Auch in diesem Jahr steht Ostern unter keinem friedlichen Stern. Und doch nährt das Fest die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren. In einem Zeitungsartikel heißt es: „Ostern ist das höchste christliche Fest des Jahres, aber gefeiert wird es in Deutschland keineswegs nur von Christen, sondern von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung.
Warum ist Ostern so beliebt? Das liegt nicht nur am Frühling und an den Osterhasen. Ostern, wie die Bibel es erzählt, ist eine große Trostgeschichte, aber man muss kein Christ sein, um sie zu verstehen und nachzuempfinden.
In der biblischen Erlösungserzählung, in den kirchlichen Ritualen und den Bildern der alten Meister geht es um das, was alle Menschen im Innersten bewegt – und in der jetzigen Weltlage vielleicht besonders: unsere Verletzlichkeit, unsere Sterblichkeit, unsere Angst vor Schmerz. Ostern ist die Hoffnung, all das zu überwinden.“
Zur Wahrheit gehört auch: Viele Menschen, auch viele Christen, haben ihre Probleme mit der Botschaft von der Auferstehung Christi. Sie hegen vielleicht für die Person Jesu und seine Botschaft große Sympathien, aber an seiner Auferstehung zweifeln sie. Ihnen genügt, was Jesus inhaltlich verkündet und was er konkret getan hat. Seine Botschaft überzeugt sie, sie bietet ihnen vielleicht auch Orientierung für ihr Leben und Jesus selbst ist ein Vorbild für sie. Dass er jedoch von den Toten auferstanden wäre, gilt ihnen als altertümliche Mythologie oder als „fromme Legende“. Vernunft und Erfahrung machen es ihnen unmöglich, an die Auferstehung, dieses „Wunder aller Wunder“ zu glauben.
Für mich geht es beim Osterglauben auch und vor allem um die Frage nach Gott. Kann ich überhaupt an einen Gott glauben? Kann ich glauben, dass dieser Gott absolut allmächtig ist? Und: Kann ich glauben, dass der allmächtige Gott zugleich ein liebender Gott ist, ja, dass dieser Gott die Liebe selbst ist?
Wenn ich zu diesem Glauben bereit bin, ist vieles nicht nur denkbar, sondern auch möglich. Denn ich würde an einen Gott glauben, der über so eine gewaltige Macht verfügt, dass er nicht nur unsere Welt ins Dasein rufen konnte, sondern auch den Tod in seine Schranken weisen und seiner Macht ein für allemal ein Ende machen kann. Hätte Gott diese Macht nicht, wäre letztlich der Tod mächtiger als er, und Gott wäre nicht Gott.
Weil ich aber an den ersten Satz des Glaubensbekenntnisses glaube: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, kann ich auch die letzten Worte dieses Credos aus innerer Überzeugung bejahen: „…Auferstehung der Toten und das ewige Leben“. Gewiss: Der Glaube an einen allmächtigen und gütigen Gott bleibt ein Wagnis. Gott und seine Ewigkeit sind noch nicht in jener Deutlichkeit offenbar, die jeden dazu zwingen würde, Gott anzuerkennen und an ihn zu glauben. In allen Weisen seiner Anwesenheit bleibt Gott jedoch ein Gott, der so geheimnisvoll und verborgen ist, dass die Aussage des französischen Philosophen Blaise Pascal weiterhin gilt: „Es gibt genug Licht für diejenigen, die sich aus der ganzen Seele wünschen, Gott zu sehen, und genug Dunkelheit für diejenigen, die den entgegengesetzten Wunsch haben.“ Gott hat in unserer Welt einen Raum für den Zweifel gelassen, damit der Glaube seine Würde als freier Akt und als ein mutiger Schritt hin zum Reich des Geheimnisses nicht verliert. Damit der Glaube ein lebendiger Glaube bleibt, braucht er den Zweifel als seinen ständigen, korrigierenden Gefährten genauso wie das Zweifeln wiederum den Glauben braucht, damit er nicht in die Sümpfe einer verbitterten, absoluten Skepsis führt.
Der Schlüssel zum Tor des Glaubens ist die Hoffnung. Ich bin mir bewusst, dass ich zu einer Reihe von Sätzen des christlichen Glaubensbekenntnisses ein aufrichtiges „Amen“. (= Ja, so ist es; Ja, das glaube ich.) nur deshalb sagen kann, weil dieses „Amen“ eigentlich bedeutet: „Ich hoffe darauf, dass es so ist“. Die Glaubenssätze sind für mich keine einsehbaren, evidenten Fakten, sondern ein Geheimnis – ein Gegenstand der Hoffnung.
Der Glaube an einen allmächtigen und gütigen Gott ist wie ein Sprung ins Ungewisse. Menschen, die diesen Sprung gewagt haben, sagen uns, dass das Fallen nur kurz war – und dass da eine Hand war, die sie auffing. Sie bekamen Boden unter die Füße, neuen Boden, ein weites Land. Sie beschreiben es als ein Land der Freiheit und der Hoffnung.
Die Hoffnung, die uns durch die Osterbotschaft geschenkt wird, ist kein billiger Optimismus. Denn Optimismus und Hoffnung sind nicht dasselbe – auch wenn sie oft synonym gebraucht werden. Wunibald Müller sagt dazu: Die Hoffnung kenne die Härten des Lebens, sie wisse um unsere Trauer, Ohnmacht und Verzweiflung; sie blende die Wirklichkeit nicht aus. Sie sehe, was uns lähmt – und welche Mühen es kostet, dass Schlechtes besser wird. Echtes Hoffen verlangt von uns, dass wir uns verabschieden von Erwartungen, die sich bei näherem Hinschauen als Nostalgie, als ein Festhalten an unrealistischen Zielen erweisen.
Natürlich schmerzt es oft, sich der Wirklichkeit zu stellen. Doch „die christlich begründete Hoffnung hat eine Kraft, die der billige Optimismus nicht hat.“ Diese Kraft kommt von Ostern, von der Botschaft der Auferstehung. Diese Botschaft sagt: „Verzagt nicht! Es ist nicht aus. Es geht weiter!“
Wir Christen sollen diese Hoffnung auch im Alltag vorleben. Wir sollen anderen Mut machen und uns gegenseitig bestärken. Und wir dürfen uns von dem, was uns niederdrücken könnte, nie ganz vereinnahmen lassen. Es tut gut, wenn wir uns immer wieder ein Stück zurückziehen, zum Gebet oder zum Gottesdienst, um aufzutanken, um Kraft zu schöpfen für den Alltag. Und danach können wir uns wieder der Wirklichkeit des Lebens stellen. In dem Glauben, der uns zeigt: „Wir sind verankert in etwas Größerem – egal wie groß ein Problem gerade ist“. Wir sind verankert in Gott, von dem die Bibel sagt, er ist die Liebe. Diese Verankerung in Gott gibt Kraft. Sie hilft, den Blick zu weiten und zu erkennen, dass wir nicht alles allein bewältigen müssen. Wir haben nicht nur unsere menschlichen Möglichkeiten, um Lösungen für Probleme zu finden. Sondern wir dürfen immer auch auf die Möglichkeiten Gottes hoffen. Mit dieser Hoffnung im Herzen können wir tun, was wir können – und dann auf Gott vertrauen. Er wird auch das Seinige tun. Wir dürfen uns darauf verlassen, dass seine Gedanken und Pläne Gedanken des Heils und nicht des Unheils, des Lebens und nicht des Todes sind.
Für mich ist Ostern darum eine Verheißung und das Fest einer unzerstörbaren Hoffnung. Jesus, der Auferstandene, lädt uns ein, ja, er bittet uns inständig, ihm zu vertrauen. „Glaubt mir doch“, so ruft er uns zu: „Es ist wahr. Ich lebe und auch ihr werdet leben“ (vgl. Joh 14,19).
Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen ein gesegnetes Osterfest und die Gnade des Auferstandenen!