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Flucht aus dem Banat – Ankunft in Forchheim

Kinder und Erwachsene in Banater Tracht zogen mit den Pfarrern und mit den Ministranten in die Kirche. Fotos: Ernestine Jost

Die Jugendlichen hatten ersichtlich Freude daran, die Banater Leckereien, hergestellt von unseren Banater Landsmänninnen, an die Gäste und Gottesdienstbesucher zu verteilen.

Jeder konnte sich das für diesen Gedenktag schön gestaltete Programmheft als Andenken mit nach Hause nehmen.

Am 28. September 2024 veranstaltete der Kreisverband Forchheim zusammen mit der HOG Kleinbetschkerek einen würdevollen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Martin in Forchheim mit Domkapitular Martin Emge sowie geladenen Gästen aus Kirche und Welt feiern, um der kleinen Gruppe von Landsleuten, meist aus Kleinbetschkerek, zu gedenken, die am 28. November 1944 in Forchheim aus den Waggons eines Güterzuges ausstiegen – nach ihrer langen, unfreiwilligen Fahrt, die am 17. September 1944 in Kleinbetschkerek begonnen hatte.

Geschichte der Flucht nach Forchheim

Vor achtzig Jahren setzten am 28. Oktober 1944 die ersten Banater Schwaben ihren Fuß auf Forchheimer Boden. Aufgrund der angeordneten Evakuierungen aus dem Kriegsschauplatz rund um Temeswar mussten sie sich auf eine unvorhergesehene, lange Reise begeben. Diese unfreiwillige Flucht bedeutete für sie eine Reise ohne die Möglichkeit einer Rückkehr, bzw. einer unglücklichen Rückkehr einzelner Verzweifelter. Sie kamen an in einer fremden Stadt, herausgerissen aus einer intakten, autarken, traditionell strukturierten Welt der alten Heimat. Sie kamen an mit der Erkenntnis, dass sie sich vom Vertrauten – Verwandten, Freunden, Tieren, Haus und Hof, weiten Feldern, Weingärten, der Weite des Banater Heidelandes – nicht richtig hatten verabschieden können und nun mehr als1000 km weit davon waren. Sie kamen mit der Sorge im Herzen, wie es den Zurückgebliebenen oder Vermissten wohl ergehen würde.

Nach sechswöchigem Aufenthalt in den Waggons eines Güterzuges mit viel zu wenig Kleidung, aber mit viel Angst und Bange im Gepäck, kam die Gruppe von überwiegend Kleinbetschkerekern im Forchheimer Bahnhof an. Damen des Roten Kreuzes empfingen sie recht freundlich, Firmeninhaber und Bauern von den Bauernhöfen in der Umgebung boten Unterkunft, Verpflegung und Arbeit in einer Zeit, noch unter dem Nationalsozialismus, in der auch die Forchheimer Einheimischen zusehen mussten, wie sie für sich selbst etwas zu essen organisieren konnten.

Im Archiv von Forchheim und Bamberg forschten Hans Bappert und ich nach irgendeiner Nachricht zu diesem besonderen Ereignis. Doch wir konnten keine einzige Information, geschweige denn ein Foto über die Ankunft dieser ersten Flüchtlinge finden. Nur ein Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Kersbach vom 5. November 1944 belegt, dass drei Banater Flüchtlingsfamilien aus Kleinbetschkerek im Ort untergebracht worden waren.

Die kleine Truppe der „Neubürger“ von Forchheim und Umgebung (Kersbach, Effeltrich und Pretzfeld) gaben sich gegenseitig Halt, trafen sich am Sonntag, fanden Wohnungen oder bauten in den 50er Jahren in gemeinsamer Eigenleistung kleine Häuser. Einheimische Freunde übernahmen Bürgschaften für Darlehen, der Staat gewährte Lastenausgleich. Als Schülerin hörte ich noch in den 60ern aus dem Mund von 10jährigen Klassenkameradinnen: „Die Flüchtlinge bauen sich Häuser mit unserem Geld!“

Doch trotz dieser Anfangsschwierigkeiten, die alle durchstehen mussten, auch die, die später durch Familienzusammenführung, durch weitere Fluchtwellen ab den 80ern nach Forchheim gelangt waren, fanden Banater Schwaben in Forchheim und Umgebung eine neue Heimat.

Ab organisierten sie sich 1956 im Verband der Donauschwaben, feierten Weihnachten und Traubenbälle und besuchten gemeinsam das Annafest. Seit 1980 bildete sich auf Drängen von Mathias Reuter ein Kreisverband der Banater Schwaben aus Rumänien mit dem Vorsitzenden Nikolaus Schwengler. Trachtenpaare nahmen an den großen Festzügen zum Annafest teil, man war aktiv bei Faschingsumzügen dabei, gestaltete den Tag der Heimat des BdV mit, organisierte Kirchweihgottesdienste und -feiern, Adventsfeiern und Weihnachtsgottesdienste, Hilfsmaßnahmen für Rumänien zu Krisenzeiten, Wanderungen zum Karpfenessen mit Musik und gemeinsamem Gesang, Tages- und Mehrtagesfahrten, Heimatortstage. Ein Chor unter Leitung von Helene Huhn wurde ins Leben gerufen, der auch heute noch bei Gottesdiensten und besonders bei Begräbnissen durch ihre Lieder einen Hauch der alten Heimat spüren lässt.

Mittlerweile leben gut integriert ca. 400 Familien mit Banater Wurzeln in Forchheim.

Gedenkgottesdienst zum 80. Jahrestag

In Erinnerung an die Flucht aus Kleinbetschkerek und Ankunft in Forchheim vor 80 Jahren fand am 28. September um 16 Uhr in der Forchheimer St. Martin Kirche ein Gedenkgottesdienst statt. Zahlreiche Landsleute versammelten sich, um das Ereignis gebührend zu würdigen.

Währenddessen ließen sich die Ehrengäste anhand der Infotafel von Hans Bappert das Banat erklären. Vom Landes- und Bundesverband der Banater Schwaben nahm Harald Schlapansky an der Veranstaltung teil.

Das „Stelldichein“ auf dem Kirchplatz wurde von unseren Musikern beeindruckend gestaltet. Ein Blickfang vor der Kirche waren die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Tracht, die draußen vor der Tür Banater Leckereien, hergestellt von unseren Landsmänninnen, an die Gottesdienstbesucher verteilten.

Beim großen Einzug gingen 17 Kinder und Erwachsene in Banater Tracht dem Pfarrer Martin Emge, Pfarrer Mariadas Kalluri und den Ministranten Melanie Neidhart und Jürgen Kirchner in die Kirche voran.

Die Banater Singgruppe unter Leitung von Franz Gottfried Huhn und stimmlicher Verstärkung der Familie Huhn, mit einer Bläsergruppe aus den Banater Landsleuten: Erich Dörner, Alexander Muth, Werner Hehn, Franz Paulus unter der Leitung von Franz Hoffner, mit Harry Metzger mit seiner Gitarre und Werner Nauy am Akkordeon erfüllten den großen Kirchenraum von St. Martin. Durch die Predigt von Pfarrer Emge und die Ansprache der Vorsitzenden Annemarie Obernhuber erfuhren die Gottesdienstbesucher von diesem traurigen Ereignis, vom abrupten Abschied aus einer vertrauten Heimat und dem Neubeginn in einer fremden Welt mit vertrauter Muttersprache und Tradition.

Die anschließende Abendveranstaltung ersetzte das diesjährige Banater Kirchweihfest. Zahlreiche Ehrengäste aus Kirche, unserem Bundesverband, der Politik und Vereinen aus Forchheim beehrten uns. Interessierte Landsleute konnten das Buch „Flucht der Deutschen aus dem Banat im Herbst 1944“ – das auch Erzählberichte über Kleinbetschkerek enthält – erwerben. Das Duo „Klang-voll“ aus Nürnberg verstand es großartig, die Gäste bei guter Stimmung zu unterhalten.

Jeder Gast und Teilnehmer konnte sich ein kleines Heftchen über diesen Gedenktag sowie einen mit Rosmarein geschmückten Apfel oder einer Quitte als Andenken mit nach Hause nehmen.

Lob und Dank für die Organisation

Dankenswerterweise streamte der Mesner Thomas Neidhart den Gottesdienst auf YouTube, Hans Jost filmte und Herr Nikolaus Nauy stellte Film- und Bildmaterial zu dieser Veranstaltung als schöne Erinnerung auf die Homepage von Kleinbetschkerek.

Im Namen des gesamten Vorstandes des Kreisverbandes Forchheim und der HOG Kleinbetschkerek danke ich hiermit ausdrücklich alle, die mitgewirkt haben, dass diese Veranstaltung geplant und durchgeführt wurde.Wieder einmal zeigte sich, wie durch lange und umfangreiche Vorbereitung und viel Engagement beim Kuchenbacken, Trachtenrichten und -anziehen, bei den Proben für Gesang und Musik, beim Konzipieren und Ausdrucken von Einladungen (Ernestine Jost), beim Erstellen von Infomaterial (Johann Bappert), der Organisation der Musik (Werner Nauy), dem Binden der Rosmareinsträußchen (Marlene Nagy und Anni Krier) , dem Saalschmücken für den Abend (Ehepaare Pettendorf, Berwanger, Beisser, Bappert, Jost, Nauy, Obernhuber) und vielem mehr eine großartige und würdevolle Feier auf die Beine gestellt werden konnte. Auch allen Nichterwähnten, z.B. den Fotografierenden und Filmenden, gilt unser ausdrückliches Dankeschön!

Wir danken ebenso allen, die für die Wallfahrtskirche der Banater Schwaben, Maria Radna, gespendet haben. Möge diese Gedenkfeier alle mit Banater Wurzeln ermuntern, das wertvolle Andenken zu hegen und zu pflegen und immer auch mitfühlend und verständnisvoll denen zu begegnen, die heute auf der Flucht sind, die Haus und Hof verlassen müssen, die liebe Menschen auf dem Weg oder durch Krieg verlieren oder verloren haben.

Möge uns allen vergönnt sein, weiterhin ein Leben in Frieden führen zu dürfen und dankbar alles uns Mögliche zu tun, um Frieden untereinander zu bewahren und uns für Freiheit und Demokratie einzusetzen. Dabei helfe uns Gott.