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Ein Jubiläum mit vielen Veranstaltungen - 200 Jahre katholische Kirche Großsanktnikolaus

Schüler der deutschen Abteilung in Kirchweihtracht, Geistlichkeit und Gäste beim Fest der Kirchenweihe Fotos: Lucian Oprea

Bürgermeister Groza dankte Dietlinde Huhn für die Organisation des Festes.

An den Priestergräbern, hier von Pfr. Deschu und Pfr. Linden, wurden Kränze niedergelegt.

200 Jahre seit der Weihe der katholischen Kirche in Großsanktnikolaus. Wie begeht man ein solches Ereignis, wie feiert man es in einer Kleinstadt mit einer wechselvollen Geschichte? Dietlinde Huhn, langjährige Lehrerin und für das Deutsche Forum sowie die Adam Müller-Guttenbrunn Stiftung, Ansprechpartnerin der deutschen Gemeinschaft, hat sich lange darüber Gedanken gemacht und ein Jahr lang auf das Ereignis hingearbeitet. Die katholische Pfarrei, das Rathaus, die deutschsprachige Schule, die Patenstadt Burgkirchen mit dem Verein Altenhilfe Großsanktnikolaus, das Demokratische Forum der Deutschen im Banat und nicht zuletzt die Heimatortsgemeinschaft Großsanktnikolaus in Deutschland – sie haben alle in der einen oder anderen Form dazu beigetragen, das Jubiläum zu einem besonderen Ereignis in der Chronik dieses Ortes werden zu lassen. Auch heute, drei Monate danach, wird noch immer darüber geredet, werden Bilder und Filme ausgetauscht, erzählen bewegte Bilder alte und neue Geschichten. Den Auftakt hierzu schrieben andere, viele Generationen vor uns. Dass sich aber auch heute noch so viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien darin wiederfinden, offenbart wieder einmal die prägende Kraft unserer Geschichte im Banat.
Das Pontifikalamt
Höhepunkt der Feierlichkeiten in Großsanktnikolaus war das Pontifikalamt am 5. Oktober, zelebriert vom emeritierten Bischof der Diözese Temeswar Martin Roos, assistiert von Generalvikar Johann Dirschl, Ortspfarrer Attila Andó, dem ehemaligen Ortspfarrer Johann Ghinari, der heute in Österreich wirkt, dem Salvatorianerpater Martin Gál, dem Pfarrer von Tschanad Zsolt Szilvágyi und weiteren Amtsbrüdern. Bischof Roos zeigte sich bewegt, dieses Jubiläum mitfeiern zu dürfen, stammten seine Vorfahren doch auch aus Großsanktnikolaus. Die Predigt hielt Pfarrer Johann Ghinari, der die Kirche als Mittelpunkt der Gemeinde und der Gemeinschaft hervorhob. Die Fürbitten wurden in mehreren Sprachen vorgetragen. Für das Jubiläum wurde wieder ein Kirchenchor ins Leben gerufen, der mehrmals geprobt hatte, die Orgel wurde repariert, hierzu hatte die HOG beigesteuert, und Erich Gagesch, Kirchenmusiker aus Hellburg, heute Singen, der während der 150-Jahr-Feier der Kirche in Großsanktnikolaus Kantor war, ließ es sich nicht nehmen, wieder die
Orgel zu spielen. Für das Jubiläum hatte er eigens ein Logo entworfen, welches auf einem Banner am Eingangsportal der Kirche von dem Ereignis kündigte. Auch die Gemeindevertreter hatten Platz genommen, ebenso die rumänisch- und serbisch-orthodoxen Priester. Der griechisch-katholische Pfarrer war Konzelebrant. Forumsvorsitzender Dr. Johann
Fernbach („Jesus bleibet meine Freude“ - Violine), die deutsche Konsulin Regina Lochner („Panis Angelicus“ - Gesang) und die Schülerin Ania Botos (Ave Maria - Gesang) setzten individuelle Glanzpunkte. Die Kirchengemeinde sang die bekannten und beliebten Marienlieder. Nach der Weihe der Gedenkplatte für die Opfer der Deportation mit einer zweisprachigen Inschrift (Deutsch-Rumänisch) durch Bischof Martin Roos erklang „Glocken der Heimat“, von der gesamten Gemeinde gesungen. Zum Schlusslied kamen die Pius-Bläser aus der Patenstadt Burgkirchen an der Alz zum Altarraum und spielten das Schlusslied „Großer Gott wir loben Dich“. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, manche standen seitlich oder draußen. Den Mittelgang füllten die Trachtenpaare des Deutschen Forums Großsanktnikolaus, Schüler der deutschsprachigen Abteilung, Paare aus Deutschland, die ihre Tracht mitgebracht hatten. Vor der Kirche hatte die katholische Kirchengemeinde eine Agape vorbereitet. Das waren nun bulgarische, ungarische und rumänische Katholiken, die Gebäck und Hochprozentiges – es war recht kalt – anboten. Ein schöner Brauch, den es in früheren Jahren nicht gab. Pfarrer Andó und Pfarrer Ghinari suchten das Gespräch mit den Angehörigen ihrer Gemeinde, es herrschte eine wunderbare Stimmung auf dem Platz. Graf Nako, der den Bau der Kirche größtenteils finanzierte und dessen Standbild nun vor der Kirche steht, hätte seine Freude an dieser Gemeinde gehabt. Begonnen hatten die Festtage in Großsanktnikolaus am 3. Oktober mit einem gemütlichen Beisammensein im Restaurant „Luna“, welches Erwin Becker betreibt. Die Autokennzeichen verrieten Besucher aus vielen Teilen Deutschlands und so mancher prüfende Blick durch den Saal zeigte Erinnerungslücken auf. Man sieht sich nur noch selten und ist älter geworden. Die Pius-Bläser, lauter junge Leute und eine lustige Gesellschaft, erfreuten die Gäste mit ihrer Musik und umgekehrt schien es auch zu funktionieren.
Die Stadt
Die Stadt Großsanktnikolaus ist eine gastfreundliche Stadt, der umtriebige Bürgermeister Dănuţ Groza sowieso. Politisch sorgt er immer wieder für Schlagzeilen, die Stadt verwaltet er sehr gut. Keine Arbeitslosen, Förderung der Minderheiten, der Religionsgemeinschaften, der Alten wie der Schüler, es gibt keinen Bereich, wo er nicht präsent ist. Ein Anliegen ist ihm auch die Patenschaft mit Burgkirchen an der Alz: Die angereiste Blaskapelle unter der Leitung von Johannes Kurz, der Geschäftsführer der Gemeinde Alexander Olbort, die Vorsitzenden der Vereine waren Gäste der Stadt. Mittler ist hier der Verein „Altenhilfe Großsanktnikolaus“ mit seinem Vorsitzenden Hans Schüssler aus Großsanktnikolaus. Sie und alle angereisten ehemaligen Bürger der Stadt, deren Kinder, auch einige Enkel, wurden im Festsaal des Nako-Kastells vom Bürgermeister und den Mitgliedern des Stadtrats begrüßt, mit der Entwicklung der Stadt mittels eines modernen Werbefilms vertraut gemacht. Demgegenüber stand eine Ausstellung des Hobbyfilmers Ludwig Dama mit historischen Bildern und Filmaufnahmen aus dem Großsanktnikolaus der 1960er, 70er und 80er Jahre, vorbereitet von Romina Soica. Sie hat ihre Dissertation über den Schmalfilmclub Großsanktnikolaus unter Ludwig Dama verfasst. Dessen Tochter Inge sprach Dankesworte. In zwei großen Bussen ging es dann durch die Straßen der Stadt, die Gesichter der Insassen klebten an den Fenstern der Busse. Viel hat sich verändert.
Die Friedhöfe
Großsanktnikolaus hat zwei katholische Friedhöfe. Vom Friedhof in der Deutschgemeinde haben die Geschwister Otmar und Dietlinde Huhn jedes Grab und jede Inschrift in einem Buch dokumentiert. Die hierfür eingegangenen Spenden setzten sie für die Sanierung der Stützmauer zur „Kaul“ ein. Die Arbeiten waren rechtzeitig zum Jubiläum abgeschlossen. Als sich die Gläubigen am Nachmittag des 4. Oktober auf dem Friedhof in der Deutschgemeinde versammelten, weinte der Himmel. Beklemmende Stille, Gräber wurden gesucht, gefunden, Kerzen entzündet, die Blaskapelle stimmte an. Auch der Semikloscher Chor sang Trauerlieder, den meisten noch wohlbekannt. Hier sieben, acht Generationen, in Deutschland ein oder zwei – es sind die Augenblicke, in denen man ins Grübeln kommt. Und es ist gut, dass sich alle Heimatortsgemeinschaften den Friedhöfen, ihren Vorfahren verpflichtet fühlen. Daran habe ich erinnert, als Pfarrer Andó um ein kurzes Wort an die Gemeinde gebeten hatte. Auf dem städtischen Friedhof erinnerte Lore Künstler an viele persönliche Bindungen zu diesen Stätten. An den Priestergräbern legten Dietlinde Huhn und Erwin Gallmann einen Kranz nieder, ebenso an den Gräbern der im Krieg Gefallenen. Die Blaskapelle spielte das Lied vom guten Kameraden. Auch heute brennen wie seit 80 Jahren an Allerheiligen hier die Kerzen. Ein Kranz wurde auch an der Gedenkplatte zu Ehren des aus Großsanktnikolaus stammenden Chirurgen Dr. Hans Röhrich angebracht und ein Gebet gesprochen.
Der Festakt
Der Festakt zum Jubiläum fand im ehemaligen Kino von Großsanktnikolaus statt. Der Saal ist nicht mehr wiederzuerkennen, modern, top saniert. In dem Gebäude hat die serbische Minderheit von Großsanktnikolaus ihren Sitz. An den Wänden war eine Ausstellung mit Bildern und Dokumenten zur Geschichte der Kirche und der Pfarrei angebracht, auch einige liturgische Gegenstände, Messgewänder – eines soll von Gräfin Berta Nako gestickt worden sein, Messbücher. Das grüne Messgewand, welches der langjährige Pfarrer Hans Fidelis Deschu immer trug, wurde von vielen Gästen gleich erkannt. Die Ausstellung wurde von Dietlinde Huhn mit Unterstützung des Pfarramts Großsanktnikolaus und des Diözesanarchivs Temeswar vorbereitet. Bürgermeister Groza freute sich, an diesem Morgen im Zentrum fast nur „Guten Morgen“ gehört zu haben und hieß alle ehemaligen Bewohner der Stadt herzlich willkommen. Für ihn seien sie nach wie vor Semikloscher und sie seien jetzt daheim, sagte er. Die sehr gute Arbeit der deutschen Schule sowie des Deutschen Forums in Großsanktnikolaus lobte der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament Ovidiu Ganț. Die Banater Schwaben identifizierten sich mit ihrer Kirche hier im Banat. Die deutsche Konsulin Regina Lochner würdigte das Jubiläum mit den vielen Programmpunkten als Gelegenheit zur kulturellen Selbstvergewisserung. Es sei wichtig, zu wissen, woher man komme und was man sei. Der Landesvorsitzende des Deutschen Forums Dr. Jürgen Porr war zum ersten Mal in Großsanktnikolaus. Auch er würdigte die Verbundenheit der Banater Schwaben mit ihrer Kirche. Der Vorsitzende des Deutschen Forums Banat Dr. Johann Fernbach stellte das Jubiläum der Kirche in einen direkten Kontext zur Stadtgeschichte, habe das kirchliche Leben stets weit über die Kirche hinaus ausgestrahlt. Hans Schüssler und Erwin Gallmann dankten Frau Huhn, Pfarrer Andó und Bürgermeister Groza und allen Mitwirkenden für das große Engagement zum Zustandekommen des Festes. So blieb mir die Einordnung des Jubiläums in die Kirchen- und Stadtgeschichte von Großsanktnikolaus. Eng verwoben mit dem Adelsgeschlecht der Nakos und den deutschen Siedlern des 18. Jahrhunderts waren die Anfänge. Eine erste katholische Kirche stand schon Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche, geweiht dem Heiligen Nepomuk, dem Landespatron des Banats. Nach einer Überschwemmung und weil sie zu klein geworden war, wurde sie abgetragen. Für den Bau der heutigen Kirche suchte man einen erhöhten Platz, auch näher zur Deutschgemeinde, zu Deutschsanktnikolaus als eigenständige Gemeinde, wo nun die deutschen, katholischen Siedler lebten. Erbaut wurde sie im neoklassizistischen Stil, finanziert von der Grafenfamilie Nako. Dienste leisteten Bauern und Handwerker. Konsekriert wurde sie von Bischof Ladislaus Köszeghi, Schutzpatronin ist die Hl. Teresa von Avila. Jahrzehnten des Aufbaus mit starken Priesterpersönlichkeiten folgten schwere Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Solidarisch hatten sich Kirche und Kirchengemeinde mit den Verfolgten und Drangsalierten gezeigt, Spenden wurden gesammelt und verteilt. In den dunklen Zeiten des Kommunismus war sie auch ein Ort nationaler Selbstbehauptung. Die 150-Jahr-Feier 1974 ist hierfür ein gutes Beispiel. Es ist die gleiche Kirche, aber das kirchliche Leben wird heute von Bulgaren, Ungarn, Rumänen und Deutschen geprägt. Die Kirche ist in das gesellschaftliche Leben der Stadt eingebunden und hat auch die nicht vergessen, die hier einst eingetreten sind, wo immer sie auch heute leben. Sie waren alle willkommen.
Der Tanzabend
Für den Unterhaltungsabend im festlich geschmückten und mit 500 Gästen vollbesetzten „Atheneum Events“ hatte die HOG Großsanktnikolaus die „Schlagerbengel“ verpflichtet. Es war der erste Auftritt von Andy, Eugen, Sandra und Robinson im Banat, die Gäste waren aus dem Häuschen. Einige Fans kamen aus Karlsruhe, Augsburg, Nürnberg angereist, weil sie diesen Moment miterleben wollten, andere sind neue Fans geworden, so die bayerischen Musikanten. Sie lernten auch die Zeppelpolka von der Volkstanzgruppe „Vergissmeinnicht“, die vornehmlich aus Schülern der deutschen Schule besteht. Die kommen größtenteils aus rumänischen Familien, aber sie schätzen diese Schule und Gemeinschaft. Welch eine Entwicklung im Umkreis von Schule und Kirche. An diesen Tagen hatten auch wir hier unseren Platz und das war ein gutes Gefühl.