Pünktlich zum Herbstbeginn ist auch in diesem Jahr das „Temeschburger Heimatblatt“ erschienen. Das Heft ist wie immer elegant, gut gegliedert, mit hochwertiger Haptik und ästhetisch ansprechend gestaltet. Im Editorial appelliert der Chefredakteur und HOG-Vorsitzende Dr. W. Alfred Zawadzki an die Leserschaft, Zeitzeugenberichte für die Nachwelt festzuhalten und tief in der Versenkung liegende Erlebnisse noch einmal hervorzuholen und aufzuschreiben, um dadurch den nachfolgenden Generationen eine Grundlage für die eigene Identitätsfindung zu geben.
Im Jahr 2025 jährt sich die Deportation der Deutschen in Rumänien in die Sowjetunion zum 80. Mal. Ein trauriges Jubiläum, dem Zawadzki seinen Leitartikel „Wir sind die Hüter unserer Geschichte!“ widmet. Eva Filip lässt in ihrem Beitrag: „80 Jahre seit der Russlanddeportation der Deutschen aus Rumänien“ zahlreiche Einzelstimmen der Erlebnisgeneration zu Wort kommen. Zentrum ihrer Erinnerungen ist der Ort Sentlein bei Arad, die teilweise ungefiltert widergegebenen Erlebnisse sind jedoch beispielhaft für zahlreiche betroffene Ortschaften mit deutscher Bevölkerung aus ganz Südosteuropa.
Yves-Piere Detemple greift in seinem fachlich und sprachlich überzeugenden Text „Vergessene Schicksale – Bărăgan 1951-1956“ die stalinistische Deportation (auch) vieler Banater Schwaben in die Bărăgan-Steppe in der Dobrudscha auf und erklärt kurz und gut verständlich formuliert historische Sachverhalte.
Bekannten Temeswarer Persönlichkeiten ist in dieser Ausgabe des Heimatblattes viel Raum gewidmet. Nikolaus Berwanger, zweifelsohne ein maßgeblicher Mitgestalter der Lebensrealität der Rumäniendeutschen im sozialistischen Rumänien, der im Juli dieses Jahres 90 Jahre alt geworden wäre, werden gleich zwei umfangreiche Beiträge gewidmet: Hans Dama zitiert unter der Überschrift: „Sozial- und Systemkritik in Berwanger-Texten“ die seinerzeit gefeierten, in der Mundartbeilage der Neuen Banater Zeitung veröffentlichten Spitzen Berwangers gegen die Absurditäten des sozialistischen Alltags. Luzian Geier befasst sich in seinem Beitrag: „Er lebte seine Zeit – Nikolaus Berwanger“ mit der komplexen, häufig polarisierenden Person des Politikers, Chefredakteurs aber auch Förderers von Kunst und Kultur Nikolaus Berwanger.
Die Nachrufe auf Helmuth Freundorfer von Anton Sterbling („Manchmal sind die Schatten zu lang“) und auf Lajos Kakucs von Radegunde Täuber sind voller Wärme, Dankbarkeit und Respekt vor der Lebensleistung dieser wichtigen Persönlichkeiten. Eine Art „Nachruf“ ist auch der Beitrag „Es ist ein dreifaches Wunder“ von Halrun Reinholz. Hier wird die bewegte Geschichte und die soziokulturelle Bedeutung des Schubertchors, der nun endgültig aufgelöst wurde, klug, strukturiert und voller Anerkennung vorgestellt. Einen warmherzigen Einblick in das vorbildliche, wenn auch viel zu kurze Leben des bekannten Physikers Erich Huschitt bieten seine Töchter in ihrem Beitrag „Erinnerungen an Erich Huschitt (1930-1984)“.
Die kurzen Berichte über die Neuwahl des Vorstands des BdV-Frauenverbandes und die Verleihung der Goldenen Ehrennadel des Verbandes der Österreichischen Landsmannschaften an Hans Dama heben den unschätzbaren Wert des ehrenamtlichen Engagements für die Gemeinschaft hervor.
Interkulturelles Zeitgeschehen kommt in diesem Heft keineswegs zu kurz: Katharina Kilzer berichtet über die Deutschen Kulturtage in Reschitza („Ein literarischer Apfelbaum in Reschitza“), Adriana Carcu stellt in „Sax Moradi – die verlorene Stadt“ die Vernissage der Ausstellung des Temeswarer Künstlers vor und Ernst Meinhardt beschreibt in „Jubiläum im Dreivierteltakt“ die 70-Jahr-Feier des Landesverbandes Berlin der Banater Schwaben unter Mitwirkung des berühmten Komponisten Friedrich Pazeller im Collegium Hungaricum.
Yves-Pierre Detemples Hommage auf Ioan Hollander zu dessen 90. Geburtstag besticht durch prägnante Formulierungen sowie klare Sprache und Struktur.
Für ehemalige Lenau-Schüler – und wohl nicht nur für diese – sorgt der Beitrag „Der Spruch steht wieder unter der Büste“ von Halrun Reinholz für große Freude und Erleichterung: Endlich steht die Lenau-Büste wieder in der Einfahrt der renovierten Lenau Schule, flankiert vom berühmten Lenau-Zitat in neuer Aufmachung und einer erläuternden Tafel zur Person des Dichters und der Umstände der Namensgebung der Schule. Zum aktuellen Geschehen der Lenau-Schule gehört auch die jährlich unter der Leitung von Ottilie Scherer stattfindende Mal-Akademie. Ottilie E. Scherer berichtet über die Fokussierung und Disziplin der Schüler während der mittlerweile zur festen Tradition gewordenen Sommeraktivität, die Kindern auf interaktive und kreative Art an Kunst heranführt.
Der Literatur sind, außer dem bekannten „Literarischen Eck“ mit Texten mehrerer Autorinnen und Autoren – viele von ihnen Erlebtes aufarbeitend, andere nostalgisch-sentimental alte Zeiten und Gefühle heraufbeschwörend – auch zwei Buchpräsentationen gewidmet: „Märchen aus der Wichtelwelt“ von Magdalena Binder und „Vom Auftauchen und Verschwinden der Landschaft“ von Horst Samson.
Abgerundet wird die Themenvielfalt dieses Heftes durch die traditionellen Beiträge über Poli Temeswar von Ernst Meinhardt und über Wein(Gläser) von Arnold Töckelt. Das beliebte Kapitel „Gaumenschmaus“ bietet Kochrezepte aus der Sammlung Kuchar/Zawadzki, die zum Nachkochen einladen. Manche Rezepte werden jedoch auch geschickt in Beiträge wie „Die Kartoffel, der Erdapfel, die Knolle, die uns alle glücklich macht“ von Erika Zawadzki oder „Oma“ von Ottilie E. Scherer versteckt.
Mit dem Bericht „Oma“ findet ein gelungener Übergang zum letzten, aber sehr wichtigen Kapitel „Erlebtes Temeswar“ statt: Ottilie E. Scherer lädt in die Küche ihrer Mama ein, es wird aus der Vergangenheit erzählt, während dem Leser der Duft der „nebenbei“ entstehenden Schmeerkipfel in die Nase steigt. Selbstverständlich liefert die Autorin auch das Rezept dazu.
Emmanuel Knöbl berichtet in „Der kleine Emil an der Temesch“ frisch von der Seele über ein nicht ungefährliches, aber gut ausgegangenes Badeerlebnis an der Temesch. Fred Zawadzki erinnert sich in „Bis zum letzten Tropfen“ an das Schwarz(Schnaps) brennen in den 70er und 80er Jahren und Hans Dama schildert die spannenden Möglichkeiten, die einen Reiseleiter auch im tiefen Sozialismus befähigten, ausgezeichnete rumänische Weine und gehobene Gastronomie zu goutieren. Astrid Ziegler erdet sich in „Eule mit Weile“ in Paulisch bei der unerwarteten Begegnung mit einer Eule und Adriana Carcu fühlt sich bei einem Besuchsaufenthalt in Temeswar „Wieder zuhause“.
Betagte Geburtstagskinder dürfen sich wie immer herzliche Glückwünsche abholen. Dieses Kapitel liest sich wie eine Art „Who is Who“ und lässt unbewusst an Schicksale, erlebte Geschichte, Hoffnung und Durchhaltevermögen denken.
Die Auswahl der zahlreichen Leserbriefe am Ende des Heftes zeigt die positive Resonanz des Heftes vom Vorjahr und ist sicher ein wichtiger Motivationsschub für die Redaktion, ihre Arbeit fortzuführen.









