Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Von den Heimattagen der Banater Deutschen

Die kleine Freilichtbühne am Temeswarer Bega-Ufer für das Festprogramm der Trachten- und Singgruppen. Foto:Karin Bohnenschuh

Die Tanzgruppen der DBJT auf der Bühne des Temeswarer Capitolsaales. Foto: Harald Wagner

Im Rahmen des Stadtfestivals »Bega Boulevard« wurde bis tief in die Nacht musiziert, gesungen und getanzt. Das Beste kam zum Schluss: Die Ehrengäste aus Deutschland tanzten am Bega-Ufer zu den Klängen der Original Banater Dorfmusikanten München. Foto: Clemens Kubon

Aus der Perspektive eines aktiven Mitglieds der Tanzgruppe

Seit sechs Jahren hatte ich das Banat nicht mehr besucht. Die Reise nach Temeswar sollte diesmal hauptsächlich dem gemeinsamen Erleben der geplanten Veranstaltungen an einem mehr oder weniger bekannten Ort dienen. Mit 17 Jahren hatte ich das Banat verlassen und davor einige Jahre in Temeswar die Schule besucht. Einige Mitglieder unserer Reisegruppe hatten jedoch noch nie einen Fuß ins Banat gesetzt.

Die Abfahrt aus München begann bereits „schwowisch“. Noch bevor wir den Bus bestiegen, wurden wir mit Kipfeln bewirtet: Walter Leblang (Musikant) hatte Geburtstag. Mit Kuchen, Kipfel und Kennenlernen ging die Fahrt weiter. An diesem Mittwochabend saßen im Bus 42 Leute. Die Jüngste war fünf Jahre alt und die ältesten Herrschaften bestimmt über siebzig. Es waren Mitglieder der Tanzgruppen aus Esslingen und München sowie die Original Banater Dorfmusikanten München. Spannend waren nicht nur die vielfältigen Gespräche, sondern auch die partielle Sonnenfinsternis, die wir in der Nacht des 15. Juni beobachten konnten. Der Donnerstagmorgen begrüßte uns um fünf Uhr mit einem Glutball am Himmel. Als der Bus die Theiß überquerte, fuhren wir bereits in den ungarischen Teil des Banats. An dieser Stelle erfuhren wir von Harald Schlapansky, unserem Reiseleiter, Organisator, Tanzgruppenleiter und Freund, eine kleine Einführung in die Entstehung des Banats und dessen Weiterentwicklung nach dem Niedergang des Kommunismus’. Den rumänischen Teil des Banats erreichten wir bereits um neun Uhr bei strahlendem Sonnenschein, wo uns die Statue des Heiligen Gerhard vor der katholischen Kirche in Tschanad scheinbar entgegenlächelte.

Unsere Unterkunft in Temeschburg war die Jugendherberge, die im ehemaligen Internatsgebäude des Lenau-Lyzeums untergebracht ist. Einige Räume waren erfreulicherweise neu renoviert. Doch was bedeutet dies in Rumänien? Idee gut – Ausführung unzulänglich! Für unsere Verpflegung sorgten freundliche Köchinnen, die trotz der Schulferien die Kantine für uns geöffnet hatten. Im Vergleich zu meinen Erfahrungen vor 21 Jahren, als ich selbst dort täglich meine Mahlzeiten einnahm, war das Essen viel besser, die klebrigen Tische und Stühle aber sind geblieben. Noch am selben Abend wurden wir zum Zwecke des Kennenlernens zu einem „Schwowische Owed“ in die Mensa der Universität Temeswar eingeladen. Das „wir“ umschloss drei Banater Tanzgruppen aus Deutschland (München, Esslingen und Singen), die Musikanten und einige Mitglieder des Bundesvorstands der Banater Schwaben in Deutschland. Unsere Gastgeber, Edith Singer und die Tanzgruppe „Banater Rosmarein“, hatten alles gut organisiert. Die Räumlichkeiten waren wunderschön, das Essen schmackhaft und die Gesellschaft angenehm. Zum Tanz spielten die Original Banater Dorfmusikanten aus München auf. Dies schien mir ein wirklich gelungener Auftakt zu den „Heimattagen der Banater Deutschen“.

Am Freitagmorgen lud Annemarie Podlipny-Hehn zu einer Stadtführung ein. Besonders die Kinder und Jugendlichen unserer Gruppe waren daran interessiert. Die Veranstaltung des Abends kann ich nur mit einigem Abstand beschreiben. Am Bega-Ufer sollte ein Kulturprogramm dargeboten werden. Der Stadt Temeswar war es offensichtlich ein Anliegen, deutsches Kulturgut in ihr Stadtfestival einzubeziehen. Der Name dieser Veranstaltung war allerdings irreführend: „Die Deutschen kehren ins Banat zurück“. Eine gute Idee ist jedoch noch kein Garant für eine gelungene Veranstaltung. Die vorbereitete Bühne war viel zu klein. Deshalb tanzten die vielen Gruppen aus Temeswar, Arad, dem Banater Bergland und Ungarn neben der Bühne – direkt am steilen Flussufer. Auf der gegenüberliegenden Seite waren verschiedene Informationsstände aufgebaut. An eine Sitzgelegenheit für die Zuschauer hatte man nicht gedacht. Obwohl wir hier einmal zu Hause waren, wurden unsere Tanzgruppen meistens wie Gäste betreut. Doch an diesem Abend fühlte ich mich als Gast alleingelassen. Nach vier Stunden Wartezeit (in Tracht) bestritten wir den letzten Programmpunkt. Der als „Tanzplatz“ auserkorene Abschnitt des Bega-Ufers lag bereits in völliger Dunkelheit. Notgedrungen suchten wir uns eine „Tanzfläche“ unter einer funktionierenden Straßenlaterne, wobei das Tanzen auf unebenen Gehwegplatten teilweise gefährlich war. Positiv zu vermerken war, dass das Zusammenspiel mit unserer Blaskapelle blind funktioniert hat, da wir ja keinerlei Sichtkontakt hatten. Eine erfahrungsbedingte Lebensweisheit hat sich bewahrheitet: Not macht erfinderisch und schweißt Menschen zusammen.

Die feierliche Eröffnung der Heimattage fand am Samstag im Temeswarer Opernhaus statt. Über dem roten Samtvorhang der Bühne leuchteten dem Zuschauer goldene Buchstaben entgegen: Mundus Scena Vita Transitus Venisti Vidisti Audisti. Die gelungene Organisation dieser Veranstaltung konnte dem erwählten Rahmen Würde tragen. Als sich der Vorhang öffnete, wurde das Motto der Heimattage sichtbar: „Gemeinsam in Wort und Tat“. Nach der Begrüßung durch Prof. Karl Singer brachten die Original Banater Dorfmusikanten die rumänische Hymne „Desteaptate romane“ und die Banater Hymne zum Erklingen. Die letzten Worte des Liedes stimmten mich nachdenklich. Das Banat – der Freiheit Hort? War leider nicht immer so.

Festredner aus Rumänien, Deutschland und Österreich erlaubten uns einen Einblick in die Diskussion über die Heimatthematik in Politik und Gesellschaft. Klaus Werner Johannis, Bürgermeister von Hermannstadt und Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, benannte zwei Probleme der Deutschen in Rumänien: erstens, dass sie eine kleine Minderheit sind und zweitens, dass sie weit verstreut leben. Dr. h.c. Susanne Kastner, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des deutschen Bundestages, die die Deutschen in Rumänien im Bundestag vertritt, erinnerte an Goethes Worte: „Eltern sollten ihren Kindern zwei Dinge geben – Wurzeln und Flügel“. Josef Christoph Karl, erster Sekretär der deutschen Botschaft in Bukarest, ergriff ebenfalls das Wort. Der Temeswarer Konsul Deutschlands, Klaus Christian Olasz, löste im Zuhörer Empathie aus, als er davon erzählte, in Temeswar endlich eine Heimat gefunden zu haben. Ergreifend waren ebenfalls die Grußworte von Peter Krier, dem Vorsitzenden des Hilfswerks der Banater Schwaben in Deutschland. Als Mitglied des Bundesvorstandes der Banater Schwaben überbrachte Harald Schlapansky die Grüße von Peter Dietmar Leber, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland. Er sprach die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Tracht und Brauchtum an, die als Teil unserer Identität beachtenswert sind. Der Abgeordnete des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Ovidiu Victor Gant, erzählte in offenen Worten über die Beweggründe der Menschen für eine Mitgliedschaft im Deutschen Forum. Anfangs erhoffte sich manch einer materielle Vorteile oder den Erhalt eines deutschen Visums. Später jedoch überwog der Gemeinschaftssinn innerhalb einer multikulturellen Entwicklung. Er richtete seinen Dank an den rumänischen Staat, der Minderheiten nach der Wende zunehmend offen akzeptiert und unterstützt. Dem deutschen Staat dankte er für die Hilfe und Zusammenarbeit, die beständig das Band zwischen beiden Ländern festigt. Voller Pathos waren die Worte von Ignaz Fischer, als er über die Gründung des Forums und den „Auswanderungssturm“ von 1990 sprach. „Nach dem Sturm sollen die Vögel singen. Die hiergebliebenen Heimatvögel sind nicht stumm, sondern sie singen. Zugvögel kommen auch immer wieder. Heute bewahrheiten sich die Worte eines alten Volksliedes: Alle Vögel sind schon da!“ Mit überschäumendem Gefühl in Stimme und Gestik regte er durch diesen Vergleich kontroverse Diskussionen an. Den Worten über Gemeinsamkeit folgte am Nachmittag im Capitol-Saal das gemeinsame Tun. 14 Gruppen aus Rumänien, Deutschland und Ungarn brachten ein abwechslungsreiches Kulturprogramm auf die Bühne. Musik, Lied und Tanz einte Jung und Alt. Am selben Abend spielten die Rekascher und Münchner Blaskapelle im Festsaal des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses zum Tanz auf. Den Abschluss der Heimattage leitete am Sonntag eine Andacht im Hof des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses und der Trachtenaufmarsch zum Dom ein. Dort dankten wir Gott in Wort und Lied und erhielten den Segen für unser weiteres Tun. „Herr, Deine Güte reicht so weit“ sangen vier Mitglieder der Singgruppe Sunnereen unter der Leitung von Hildegard-Barbara Müller. Mit „Großer Gott, wir loben dich“ geleiteten uns die Original Banater Dorfmusikanten München unter der Leitung von Helmut Baumgärtner aus der Kirche. Der Aufmarsch der über 200 Trachtenpaare und zwei Blaskapellen beeindruckte und erstaunte die Zuschauer gleichermaßen. Vom Dom zum Opernplatz konnten die Schaulustigen von nah und fern genauer hinschauen. An ihrem Applaus erkannte man deutlich, dass es ihnen bewusst wurde, welche Trachten mit Stolz und Sorgfalt getragen wurden. Leider waren auch einige Trachtenträger dabei, für die das Gewand nur ein Kostüm darstellte, das sie zu pflegen nicht erachtenswert fanden. Vor der Kathedrale fand eine feierliche Kranzniederlegung zum Gedenken an die Opfer der Revolution von 1989 statt. Mit „blaskräftiger“ Unterstützung der Banater Dorfmusikanten fanden die Heimattage vor den Pforten des Opernhauses ihren beschwingten Abschluss. Eine ganze Stunde lang wechselten sich Walzer und Polka ab. Viele Stücke davon konnten die Tanzgruppen aus Esslingen, München, Singen und der Banater Rosmarein aus Temeswar gemeinsam tanzen, da sie dieselbe Choreographie einstudiert hatten. Gemeinsam in Lied und Tanz.