.

Es war vor zehn Jahren in gewissem Sinne ein Wagnis, hier in Herrischried einen Schicksalsweg der Banater Schwaben einzurichten, waren die Partner auf den ersten Blick doch sehr verschieden. Hier eine Gemeinde im Hotzenwald, im südwestlichen Zipfel der Republik, da ein landsmannschaftlich organisierter Verband im von hier aus fernen München. Ein Projekt, ausgerichtet auf eine Vergangenheit, die weit zurückliegt. Wie soll das harmonieren, wie soll das gutgehen, in was soll das münden, lauteten manche Fragen, damals wie heute, und ich gebe zu, dass die Antworten darauf ganz verschieden waren. Damals wie heute.

Lassen Sie mich kurz unsere Perspektive – die der Banater Schwaben – aufzeigen. Herrischried ist für uns mit dem Banater Schicksalsweg ein Gedächtnisort. Er ist einer der wenigen Orte in Deutschland, an denen an öffentlicher Stelle auf uns als Gruppe, auf unsere Geschichte hingewiesen wird: wie in Fürth im Odenwald, in Ulm an der Donau oder im benachbarten Görwihl. Unsere Vorfahren sind vor sieben, acht oder neun Generationen ins Banat gezogen, zum Teil freiwillig, zum Teil unfreiwillig. Letzteres muss man hier unbedingt erwähnen. Der Kontakt zu den in der Heimat verbliebenen Angehörigen war spätestens in der zweiten Generation abgebrochen, und im Banat nahm eine neue Gemeinschaft Gestalt an. Die Hotzen, die Alemannen stellten nicht die zahlenmäßig stärkste Gruppe dar, aber mit Sicherheit waren sie eine der stammesmäßig bewusst auftretenden Gruppen unter vielen. Nur so konnten sie z. B. in der Gemeinde Saderlach ihre Mundart über diese lange Zeit hinweg bewahren, nur so ihr Brauchtum erhalten, ihre Zugehörigkeit zu diesem Kulturkreis aufrecht erhalten.

Vor nun auch schon bald hundert Jahren, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, wurden die Siedlungen der in das Banat Ausgewanderten von Deutschland aus wieder entdeckt. Es waren wieder Persönlichkeiten aus dieser Region – Emil Maenner, Wolfgang Aly, Hermann Hofmann –, aber auch Adam Müller-Guttenbrunn aus unseren Reihen, die nach mehr als 150 Jahren einen ersten Brückenschlag zwischen den Nachkommen der Auswanderer und den Nachkommen der Verbliebenen herstellten. Man besuchte sich gegenseitig; in Fürth im Odenwald wurde ein erster Gedenkstein zur Erinnerung an die aus dem Odenwald nach Guttenbrunn Ausgewanderten aufgestellt; man stellte erstaunt fest, dass man sich nah war: im Glauben, im Brauchtum, in der Mundart, und man rückte näher zusammen. In Vergessenheit geraten ist, dass in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg tausende Kinder aus Österreich und Süddeutschland ihre Ferien auf den Höfen der Schwaben im Banat verbracht hatten.

Dieses gegenseitige Entdecken und Annähern wurde durch das Dritte Reich für seine Zwecke instrumentalisiert und durch den von den Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg über das Banat gelegten Eisernen Vorhang wieder unterbrochen. Den Banater Schwaben wurde ihr Hab und Gut weggenommen, sie wurden rechtlos und eine Zeitlang für vogelfrei erklärt. Sie reagierten darauf, indem sie die Reihen noch enger schlossen, indem sie in der eigenen Geschichte, in ihrem Glauben, in ihrem Brauchtum, in ihrem Sein als versprengte deutsche Gemeinschaft einen Halt suchten. Als auch diese Hinwendung, diese Rückbesinnung auf die Gemeinschaft von den Machthabern ihres ursprünglichen Inhalts beraubt werden sollte, war die Aussiedlung nach Deutschland erste, aber für uns Ausgesiedelte zugleich letzte Trotzreaktion unseres Daseins im Banat.

In Deutschland machten wir uns auf die Suche nach den Wurzeln. Nicht gleich, aber dann um so intensiver. Viele ehemalige Banater Gemeinden erstellten Sippenbücher und suchten die Menschen und Stätten auf, an denen ihre Familiengeschichte anknüpfen konnte. Nur wenigen gelang es jedoch, einen direkten Bogen zur Region und den dort lebenden Menschen zu schlagen: den Saderlachern in Görwihl, den Guttenbrunnern in Fürth im Odenwald und den Sanktannaern im Kraichgau. Andere, wie die Sanktmartiner, sind dabei, dies zu tun.

Wo steht nun aber Herrischried und sein Banater Schicksalsweg in dieser Konstellation? Erinnern wir uns zurück. „Entdeckt“ wurde es über den Roman „Verena Enderlin“ von Gerda von Kries durch den damaligen Münchner Kreisvorsitzenden der Landsmannschaft, Franz Andor. Die folgende Auseinandersetzung mit dem Roman, den Orten des Geschehens, setzte eine Dynamik frei, die sicher nicht alltäglich ist. Sie fand ihre Unterstützung vor Ort durch den damaligen Bürgermeister Roland Baumgartner, einem verständnisvollen Gemeinderat und von Vereinen. Als Ergebnis halten wir vier Gedenksteine fest, größere und kleinere gemeinsame Veranstaltungen in Herrischried und Umgebung, aber auch in München, abgelegte Heimaterde aus vielen Banater Ortschaften am Stein an der Rotmooshalle, wertvolle menschliche Begegnungen und zahlreiche Touristen, die entlang dieses Weges mit uns und unserer Geschichte konfrontiert werden.

Trotzdem drängt sich für uns die Frage auf, wohin dieser Weg führen soll. Bürgermeister Berger und ich hatten zu diesem Jubiläum auch Erzbischof Robert Zollitsch eingeladen, der aus dem donauschwäbischen Siedlungsgebiet stammt und hier Heimat gefunden hat. Wir wiesen in unserem Schreiben darauf hin, dass Herrischried einer der wenigen Orte ist, an dem an dieser Ödlandwallfahrt Nachkommen der Auswanderer aus der Region mit den Nachkommen der Verbliebenen teilnehmen. Erzbischof Zollitsch ist viel beschäftigt, er konnte nicht kommen, aber er ist im Gebet an diesem Tag bei uns. Und er schrieb noch: „Berichten Sie über das, was ihnen widerfahren ist, damit es sich nicht wiederholt.“

Die Botschaften auf diesen Steinen sind klar und unmissverständlich, öffentlich und anerkannt. Insofern ist dieser Banater Schicksalsweg, ist Herrischried mittlerweile ein Gedächtnisort der Banater Schwaben. Er ist so angelegt, dass er über unsere persönliche Geschichte hinaus in die Zukunft wirkt. An dieser Stelle sei deshalb nochmals der Dank der Landsmannschaft der Banater Schwaben an die Gemeinde Herrischried ausgesprochen, die es möglich gemacht hat, dass dieser Weg hier entstehen konnte.