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Nachruf auf Peter Krier: Ein Leben für die Banater Schwaben

Beim Heimattag 2018 in Ulm führt Peter Krier den Bischof Robert Zollitsch durch die Franz-Ferch-Ausstellung. Foto: Oleg Kuchar

Am 17. November, Volkstrauertag, ist in Schweinfurt Peter Krier gestorben. Von der Arbeit mit den Jugendlichen in unserer Landsmannschaft bis zur Unterstützung der Alten in den Banater Heimen in Ingolstadt und im Banat hat er über mehr als fünf Jahrzehnte die landsmannschaftliche Arbeit entscheidend geprägt. Obwohl schon krank, hat er bis zuletzt Anteil an Landsmannschaft und Hilfswerk genommen, für die er so viel Kraft und Zeit aufgebracht hatte. Beigesetzt wurde Peter Krier am 28. November. Die Einsegnung erfolgte durch Heimatpfarrer Paul Kollar, der den Lebensweg des Verstorbenen in Erinnerung rief: Das Elternhaus, die Familie, die Ausreise und dann das landsmannschaftliche Engagement. Ein Meer von Blumen und Kränzen, die Fahnenabordnungen der Kreisverbände München, Nürnberg, Waldkraiburg, Würzburg und der HOG Wetschehausen gaben das letzte Geleit und senkten sich über dem offenen Grab. Den letzten musikalischen Gruß übermittelte Hans Eichinger, Jahrmarkt/Nürnberg. Ehrende Nachrufe sprachen der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber, der Vorsitzende des Hilfswerks der Banater Schwaben Nikolaus Rennon, für die Billeder Gemeinschaft der HOG-Vorsitzende Werner Gilde, der ihm Heimaterde mit ins Grab gab, und der Vorsitzende des Deutschen Forums Billed Erwin Csonti, für den Kreisverband Schweinfurt Toni Lefort sowie Hans Eichinger aus Nürnberg. Bundesvorstand und Ehrenbundesvorsitzender, die Landesvorstände Bayern und Baden-Württemberg, die Vorstände von Kreisverbänden und Heimatortsgemeinschaften, Hilfswerk und Kulturwerk Bayern, das Seniorenheim Josef Nischbach in Ingolstadt, Billeder Landsleute, der BdV und andere Landsmannschaften waren vertreten, um Peter Krier die letzte Ehre zu erweisen.
Billed
Peter Krier wurde am 22. Januar 1935 in Billed geboren, dem Musterdorf Maria Theresias, wie die Gemeinde auch gerne bezeichnet worden ist. Bereits sehr früh, im Alter von neun Jahren, hat er die Schrecken des Krieges kennengelernt, als die Familie im September 1944 vor der Front nach Österreich geflohen ist. Wie andere auch, kehrte sie ein Jahr später wieder zurück. Der Liebe zum heimatlichen Dorf und der vertrauten Gemeinschaft im Banat stand das Dasein als Flüchtling in Österreich gegenüber. Der Vater war im Krieg und in der Gefangenschaft. Wieder im Banat, drückte Peter Krier erneut die Schulbank in Temeswar und schloss mit einem Diplom als staatlich geprüfter Techniker ab. Er sammelte erste berufliche Erfahrungen, bildete sich fort, wurde am Pädagogischen Institut in Klausenburg im Fernkurs zum Fachschullehrer ausgebildet. Er gehörte zu jener Generation, die nicht mehr für die Übernahme des elterlichen Handwerkbetriebes oder der Landwirtschaft ausgebildet wurde, sondern in den großen staatlichen Einheiten Verantwortung übernehmen sollte. Die Diskrepanz zwischen einst und damals, zwischen staatlichen Vorgaben, gesellschaftlichen Fesseln und dem, was Menschen aus festgefügten Banater schwäbischen Gemeinschaften mit einer eigenen Geschichte und Tradition sind, wurde jedoch immer größer. Was wird aus den Kindern, war eine häufig gestellte Frage und die Antwort wurde mit der Ausreise gegeben. Die Familie Krier, Peter mit seiner Ehefrau Barbara, geb. Alexius, und den beiden Kindern Monika und Gerhard, reiste 1970 aus und Schweinfurt wurde zur neuen Heimat der Familie, die Firma Kugelfischer von 1970 bis zum Renteneintritt der Arbeitgeber. Gleich nach seiner Ankunft in Deutschland wurde Peter Krier Mitglied unserer Landsmannschaft und stellte sich in den Dienst seiner Landsleute.
Landsmannschaft
Erste Station war die Heimatgemeinschaft Billed, die er gründete. In der Bezeichnung fehlt die Silbe „ort“, weil er der Meinung war, dass diese Heimatgemeinschaft über den Ort hinaus Bestand haben kann und soll. Sie heißt noch heute so. Im gleichen Jahr wurde er Referent für die Jugendarbeit der Landsmannschaft. Bis ins hohe Alter hielt er den Kontakt zu der Jugendorganisation unserer Landsmannschaft aufrecht, erkundigte sich nach ihrem Wirken, war sichtlich froh, dass die Arbeit fortgeführt wird. 24 Jugendgruppen standen im Laufe der Jahre da. Er warb für die Gruppenarbeit, fuhr in die Wohnheime und sammelte die Jugendlichen, organisierte Freizeiten und letztlich 1986 den Bundesverband der Banater Jugend. Die junge Generation blieb ihm immer nahe, selbst wenn er im Herbst des Lebens seinen Einsatz den Alten, Schwachen und Benachteiligten als Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Hilfswerks der Banater Schwaben und für das Banat als Vorsitzender der Adam Müller-Guttenbrunn Stiftung, Träger aller deutscher Sozialeinrichtungen im Banat, widmen sollte. Peter Krier war Gründungsvorsitzender des Kreisverbandes Schweinfurt unserer Landsmannschaft ab 1976 bis 2022, er stand dem Landesverband Bayern 25 Jahre lang vor, er war 17 Jahre lang Mitglied des Bundesvorstandes, zuletzt als Geschäftsführender Bundesvorsitzender. In seinem Wirken hatte er aber stets alle Vertriebenen im Blick, weshalb er auch im Kreisverband Schweinfurt und im Landesvorstand Bayern des Bundes der Vertriebenen Verantwortung übernommen hatte. Er arbeitete mit den Sudetendeutschen wie mit den Russlanddeutschen gut zusammen, mit den Schlesiern, Pommern, mit den Siebenbürger Sachsen. Was viele nicht wussten: Peter Krier hat sich gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch auch für seine Mitbürger in Schweinfurt, in Unterfranken eingebracht. Er gehörte dem Sozialhilfeausschuss der Stadt Schweinfurt an, dem Petitionsausschuss der Regierung von Unterfranken, dem Diözesanrat Unterfranken als Mitglied im Sachausschuss Ostkirche. Und überhaupt, unsere Kirche und deren Einrichtungen: Ob das St. Gerhardswerk oder das Gerhardsforum, ob unsere Heimatdiözese Temeswar und seine Heimatkirche in Billed – sie waren für ihn unverhandelbare Eckpunkte in seinem Leben, in ihrem Wirken für und in unserer Gemeinschaft.
Aussiedlung
Viele in unserer Landsmannschaft hatten und haben Ämter inne, es kommt aber immer darauf an, was man aus einem Amt macht. Auf Peter Krier kamen die Ämter aufgrund seines Einsatzes auf ihn zu und er hat viel, sehr viel daraus gemacht. Er hat in den Verband hineingehört, hat geschaut was die Menschen bewegt, und dann kam meist die für ihn typische Aussage: „Da muss man was machen!“ Und dieses „man“ bezog er gleich auf sich. Er packte an, er schob an, er ging vor, er drängte und wenn er von der Richtigkeit der Sache überzeugt war, ließ er nicht locker, bis er nicht zu einem Ergebnis gekommen war. Das war nicht immer positiv, aber er versuchte es immer wieder und er gab nie auf. In der Zeit der massiven Ausreise unserer Landsleute nach Deutschland organisierte er ein umfassendes Netz von Betreuern, veranstaltete Eingliederungsseminare. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, beriet, übersetzte, half beim Ausfüllen der Anträge, war einfach immer da, wenn er sah, dass er gebraucht wurde. Die 1980er und 1990er Jahre waren die Jahre der großen Veränderungen innerhalb unserer Gemeinschaft. Fast alle wollten aus dem Banat weg und in Deutschland bedurfte es eines Netzes, um sie aufzufangen, einzugliedern, um ihnen Beheimatung jenseits rechtlicher Normen zu ermöglichen. Hätte es die Landsmannschaft nicht gegeben, man hätte sie damals erfinden müssen, sagte er im Rückblick. Er selbst hat in dieser stürmischen Zeit immer wieder eigene Akzente gesetzt. Erinnern wir an die große Demonstration vor dem Kölner Dom im Dezember 1982 gegen die Drangsalierung unserer aussiedlungswilligen Landsleute im Zusammenhang mit der Erstattung der Ausbildungskosten bei der Ausreise. Peter Krier sprach von unserer Seite dort. Ich stand in den Reihen der Demonstranten und war froh, dass auch einer der Unseren dort spricht. Erinnern wir an die große Solidaritätskundgebung für die Aufständischen in Temeswar und Rumänien im Dezember 1989 in München. Er war der Motor, dass sie zustande gekommen war. Denken wir an die erste große Gedenkveranstaltung für die Opfer der Russlanddeportation im Januar 1995 in München mit Tausenden Teilnehmern. Peter Krier war die treibende Kraft für das Zustandekommen dieses Gedenkens, das bis heute seine Fortsetzung gefunden hat. Und dann die vielen Landestreffen, die Heimattage, die Sportturniere, die Jugendlager – überall war er vorne dabei, förderte und forderte.
Gemeinschaft
Nachdem sich die Lage nach der politischen Wende im Banat und in Rumänien klärte, abzusehen war, dass ein Teil unserer Landsleute dort bleiben würde, zögerte er nicht lange, um neue Formen des Gemeinschaftslebens zu entwickeln und zu unterstützen. Er fand Verbündete, so in der damaligen bayerischen Staatssekretärin Barbara Stamm, was in eine lange und äußerst fruchtbare Zusammenarbeit mündete. Es war die Zeit der Ausstattung der Deutschen Foren, der Reorganisation unserer Heimatdiözese, aber auch aufkommender Sorgen für die Alten, Schwachen und Alleinstehenden. Peter Krier war auch hier zu Stelle. Die Altenheime, die Sozialstationen, Helmut Schneider, Helmut Weinschrott, Karl Singer, Jakob Laub – es sind die Namen, die für die Neuausrichtung in dieser Zeit stehen. Es war absehbar, dass mit der Aussiedlung auch die wenigen kulturhistorischen Stätten unserer Gemeinschaft, unseres Seins im Banat in ihrem Bestand gefährdet sein würden. Wieder war es Peter Krier, der mit dem Satz: „Da müssen wir was tun, wir dürfen das nicht einfach hinnehmen,“ die Hebel umstellte. Er organisierte Mittel für die Restaurierung der Mariensäule in Temeswar, für eine Sanierung des Stefan-Jäger-Hauses in Hatzfeld, des Lenau-Museums in Lenauheim, des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses in Guttenbrunn, den Aufbau eines Billeder Siedlerhauses im Dorfmuseum im Jagdwald in Temeswar, er sorgte dafür, dass dank des Billeder Netzwerks das Deutsche Forum und die Sozialstation der Adam-Müller-Guttenbrunn Stiftung im eigenen Haus und auf eigenem Grund stehen. Er setzte sich für die Sanierung des Kriegerdenkmals ein, der Friedhofswege, der Kirche und des Kalvarienbergs. Das alles bedeutete ihm sehr viel. Zugleich sorgte er dafür, dass auch in Deutschland im öffentlichen Raum Zeichen unserer Geschichte entstehen, die hier, auch das war seine feste Überzeugung, ihre Fortsetzung findet: Das Denkmal „Wider das Vergessen“ in Landshut, die Gedenktafel für die Auswanderer am Donauufer in Regensburg, das Billeder Denkmal in Karlsruhe, das Denkmal an Flucht und Vertreibung in Schweinfurt. Mit untrügerischem Gespür setzte er eher vernachlässigte Themen unserer Geschichte auf die Tagesordnung, organisierte Vorträge, wie z.B. über den Kriegsdienst der Banater Schwaben, über die Verluste unserer Gemeinschaft im und nach dem Krieg und vieles mehr. „Wer anderer, wenn nicht einmal wir“, sagte er nur, und damit war alles gesagt. Ein großer Erfolg für ihn und seine Mitstreiter in Würzburg war die Einrichtung eines Banater Heimatmuseums und Trachtenpuppenmuseums am Ostbahnhof. Wichtig war Peter Krier, dass auch der Kunst ein Platz eingeräumt werde. Er organisierte Ausstellungen mit Werken von Adolf Humborg, Stefan Jäger und Franz Ferch, brachte Kataloge heraus, suchte und fand immer wieder Unterstützer, die die Werke dieser Künstler erfassten, digitalisierten und so auch der Öffentlichkeit zeigen konnten. Er sorgte für das erste Zusammentreffen der Leiter der Banater Blaskapellen, in Würzburg, er trommelte und organisierte, bis der Temeswarer Schubert Chor sein erstes Konzert in Deutschland in Sindelfingen geben konnte.
Vermächtnis
Für sein Wirken hat Peter Krier viele Ehrungen erhalten: die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland und das Bundesverdienstkreuz am Bande. Unsere Landsmannschaft hat ihn mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Prinz Eugen-Nadel geehrt, das Demokratische Forum der Deutschen im Banat, der Bund der Vertriebenen mit der Ehrennadel in Gold. Seine Heimatgemeinde Billed hat ihn zum Ehrenbürger ernannt. Er hatte sich über diese und viele andere Ehrungen gefreut, aber der Dankesbrief einer alten Schwäbin, die mit seiner Unterstützung eine Rentennachzahlung oder eine Entschädigungsleistung erhalten hatte, bedeuteten ihm mehr.
Peter Krier hat sich, seiner Familie, und seinen Mitstreitern in diesem rastlosen Wirken viel abverlangt. Nicht alle konnten oder wollten seinen Einsatz mittragen, sein Tempo mitgehen. Spannungen ergaben sich, manchmal auch Verwerfungen. Es spricht für ihn, dass er nach solchen Momenten immer wieder die Größe aufbrachte, die Hand zu reichen und das Verbindende hervorzukehren. „Ich brauche kein Amt, um zu wissen, was ich zu tun habe“ – auch einer der Sätze von ihm, die ihm halfen, Enttäuschungen zu überwinden und das Übergreifende, das Größere, das Verbindende im Blick zu behalten.
In seinem langjährigen Engagement hat Peter Krier einen unfassbar langen und breiten Bogen vollzogen: Von der Aussiedlung aus dem Banat 1970 bis zur Hinwendung ins Banat nach der Wende im Osten; von der Jugendarbeit, über die breite Arbeit mit der mittleren Generation bis zu der älteren und alten Generation in den Heimen in Ingolstadt und auch wieder im Banat. Das mag auf den ersten Blick etwas untypisch für eine solch lange ehrenamtliche Arbeit erscheinen, aber das Bild findet seine Auflösung in unserer Geschichte und bei ihm persönlich in der völligen Identifikation mit unserer Gemeinschaft, mit seinen Landsleuten. Er hat sie immer gerne gehabt, so wie sie sind, mit ihren Stärken und mit ihren Schwächen und er blieb ihnen nahe bis zu seinem Tod. „Ruf öfters an“, sagte er, nach den letzten großen Veranstaltungen unserer Landsmannschaft im Banat, wo er sich über 300 Jahr- und 250 Jahr-Feiern der Heimatortsgemeinschaften, über die Deutsche Wallfahrt nach Maria Radna, das Bischofsjubiläum und die Situation der Sozialeinrichtungen informieren ließ. Und er freute sich darüber, dass die Arbeit fortgeführt wird und Akzeptanz findet, dass viele weitermachten. „Wir haben unseres getan, jetzt sollen andere machen“, der nächste Satz. Das „Wir“ war er, seine Generation, seine Gemeinschaft in der Landsmannschaft. Sein Vermächtnis sollte unser Wirken heute sein, so wollte er es.
Peter Krier war für unsere Landsmannschaft immer mit Rat und Tat da. Er hat unseren Verband organisatorisch gestärkt, er hat unsere Arbeit bereichert und einen bedeutenden Beitrag zum Fortbestand unserer Gemeinschaft, zur Pflege und Vermittlung unseres kulturellen Erbes geleistet. Er hat darauf geachtet, dass wir das Wesentliche im Blick behalten und dass wir zum Banat und den dort lebenden Menschen den Kontakt bewusst aufrechterhalten. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben mit allen Vereinen und Gliederungen, in denen er gewirkt hat, wird Peter Krier ein ehrendes Gedenken bewahren. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt den hinterbliebenen Familienangehörigen. Er ruhe in Frieden!