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Der Glaube an die Auferstehung

Constantin Daniel: Auferstehung des Herrn

Vor mehreren Wochen stellte ich im Religionsunterricht der Erstkommuniongruppe die Frage: „Was glaubt ihr, warum hat Gott den Menschen erschaffen?“ Nach kurzem Überlegen antwortete Raul, ein achtjähriger Junge: „Gott wollte nicht allein sein, darum hat er den Menschen erschaffen.“ Eine einfache Antwort, die uns aber etwas ganz Wichtiges über Gott aussagt: Er hat von Anfang an das Universum, unsere Welt und uns Menschen geliebt. Er suchte von Anfang an die Nähe des Menschen. Wenn die ganze Schöpfung seine Allmacht verkündet, so sind Tod und Auferstehung Jesu die größten Beweise seiner Liebe. Es gibt nichts in der Welt, dessen wir uns sicherer sein können, als der Liebe Jesu zu jedem von uns. Diese Liebe ging bis zur Torheit des Kreuzes und reicht bis zur Herrlichkeit der Auferstehung. Die Auferstehung des Herrn war die Triebfeder, die Kraftquelle der Jünger Jesu und der ersten Christen. Paulus schreibt im Brief an die Römer: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? ... weder Tod noch Leben, Engel und Herrschaften, nicht Gegenwärtiges noch Kommendes, nicht Mächte, nicht Höhe oder Tiefe noch ein anderes Geschöpf“ (Röm. 8. Kap.).

Die Auferstehung Jesu lehrt uns, das Leben mehr zu schätzen und zu achten. Diese zentrale Wahrheit unseres Glaubens sollte uns wiederholt an unsere eigene Zukunft erinnern. Wir messen allzu oft den Wert unseres Lebens an dem Erfolg oder Misserfolg, an unserer Fähigkeit, andere zu beeinflussen oder zu verändern. In Wirklichkeit ist jedes Leben vor Gott wertvoll. Auch jenes, das in unseren Augen als unbedeutend, ja sogar als Last oder Strafe erscheint. In diesem Sinn betet Thomas Suavet: „... Du stehst am Ursprung jeden Lebens ... zeige Mitleid mit all den Leben, die verlorengehen, mit all den Leben, die zerstört werden, mit all den Leben, die durch die Schuld oder die Unwissenheit der Menschen kaum noch als Leben anzusprechen sind. Lehre uns, das Leben zu achten, das Leben zu fördern, die Form unseres Lebens zu bessern.“ Wir müssen also nicht die ganze Zeit Großartiges leisten, um von Gott angenommen und geliebt zu werden. Seine Auferstehung ist befreiend, wir stehen nicht in einem beständigen Stress. Wir dürfen einfach in dem Bewusstsein leben, dass Er uns in Schutz nimmt und uns zur Seite steht. Er erlöst uns von unseren Ängsten, Abhängigkeiten und Schuldgefühlen. Infolgedessen können wir unsere Masken ablegen, offen und ehrlich sein vor uns selbst, vor anderen und vor Gott.

Viele Christen haben Schwierigkeiten, an die Auferstehung Jesu zu glauben. Voltaire, der französische Philosoph, der die Kirche und das Christentum im allgemeinen kritisierte und sich oft ironisch darüber äußerte, sagte zu diesem Thema überraschend: „Die Auferstehung ist die einfachste Sache der Welt. Der die Menschen einmal erschuf, kann sie zweifellos auch ein zweites Mal erschaffen.“ Worüber beklagt sich Jesus am meisten seinen Jüngern gegenüber? Über ihren Mangel an Vertrauen. Er sagt ihnen nicht, sie seien Menschen ohne Charakter, Menschen ohne Energie, unbußfertige Menschen, nein, sondern: „Menschen mit zu wenig Glauben“ (Père d’Elbée).

Ostern bietet die Möglichkeit einer Begegnung mit Gott. Vielleicht können wir diese Begegnung erst dann erfahren, wenn wir sie gar nicht mehr erwarten. Vielleicht hören wir seine Stimme erst dann, wenn wir im wahrsten Sinne des Wortes „sprachlos“ sind. Von den beiden Jüngern, die nach dem Tod Jesu Jerusalem verlassen, sagt Marianne Haas: „In ihrer Hoffnungslosigkeit nahmen sie zunächst nicht wahr, dass Jesus den Weg mit ihnen ging. Erst nach der Erfahrung totaler innerer Leere wird es ihnen möglich, die stillen Zeichen der Gegenwart des Herrn als Geschenk anzunehmen.“ Über dem Eingang zum heiligen Grab in der Grabeskirche von Jerusalem steht eine griechische Inschrift: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden“ (Lk 24,5-6). Das heißt: Der einzige Platz dieser Erde, wo Jesus nicht ist, ist dieses Grab, das sogenannte Felsengrab, das einer seiner Freunde, Josef von Arimathea, zur Verfügung stellte. Das bedeutet: Wenn Jesus sich nicht im leeren Grab zu Jerusalem befindet, dann ist Er ganz gewiss überall in der Welt.

Unsere Aufgabe: Zeugen der Auferstehung zu werden. Papst Paul VI. lädt die Christen dazu mit folgenden Worten ein: „Die Welt von heute hat es satt, Meistern zu folgen. Sie lässt sich nur von Zeugen mitreißen, welche die Erfahrung des neuen Lebens gemacht haben; jenes Leben, das Jesus Christus uns gebracht hat.“ Um Zeuge sein zu können, muss man ein eigenes, persönliches Erlebnis mit dem lebendigem Gott gehabt haben. Leider gleichen wir oft jenen Touristen, die im Angesicht einer schönen Landschaft ihre Kamera zücken, um ein Foto zu machen, und anschließend das Foto auf dem Papier betrachten, anstatt die wahre Landschaft zu bewundern. Es gibt Menschen, die ein Bild von Jesus aufbewahren, Ihn aber nicht von Angesicht zu Angesicht kennen (Emiliano Tardif). Der wahre Christ ist jener, der sein persönliches Zeugnis vorbringt und der bestätigen kann, dass Jesus lebt. Wie die Apostel, die behaupteten: „Wir können unmöglich von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20).

Eines der bekanntesten Osterevangelien ist jenes, das von den beiden Jüngern erzählt, die auf dem Weg nach Emmaus waren. Jeder von uns kennt ähnliche Gefühle aus eigener Erfahrung. Es sind Situationen, aus denen wir keinen Ausweg sahen, wo unsere Hoffnungen und Pläne begraben wurden; Situationen, in denen wir dachten: am besten alles aufgeben und nichts wie weg von hier. Doch das Wichtigste nehmen die beiden mit auf den Weg: die Bereitschaft, über das Vorgefallene miteinander zu sprechen. Sie sagen nicht „Schwamm darüber“, sondern versuchen das Ganze zu verstehen. Sie suchen eigentlich den, den sie verloren haben, wenn auch unbewusst.

Ich denke jetzt an eine Hochzeitsfeier, an der ich vor mehreren Jahren teilnahm. Da kam ein Mann von ungefähr dreißig Jahren zu mir und sagte: „Ich bin nicht getauft. Das Thema Religion interessierte mich lange Zeit überhaupt nicht, doch seit zwei Jahren bin ich auf der Suche nach Gott.“ Darauf antwortete ich: „Wenn Sie Gott suchen, haben Sie ihn bereits gefunden, auch wenn Sie ihn noch nicht erkannt haben.“ Wahrscheinlich befinden sich heute zahlreiche Menschen in einer ähnlichen Lage. Es ist dies ein deutliches Zeichen der Hoffnung und eines neuen Aufbruchs. Ein anderer Mann bekennt: „Bevor ich Jesus kennenlernte, war ich eigentlich nicht unzufrieden mit meinem Leben. Ich wusste, was ich hatte. Aber ich wusste nicht, was ich nicht hatte. Dann kam Jesus in mein Leben. Heute kann ich mir ein Leben ohne Ihn nicht mehr vorstellen.“ „Habt keine Angst!“ (Mt 28,10): Diese Worte des Auferstandenen sind heute vielleicht noch wichtiger als vor 2000 Jahren. Wir sind so verunsichert, haben Bedenken und Zweifel auf allen Gebieten, vertrauen kaum noch einem Menschen oder einer Institution und haben Angst vor der Zukunft. Und unsere Angst wächst mit jeder Woche, mit jedem Tag. Angst vor Katastrophen, Angst vor Terrorismus und Krieg, Angst vor unheilbaren Krankheiten, Angst vor dem Tod. Menschen, die das Versprechen Jesu „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ nicht kennen, müssen es noch schwerer haben als wir Christen. Das beste Heilmittel gegen die Angst ist der Glaube an die Auferstehung. Der Lieblingsjünger Jesu formulierte das so: „Das ist der Sieg, der den Tod besiegt hat: unser Glaube“, (1 Joh 5,4). In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen gesegnete und frohe Ostern!