Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.

Sackelhausener Kirchweihfest mit Heimattag in Reutlingen

Das Vortänzerpaar Bianca und Patrick Schwarz führte den Kirchweihzug an.

Vierhundert Sackelhausener und zwölf Trachtenpaare – Kinder und Jugendliche – feierten in Reutlingen Kirchweih und gedachten der Weihe ihrer Heimatkirche vor 240 Jahren. Fotos: Michael Schuller

Zum 56. Mal feierten die Sackelhausener ihr traditionelles Kirchweihfest mit Heimattag, das längst ein fester Bestandteil des kulturellen Geschehens in Reutlingen geworden ist. Das Fest wurde am Samstag, dem 22. September, mit einer feierlichen Messe eingeleitet, wie es stets Sitte und Brauch im Banat war. Dazu gab es in diesem Jahr einen besonderen Anlass: Vor 240 Jahren wurde die Kirche in Sackelhausen dem Erzengel Michael geweiht. Die Aussegnungshalle auf dem Friedhof Römerschanze, wo die Messe stets stattfindet, war festlich geschmückt. Die Fahnen der Heimatkirche säumten den mit Blumen und Kerzen geschmückten Altar. Der Blumenkranz der Sechzigjährigen, der mit bunten Bändern geschmückte Rosmarin und die mit Rosmarin und Bändchen bestückten Quitten werteten diesen Schmuck auf. Die hl. Messe wurde von Pfarrer Robert Dürbach zelebriert und vom Banater Chor Reutlingen unter der Leitung von Martin Metz jun., der die Banater Gemeinschaftsmesse von Martin Metz (1933–2003) sang, musikalisch umrahmt. Das „Allegro Moderato“ von Henry Purcell, interpretiert von Martin Metz (Orgel) und Hans Neu (Sopransaxophon), verlieh dem Einzug des Priesters mit den Ministranten und des Jahrgangs 1952 eine besondere Note, ebenso das „Ave Maria“ von Bach/Gounod. Pfarrer Dürbach ging in seiner Predigt eindringlich auf den Zustand der St.-Michaels-Kirche in Sackelhausen ein, konnte er sich doch darüber im Mai 2012 ein Bild vor Ort machen.

Brunhilde Forro, die Sprecherin des Jahrgangs 1952, ließ in ihrer Festansprache sechzig Jahre Revue passieren, wobei sie es nicht versäumte, den Blick auch auf die Zukunft zu richten. „Jede Dekade hat ihren Charme, nichts bleibt wie es ist. Alles, was wir persönlich erlebt haben, ernste Momente und glückliche Augenblicke, sind ein reicher Erfahrungsschatz“, betonte die Festrednerin. Gerade heute, wo wir in einer globalisierten Welt leben, sei es wichtig, seine Wurzeln zu kennen. Unzählige Bilder von dem einst so vertrauten Heimatort, in dem man zusammen aufgewachsen ist, trage man in sich. „Wir alle wissen, was es bedeutet, die Heimat zu verlieren oder zu verlassen“, gab Brunhilde Forro zu bedenken. Mit wenigen, in zwei Kisten und Koffern verstauten Habseligkeiten habe man die Grenze passiert. Zurücklassen, Loslassen und neu anfangen sei für alle eine Herausforderung gewesen. Mit Ehrgeiz, Durchhaltevermögen, Fleiß und Sparsamkeit habe man die Herausforderungen gemeistert und erreicht, dass die Fremde zur Heimat geworden ist. „En Sacklas wore mr drhem, hier sind wir zuhause“, lautete die Feststellung der Jahrgangssprecherin.

Peter Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, würdigte in seiner Festansprache die Arbeit der HOG Sackelhausen und wies in diesem Zusammenhang auf die seit 56 Jahren gepflegte Tradition des Sackelhausener Kirchweihfestes in Reutlingen hin. „Es gibt kein einziges Projekt der Landsmannschaft, in das sich die HOG Sackelhausen mit all ihren Gruppen und einzelnen Persönlichkeiten im Laufe ihrer doch schon recht langen Geschichte nicht eingebracht hätte“, hob der Festredner hervor. Unsere Kultur sei das Wertvollste, was wir als Gemeinschaft haben. Sie werde in Museen und Heimatstuben präsentiert und dokumentiert und von der Wissenschaft untersucht. Dies treffe in besonderer Weise auf unser Patenland Baden-Württemberg zu. Sie bedürfe aber auch der Pflege und Vermittlung innerhalb unserer Gemeinschaft. Peter-Dietmar Leber richtete an die Anwesenden den Aufruf: „Beteiligen deshalb auch Sie sich an dieser Aufgabe! Nicht nur das materielle Erbe, nein, auch das kulturelle Erbe soll der nächsten Generation als etwas Wertvolles, etwas Besonderes angeboten werden. Hüten wir es, halten wir es lebendig, denn meistens hat die Generation der Enkel eine größere Vorliebe für das Erbe der Großeltern als die Kinder für die Wünsche der Eltern.“ Landsmannschaftliche Arbeit finde nicht in einem geschlossenen Kreis statt, sie unterliege verschiedenen gesellschaftlichen Einflüssen und müsse immer wieder in enger Wechselwirkung mit den Interessen unserer Landsleute stehen, für die wir Verantwortung übernommen haben, so der Bundesvorsitzende. „Wir waren immer dann am erfolgreichsten, wenn wir nahe genug an den Nöten und Sorgen, aber auch an den Hoffnungen und Wünschen unserer Landsleute waren. Nach dem Krieg war dies das Ringen um die Eingliederungsgesetzgebung mit Lastenausgleich und Fremdrenten, später die Ausreise und hier die Betreuung und Unterstützung unserer Landsleute, die sehr wohl ihre alte Gemeinschaft pflegen und immer wieder aufleben lassen will, die weiß, dass sie diesen Fixpunkt in ihrem Leben für eine erfolgreiche Integration benötigt. Integration heißt nicht Verleugnung der Vergangenheit, sondern ihr einen angemessenen Platz in unserer jeweiligen Biografie zuzugestehen“, sagte Leber.

Unter den Klängen des „Voluntary“ von J. Stanley, gespielt von Martin Metz mit Sopran-Saxophon-Begleitung, zog die gesamte Festgemeinde, angeführt vom Jahrgang 1952, aus dem Gotteshaus aus. In Begleitung der Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen unter der Leitung von Johann Frühwald ging es zu den Klängen eines Trauermarsches Richtung Sackelhausener Gedenkstein, der stellvertretend für die vielen Verstorbenen und Vermissten in der alten wie in der neuen Heimat und in der ganzen Welt steht. Während Reinhold Lauer das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ spielte, legte der Jahrgang 1952 einen Kranz am Denkmal nieder. Der Banater Chor Reutlingen unter der Leitung von Hans Neu umrahmte den Festakt musikalisch.

Ab 17 Uhr erwartete die Besucher im Foyer der Wittumhalle eine Ausstellung mit dem Titel „240 Jahre St.-Michaels-Kirche in Sackelhausen“. Beim Betrachten der Bilder wurden einerseits viele Erinnerungen wachgerufen, und längst vergessen Geglaubtes war plötzlich wieder gegenwärtig. Andererseits blieben das Entsetzen und der Schmerz über den jetzigen Zustand der Kirche nicht verborgen. Eine speziell zu diesem Anlass angefertigte kleine Doppelkarte mit Eckdaten der St.-Michaels-Kirche soll an dieses 240-jährige Jubiläum erinnern. Parallel lief im Foyer eine Filmvorführung, bei der ein von Max Pittner realisierter Film über das Kirchweihfest 2010 gezeigt wurde. Unter dem Motto „Kunst im Kleinformat“ waren beim vorjährigen Heimattag süße Köstlichkeiten in den verschiedensten Variationen zu bewundern. Diesmal vermittelten nur Fotos einen Eindruck von der Backkunst der Sackelhausener Frauen.

Vor den Augen der vierhundert Kirchweihgäste und unter den Klängen der Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen marschierten die zwölf Trachtenpaare in die Festhalle. Angeführt wurde der Kirchweihzug von dem schmucken Vortänzerpaar Bianca und Patrick Schwarz. Mit ihrem jugendlichen Charme und den farbenprächtigen Kirchweihtrachten sind sowohl die Mädchen wie auch die Buben eine besondere Augenweide. Wie jedes Jahr wurde der Kirchweihstrauß verschenkt, diesmal an Inge und Gerhard Schwarz, als Anerkennung für ihren außerordentlichen Einsatz beim diesjährigen Kirchweihfest. Zu den Ehrengästen dieses Kirch-weihfestes zählten neben dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben der Landtagsabgeordnete Dieter Hillebrand sowie die Stadträtinnen Gabriele Gaiser und Elisabeth Hillebrand.

Allen, die zum guten Gelingen dieses Festes beigetragen haben, gilt ein herzliches Dankeschön: Pfarrer Robert Dürbach und den Ministranten, Martin Metz, Hans Neu, dem Banater Chor Reutlingen, Alexander und Steffen Katzenmayer sowie Johann Frühwald samt Blaskapelle, den Trachtenträgern, ihren Eltern und Großeltern, Anni Uitz für die Proben mit den Trachtenträgern, Lissi Schwarz für das Schmücken des Kirchweihstraußes und der Quitten, Hedi Pless für die Pflege und Bereitstellung der Sackelhausener Trachten, Edeltraud Willjung und Hilde Lutz für die Organisation der Ausstellung, Familie Pohr für die Pflege des Sackelhausener Gedenksteines, Erwin Ortinau für die herrlichen Quitten. Dank gebührt auch dem gesamten Vorstand der HOG Sackelhausen, der Hand in Hand dieses Fest organisiert hat.