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„Gemeinsam für ein friedliches Europa“ - Auftakt zum Tag der Heimat 2024

Die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebenen Dr. Petra Loibl MdL (zweite von links) mit den Vertretern der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, Dr. Maria Werthan, Richard Jäger und Hans Vastag nach der Kranzniederlegung am Denkmal für die Opfer von Flucht und Vertreibung in Berlin. Hier brennt seit 1955 die „Ewige Flamme“ für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Foto: Thomas Dapper

Der BdV-Vorsitzende Dr. Bernd Fabritius begrüßte zahlreiche Gäste beim Auftakt zum Tag der Heimat 2024 in Berlin. Foto: BdV/bundesfoto

In einer Welt voller Konflikte und einem Europa, in dem wieder Krieg herrscht, hat der Bund der Vertriebenen mit seinem diesjährigen Leitwort zum Tag der Heimat „Heimatvertriebene und Heimatverbliebene: Gemeinsam für ein friedliches Europa“ dazu aufgerufen, sich den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler sowie der deutschen Minderheiten in den Heimatgebieten für den Frieden in Europa als Erbe und Auftrag bewusster zu machen. Redner waren in diesem Jahr neben BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius die Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat Juliane Seifert, der ehemalige Präsident der Republik Lettland und Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Egils Levits sowie die Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung und der Europäischen Union, Prälatin Dr. Anne Gidion.
Ganz im Sinne dieses Leitwortes konnte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius zur Auftaktveranstaltung am 24. August 2024 in Berlin zahlreiche Gäste aus der deutschen Politik, aus dem Diplomatischen Corps, von den deutschen Minderheiten sowie viele engagierte ehrenamtliche Mitstreiter aus den vielfältigen Mitgliedsorganisationen und Partnerverbänden des Verbandes begrüßen. Besonders hieß er eine Delegation der deutschen Minderheit aus Lettland willkommen, die im Programm gemeinsam mit den Anwesenden zwei deutsche Volkslieder sangen.
Staatssekretärin Seifert eröffnete den Reigen der Redner in der Französischen Friedrichstadtkirche. Sie war in Vertretung von Ministerin Nancy Faeser gekommen, die nach dem schrecklichen Anschlag in Solingen nach Nordrhein-Westfalen geeilt war, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.
Verantwortung für deutsche Minderheiten
Die Staatssekretärin erinnerte an die Charta der deutschen Heimatvertriebenen, die auf der Einsicht fußt, „dass eine friedliche Zukunft nur auf Basis von Versöhnung, Aussöhnung und Verständigung zu schaffen ist und eben nicht durch Rache und Vergeltung“. Vor diesem Hintergrund sei der Beitrag der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler für das Zusammenwachsen Europas besonders zu würdigen. Seifert erinnerte daran, dass der frühere Bundeskanzler Willy Brandt schon 1943 ein Europa vorhergesagt habe, in dem die Europäer friedlich leben können. Die heutige Europäischen Union sei ein wichtiger Garant für Rechtsstaatlichkeit, Wohlstand und Sicherheit für weit mehr als 400 Millionen Menschen. Die Brücken, die die Vertriebenen dafür geschlagen hätten, seien im Verlauf der Jahrzehnte zu einem belastbaren Fundament eines geeinten Europa geworden.
Als Vertreterin der Bundesregierung bekannte sich die Staatssekretärin ausdrücklich zur Verantwortung, die der Bund in den 1990er Jahren auch für die deutschen Minderheiten übernommen hätte. Minderheitenpolitik müsse aus Sicht des Innenministeriums zweierlei leisten: Minderheiten in ihrer kulturellen Identität zu fördern und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Vielfalt zu schaffen. Die Bundesregierung fördere die Minderheiten daher trotz der Sparzwänge „vollumfänglich, um beispielsweise in Polen dafür Sorge zu tragen, dass die außerschulische Sprachförderung der dortigen Deutschen verstärkt und intensiviert werden kann oder um in Rumänien sicherzustellen, dass in Siebenbürgen und im Banat Alten- und Pflegeheime weiter betrieben werden können“.
Abschließend betonte Seifert nochmals den Bezug zum Leitwort: „Als Heimatvertriebene und Heimatverbliebene. Als Wegbereiter und Brückenbauer. Ohne ihren Beitrag wäre das Europa, das wir heute kennen, nicht möglich. Ein Europa, das unsere gemeinsame Heimat ist. Lassen Sie es uns gemeinsam bewahren.“
Deutsche Kultur im gemeinsamen Europa
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius nahm unter dem Eindruck des Leitworts die enge Verbindung zwischen den Heimatvertriebenen und den in ihren Heimatländern verbliebenen deutschen Minderheiten in den Fokus. Das heutige Wirken der deutschen Minderheiten in ihren Heimatländern „erinnert uns immer wieder daran, dass die Geschichte nur dann vollständig erzählt ist, wenn Heimatvertriebene und Heimatverbliebene zusammen gedacht werden“, so Fabritius wörtlich. Dialog und die Partnerschaft zwischen beiden müssten weiter gestärkt und grenzüberschreitende Kooperationen als Beispiel und Muster für ein gedeihliches Zusammenleben unter dem europäischen Dach unterstützt werden. Dazu gehöre auch der Einsatz der Bundesregierung für die Rechte der deutschen Minderheiten. So fördere man auch den Frieden in Europa.
Kulturarbeit und Erinnerungskultur, so der BdV-Präsident, seien untrennbar mit dem verständigungspolitischen Engagement verbunden, zumal „die Gesamtheit der Kultur der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler ihre Wurzeln ausnahmslos in Regionen und Landstrichen hat, die nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland liegen“. Dieses Kulturerbe „dem Vergessen preiszugeben oder aus Unverständnis wegzusparen, ist für uns keine Alternative!“, so Fabritius.
Herkunft und kulturelle Verortung seien die Wurzeln der heutigen Arbeit, mit der der BdV und die Landsmannschaften „die Hand in jene Nachbarländer reichen, die historisch betrachtet einmal ‚Vertreiberstaaten‘ gewesen sind“. In diesen Kontext stellte der BdV-Präsident auch die Arbeit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und warnte vor der drohenden Einstellung der Förderung. Der § 96 des Bundesvertriebenengesetzes sei ein klarer Auftrag an die Politik, ihre Verpflichtung ernst zu nehmen und die Kulturarbeit nachhaltig zu unterstützen. Die Vertriebenen mit ihren Verbänden und Institutionen selbst seien sowohl Adressaten als auch Akteure einer erfolgreichen Kulturpolitik. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, Identität und Selbstverständnis der aus der Heimat Vertriebenen zu achten und das Gedenken an die Vertreibung der Deutschen nicht in falsche historische und soziologische Kontexte zu rücken. Hier zog Fabritius eine Parallele zur heutigen Integration von Zuwanderern in Deutschland und betonte: „Nur wenn wir erklären können, was uns ausmacht, können wir (…) zeigen, wie man hier ankommen und Heimat finden kann.“
Zum Ende der Ansprache widmete sich der BdV-Präsident den Themen rund um die Spätaussiedler und die kürzlich verabschiedete Novelle des Bundesvertriebenengesetzes, sprach seinen Dank an alle Unterstützer aus und bekräftigte: „Wir bleiben dran!“ Aufgaben, um die es sich zu kümmern gelte, gebe es weiterhin zuhauf.
Rede zur Lage der Demokratie
Ein besonderer Höhepunkt der Auftaktveranstaltung war die Rede des ehemaligen lettischen Staatspräsidenten Egils Levits, dessen jüdische Familie einst aus der Sowjetunion ausgewiesen worden war. Er selbst hat bis zum Fall des Eisernen Vorhangs in Deutschland studiert und gearbeitet. In der jungen lettischen Republik wurde Levits Botschafter in Deutschland und der Schweiz, später Justizminister und wirkte an den höchsten Europäischen Gerichten. Von 2019 bis 2023 war er Präsident der baltischen Republik Lettland.
In seiner Rede ging Levits aus einer lettischen, aber dezidiert proeuropäischen Perspektive auf die Lage der Demokratie in Europa sowie auf die Rolle der Vertriebenen und der deutschen Minderheiten ein. So betonte er, dass die Vertriebenen durch ihre Schicksalserfahrung „besonders sensibilisiert für die schrecklichen Folgen von Krieg und Vertreibung“ seien und daher eine besondere Verpflichtung zur Stärkung Europas verspürten. Der Wunsch, Flucht und Vertreibung zu ächten und zu verhindern, treffe aber auf eine Realität von Millionen Flüchtlingen weltweit und seit Kurzem auch auf einen neuen Krieg in Europa. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine – als Angriffskrieg „eines der schwersten Verbrechen des Völkerrechts überhaupt“ – sei aber auch Ausdruck eines schwerwiegenden „Systemkonflikts zwischen Autokratie und Demokratie“ und habe wiederum seine Ursache in einer internationalen Krise der Demokratie. Um „die weltweit einzigartige Anziehungskraft der Idee der Demokratie und des Rechtsstaats“ zu erhalten, sei eine fortgesetzte Unterstützung der Ukraine nötig, so Levits.
Abschließend ging Egils Levits nochmals auf die deutschen Heimatvertriebenen und die deutsche Minderheit in Lettland ein. Die Vertriebenen seien „zu einer sehr festen Brücke zwischen den Nationen geworden“, und die gemeinsame Pflege des gemeinsamen kulturellen Erbes trage maßgeblich zur Völkerverständigung bei. Ein anderer Pfeiler dieser Brücke sei auch die deutsche Minderheit in Lettland, in der sich heute Baltendeutsche, Russlanddeutsche und deutsche Auswanderer engagierten. Deren Identität sei wiederum „ein dreifaches Bekenntnis zu ihrem eigenen heterogenen kulturellen Erbe, zur lettischen Nation und zu Europa“.
„Heimat – ein warmes Wort“
Prälatin Dr. Anne Gidion begann ihr empathisches Gedenkwort mit dem Begriff „Heimat“, den sie für alle Anwesenden nachempfindbar und greifbar definierte: „Heimat – es ist ein warmes Wort. Ein geräumiges Wort. Ein Wort für zu Hause. Für vertraute Räume und Zeiten und für Menschen. (… ) Heimat ist, wo jemand herkommt. Wo jemand hingehört, bleibt, zurückkehrt. Was einen Menschen definiert, was seine Grenzen markiert, seine Kriterien. Heimat kann Zimtgeruch sein, Wind im Gesicht, Zitronencremegeschmack.“
Sie nahm die Anwesenden mit auf eine gedankliche Reise von der Ankunft der deutschen Heimatvertriebenen im zerstörten Deutschland, mit allen Widrigkeiten und Herausforderungen, bis hin zu Geschichten von Flucht und Vertreibung, wie sie schon in der Bibel zu finden seien. Jeder Vertriebene habe das Leid von Flucht und Vertreibung individuell erfahren, eines verbinde aber alle: „ein Gott, der mitgeht.“ Das erlebte Leid könne aber auch für das Leid anderer sensibilisieren. Gerade in den heutigen Zeiten, wo so viele Menschen auf der Flucht seien, benötige es diese Empathie.
Bezugnehmend auf das Leitwort des Tages der Heimat sprach die Prälatin von Europa als einem „privilegierten Ort“, den es aber brauche, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Diese könnten nur gemeinsam gelöst werden und nicht im nationalstaatlichen Klein-Klein. Was den Vorfahren passiert sei, das präge uns und gebe uns gleichzeitig zur Aufgabe, uns immerfort einzusetzen für Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenhalt und gegen Gewalt. Die Prälatin schloss mit dem traditionellen Gebet zum Totengedenken am Tag der Heimat, das die Potsdamer Turmbläser mit dem anschließenden Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Felix Mendelssohn Bartholdy würdevoll einrahmten.
Zum Wirken der Landsmannschaften
Für die Landsmannschaft der Banater Schwaben nahm der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar  Leber an der der Eröffnungsveranstaltung zum Tag der Heimat in Berlin teil. Vom Vorstand des Landesverbandes Baden-Württemberg waren der Landesvorsitzende Richard Jäger und der Kulturreferent Hans Vastag anwesend. Dr. Maria Werthan vertrat den BdV-Frauenverband. Peter-Dietmar Leber zeigte sich beeindruckt von den „klaren Aussagen zum Wirken des BdV und der Landsmannschaften einst und jetzt“ und wünschte sich, dass das Lob der Redner sich auch im politischen Alltag auswirken werde. Er stimme Egils Levit zu, dass „die deutsche Kulturarbeit nicht nur für die jeweilige deutsche Minderheit der jeweiligen Staaten wichtig sei, sondern für deren gesamte Gesellschaft.“ Mit der Aussiedlerbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Dr. Petra Loìbl MdL und BdV Präsident Dr. Bernd Fabritius sowie den weiteren Vertretern unserer Landsmannschaft gedachte er danach noch an der „Ewigen Flamme“ der Opfer von Flucht und Vertreibung.
Parallel zu der Auftaktveranstaltung in Berlin fanden in einzelnen Bundesländern eigene Veranstaltungen zum Tag der Heimat statt, gefolgt von Feiern und Gedenken in Kreis- und Ortsverbänden des BdV.