Herbst 2019: Bei einem Besuch in der alten Heimat treffe ich den Bürgermeister von Lovrin, Marius Vasile Graur. Man hat sich viel zu erzählen, hat man sich ja einige Jahre nicht gesehen. Irgendwann kamen wir auf die Kirchweihfeste zu reden und Marius erzählte mir, wie er als Kind dem Kirchweihzug durch die Straßen gefolgt ist, weil ihm die Musik so gut gefallen hat. Was die Jungs da immer wieder riefen, hat er damals nicht verstanden. Und heute, als erwachsener Mann und Bürgermeister des Ortes, würde er sehr gerne wieder eine Kirchweih in Lovrin organisieren. Ich war begeistert von der Idee, sah schon den Kirchweihbaum in der Ortsmitte stehen, die Kirchweihpaare um ihn herumtanzen. Aber dann kam Corona und alles musste auf Eis gelegt werden.
Im Winter 2023 kam mir durch Zufall zu Ohren, dass man am 10. August 2024 in Lovrin Kirchweih feiern will. Schnell habe ich den Bürgermeister kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass wir ehemaligen Lovriner gerne dabei wären, aber lieber eine Woche früher, am 3. August. Marius verwies mich an den Pfarrer Cristinel Bălan, der sagte mir sofort zu: „Die Sitten und Bräuche der Banater Schwaben darf man nicht vergessen.“ Ich vesprach, dass wir ehemalige Lovriner einen Beitrag leisten werden: „Wir werden eine schöne Kirchweih zusammen auf die Beine stellen.“ Und weil im Jahre 1784 Lovrin als deutsche Gemeinde gegründet wurde, wollten wir auch noch „240 Jahre Lovrin“ gebührend feiern.
Die Zustimmung in der HOG Lovrin war sofort da, sogar eine gewisse Begeisterung konnte ich spüren. Zusammen mit Helmut Kierer haben wir die Planung begonnen. Es ist nicht leicht, etwas aus der Ferne zu organisieren. Als dann aber durch Initiative des Pfarrers Bălan das Deutsche Forum wieder gegründet wurde, bekamen wir durch die Vorsitzende Roswitha Retzler eine Ansprechpartnerin, die etwas von Kirchweih versteht. Musik, („Gassemusik“ und Unterhaltungsmusik für den Kirchweihball) sowie Trachtenpaare, die das Ganze mitgestalten, mussten eingeladen werden. Ein Problem war auch das Finanzielle: Anträge wurden gestellt und bald kamen auch die ersten Zusagen zur finanziellen Unterstützung. Bürgermeister Graur war gleich bereit, einen Großteil der Auslagen zu übernehmen.
Am 3. August haben im Banat mehrere Ortschaften Kirchweih gefeiert, deshalb war es schwierig, eine Wunschkapelle oder Tanzgruppe zu finden. Helmut hat dank seiner guten Kontakte nur wenige Tage gebraucht, um die Nadlaker Blaskapelle zu verpflichten. Auch um die Tanzpaare kümmerte er sich. Für eine Kirchweih wie früher braucht man auch die Geldherren, für diese Aufgabe haben sich Ester und Dieter Rennich sowie Herta und Doru Streckfusz gemeldet. Der aus Lovrin stammende Alleinunterhalter Robert Bürger hat ohne zu zögern zugesagt, den Kirchweihball zu spielen. Ab und zu haben wir dem Bürgermeister und dem Pfarrer den Stand der Dinge mitgeteilt und uns ausgetauscht. Ein reger Austausch hat zwischen den Vertretern der HOG und Roswitha vom Forum stattgefunden.
Und dann war es soweit. Am 2. August, nach der Rückkehr von der Wallfahrt nach Maria Radna, hat man sich schon abends vor dem Kulturheim getroffen. Vor den Augen vieler neugieriger Bürger wurde der Kirchweihbaum aufgestellt. Am Morgen des 3. August trafen sich alle Teilnehmer im Lovriner Kulturheim. Zwei Lovriner Tanzpaare von der Tanz- und Trachtengruppe Leimen waren neben dem „Banater Kranz“ aus Temeswar, den „Hatzfelder Pipatsche“, den „Billeder Heiderosen“, den „Vergissmeinnicht“ aus Busiasch und „Banat Ja“ aus Arad mit dabei. Es gab aber auch viele Trachtenträger, die keiner dieser Gruppen zugehörten. Zur großen Freude aller erschienen auch sieben Paare Lovriner Jugendlicher in der Kirchweihtracht der ehemaligen Bewohner von Lovrin. In den Umkleiden gab es für alle Teilnehmer etwas zum Naschen und Getränke. Die Blaskapelle „Nadlacanka“ hat sich indessen in Walzer und Polka geübt. Um Punkt 9 Uhr ertönten zu den Marschklängen die Rufe der „Kirchweihbuwe“: „Buwe was ham mer heit?“ Die Antwort darauf: „Kerweih, Dorscht un schene Mädle“ hat man bestimmt im ganzen Dorf gehört. Die Straße war voller Menschen, die wie vor vielen, vielen Jahren dem Kirchweihzug folgten. In der Pension „La Tusi“ wurden die Vortänzer-Paare abgeholt. Hier wurden noch alle Gäste bewirtet, bevor es zum Rathaus ging. Stolz präsentierte das Erste Geldherrenpaar den (von Edith aus Billed) schön geschmückten „Kerweihstrauß“. Dem Bürgermeister wurde ein Apfel mit Rosmarein überreicht, damit wurde er herzlichst zur Kirchweih eingeladen. Mit der Gemahlin an seiner Seite marschierte er mit dem Kirchweihzug zum Denkmal des Heiligen Petrus, dem Schutzpatron von Lovrin, wo er einen Kranz niederlegte. Nun ging es unter den Klängen der Blaskapelle und den Rufen der „Kerweihbuwe“ weiter zur Kirche.
Beim Einzug in die Kirche wurden bei uns Erinnerungen wach, in einigen Sekunden spielte sich ein ganzer Lebensabschnitt vor unseren Augen ab. Im Namen der HOG begrüßte ich die Ehrengäste und erklärte den Bewohnern von Lovrin in rumänischer Sprache, warum „240 Jahre Lovrin“ gefeiert werden. Roswitha Retzler erläuterte danach den Begriff „Kirchweih“, denn viele der jetzigen Lovriner konnten damit wenig anfangen. Günther Heinrich nahm die Heldenehrung vor, anschließend überbrachte Vizekonsul Siegfried Geilhausen die Grußworte der Konsulin der Bundesrepublik in Temeswar. Die Messe wurde von Generalvikar Msgr. Johann Dirschl zelebriert – teils deutsch, teils rumänisch. Sie wurde vom Billeder Kirchenchor mit deutschen und rumänischen Liedern untermalt.
Nach der Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal ging es zu den Klängen der Blaskapelle zum Kirchweihbaum. Ab jetzt waren die beiden Geldherren gefragt. Nach dem „Kerweihspruch“ begann die Versteigerung des Kirchweihstraußes „nach amerikanischer Art“: Der Wecker wurde gestellt und derjenige, der vor dem Klingeln zuletzt bietet, hat den Strauß gewonnen. Beim letzten Ruf von Karla Wirth war der Klingelton zu hören. Die Enttäuschung, den Strauß nicht gewonnen zu haben, obwohl sie kräftig mitgesteigert hatten, war dem Lovriner Mario Mateas und seinem Kichweihmädel Paula Petrea ins Gesicht geschrieben. Umso größer die Freude, als Karla und Richard den beiden den Strauß schenkten. Der Hut ging an den zehn Jahre alten Andreas Schirkonyer aus Bukarest, das Tuch gewann eine Frau aus Lovrin. Nach dem Ehrentanz für die Gewinner folgte ein Kulturprogramm, wo die beteiligten Tanzgruppen, geleitet von Bogdan Pîrvu, ihre Tänze vorführten.
Mit Marschmusik ging es danach zur Wirtschaft am Marktplatz, rund 220 geladene Gäste nahmen hier eine gemeinsame Mahlzeit ein. Um 19 Uhr traf man sich wieder zum Kirchweihball, wo Robert mit seiner flotten Musik (deutsch und rumänisch) alle Teilnehmer zum Tanzen animierte. Ab 22 Uhr war der Straußtanz angesagt, fast alle im Saal wollten mit Paula tanzen. Bis weit nach Mitternacht haben die Kirchweihpaare und Gäste das Tanzbein geschwungen. Am Sonntag legten noch einige ehemalige Lovriner nach der heiligen Messe auf dem Friedhof zur Erinnerung an unsere Verstorbenen einen Kranz nieder. Nach einem Vaterunser sprach der HOG-Vorsitzende Franz Magamoll einige ehrende Worte.
Es war eine sehr gelungene Veranstaltung. Wir sind der Kirchweih von vor Jahrzehnten sehr nahegekommen und haben uns alle um Jahre jünger gefühlt. Deshalb möchte ich mich bei allen, die zum Gelingen dieser Kirchweih beigetragen haben, herzlichst bedanken: Bei Bürgermeister Marius Graur, bei Pfarrer Cristinel Bălan, beim Deutschen Forum von Lovrin und Temeswar, bei den Mitorganisatoren aus Deutschland, die die örtlichen Organisatoren tatkräftig unterstützt haben. Ein besonderer Dank geht an die Kulturreferentin für den Donauraum für die finanzielle Unterstützung. Danke an alle Mitwirkenden, alle Trachtenträger und Tanzgruppen, die das Programm gestaltet haben. Einen schönen Dank auch an alle, die im Hintergrund für das Wohl der Gäste gesorgt haben. Dem Wunsch des Lovriner Bürgermeisters, dieses Fest auch in den nächsten Jahren zu feiern, stimmen wir zu. Im nächsten Jahr ist aber zuerst einmal unser HOG-Treffen in Pforzheim angesagt.