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Gemeinsame Interessen tragen: Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission in Berlin

Die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, MdB (rechts), und ihre Gesprächspartnerin Clara Staicu, Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten im Außenministerium von Rumänien. Foto: BMI

Abgordneter Ovidiu Ganţ und Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber mit den Vertretern der Präfekturen aus dem Banat Foto: Rainer Lehni

Am 1. und 2. Juli hat in Berlin die deutsch-rumänische Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien getagt. Es war bereits die 27. Sitzung dieses Gremiums, deren Einrichtung auf dem Freundschafts- und Partnerschaftsvertrag zwischen Deutschland und Rumänien aus dem Jahr 1992 basiert. Der Kommission gehören Vertreter von Behörden und Einrichtungen, die in einer bestimmten Form von dieser Problematik tangiert sind: Behörden, sowohl in Deutschland als auch in Rumänien, die die deutsche Minderheit in Rumänien fördern oder deren Anliegen behandeln. In Deutschland sind das das Bundesministerium des Innern mit dem nachgeordneten Bundesverwaltungsamt, das Auswärtige Amt, einige Bundesländer, und die Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen. Sie berichten innerhalb dieses Gremiums über ihr Wirken in Rumänien, Kooperationsveranstaltungen, über die Anliegen ihrer Mitglieder. Von rumänischer Seite gehören das Demokratische Forum der Deutschen, der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, der deutsche Unterstaatssekretär aus dem Department für Minderheiten, das Außen-, Innen-, Bildungs- und Kulturministerium, die Präfekten der Kreise, in denen Deutsche leben aber auch Renten- und Restitutionsbehörden dieser Regierungskommission an. Geleitet wurde die Sitzung in Berlin von den Vorsitzenden, der deutschen Aussiedlerbeauftragten im Bundesinnenministerium Natalie Pawlik MdB, und der rumänischen Staatssekretärin im Außenministerium Clara Staicu. Im kommenden Jahr wird sie in Rumänien stattfinden. Bei den Sitzungen ist auch immer der rumänische Staatspräsident durch einen Präsidialberater vertreten. Diesmal war es zum letzten Mal Präsidialberater Sergiu Nistor, der von den Vorsitzenden der Kommission verabschiedet wurde. Die Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen waren durch ihre Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber und Rainer Lehni vertreten. Diese legten bereits vor der Sitzung umfangreiche schriftliche Berichte über das Wirken der beiden Verbände in Deutschland und in Rumänien vor. Darin wurde das Interesse der Verbände am Erhalt des materiellen Kulturerbes der Deutschen in Rumänien thematisiert, wurden die Interessen der Mitglieder der Landsmannschaft an den diversen Regelungen im Entschädigungs- und Rentenrecht artikuliert, Beispiele einer grenzüberschreitenden und erfolgreichen Jugendarbeit gebracht sowie die Zusammenarbeit zwischen Landsmannschaften und Forum, der Kirche, der politischen Gemeinden, Bildungs- und Kultureinrichtungen hervorgehoben. In den mündlich vorgetragenen Berichten der Bundesvorsitzenden wurden konkrete Anliegen vorgetragen, die zum Teil direkt mit den Vertretern der rumänischen Behörden besprochen werden konnten. Wichtig ist dabei stets die Unterstützung durch den Abgeordneten der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament Ovidiu Ganţ der im ständigen Dialog mit den Ministerien und den nachgeordneten Behörden ist. Denn so bedeutend die persönlichen Begegnungen sind, die wichtige Arbeit findet vor und nach den Sitzungen statt.
Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien sind sehr gut, was alle Mitglieder der Kommission betonten. Dass sie so gut sind, hat auch mit der deutschen Minderheit in Rumänien zu tun. „Deutschland profitiert vom guten Ruf der deutschen Minderheit in Rumänien,“ sagte der deutsche Botschafter in Bukarest, Dr. Peer Gebauer, und er fügte gleich hinzu, auch von der hohen Zahl der mittlerweile in Deutschland arbeitenden und lebenden rumänischen Bevölkerung. „Sie wurden gut aufgenommen“, unterstrich die rumänische Botschafterin in Berlin Adriana Stănescu. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament in Bukarest Ovidiu Ganţ konnte von der Verabschiedung eines „Tages der deutsch-rumänischen Freundschaft immer am 21. April“, durch das rumänische Parlament berichten, der „mehr sein soll als ein formaler Akt.“ Mit diversen Veranstaltungen in Schulen, Hochschulen, Kulturinstitutionen kann er Raum und Rahmen für eine lebendige Auseinandersetzung zu Fragen der deutsch-rumänischen Beziehungen geben. Ganţ unterstrich ferner sein erfolgreiches Bemühen für Entschädigungszahlungen an ehemals politisch Verfolgte während dem kommunistischen Regime sowie nach deren Tod auch an die Kinder. Für die deutsche Minderheit sei ein guter Unterricht in deutscher Sprache wichtig, deshalb sei er froh, dass ein dritter Fachberater aus Deutschland für den deutschsprachigen Unterricht nun in Westrumänien wirke. Insgesamt erteilen 32 Lehrer aus Deutschland in Rumänien deutschsprachigen Unterricht, sagte die Vertreterin des Bildungsministeriums Alexandra Tudor. In 16 Kreisen in Rumänien werden insgesamt 24800 Schüler in Deutsch unterrichtet. Lehrer aus Deutschland sind immer willkommen, auch im Bereich der dualen Ausbildung.
Natürlich wurden auch Zahlen zur Förderung der deutschen Minderheit genannt. Die rumänische Regierung fördert die deutsche Minderheit, deren Wirken und Einrichtungen mit 4,9 Millionen Euro in diesem Jahr. Die Bundesregierung bringt für die deutsche Minderheit in Rumänien in diesem Jahr 5,7 Millionen Euro auf, davon 2,1 Millionen Euro für die deutschen Altenheime und Sozialstationen. Auch wenn es hier Sorgen bezüglich der finanziellen Situation dieser Sozialeinrichtungen gibt – in ihrem Redebeitrag am 24. August zum Tag der Heimat in Berlin hat Bundesinnenminister Nancy Faeser ausdrücklich die Altenheime im Banat und Siebenbürgen als Einrichtungen angeführt, die weiterhin zu fördern sind.
Aufschlussreich waren die Berichte der Vertreter der Präfekturen der Kreise, in denen Deutsche leben. So konnte man erfahren, dass allein im Kreis Sathmar 7800 Anträge auf Entschädigungen von Kindern politisch Verfolgter eingegangen sind, davon 30 Prozent aus Deutschland. Im Kreis Hermannstadt sind es sogar 70 Prozent aus Deutschland bei einer Gesamtzahl von 11165 Anträgen. Landesweit sind es 226000 Anträge. Bezüglich des deutschsprachigen Schulwesens im Kreis Temesch informierte Vizepräfekt Raul Ambrus, dass im Schuljahr 2023/24 im gesamten Kreis insgesamt 2562 Schüler in sieben Schulen deutschsprachigen Unterricht erhalten haben. An der West-Universität und der Politehnica-Hochschule studierten 324 Studenten in den verschiedensten Studiengängen in deutscher Sprache, während an der Medizinischen Hochschule 100 Studenten aus Deutschland immatrikuliert gewesen sind. Die Hochschulen in Temeswar hätten insgesamt 148 Kooperationsabkommen mit Hochschulen in Deutschland abgeschlossen. Auch im Bereich der Städte und Gemeinden funktionierten zahlreiche Partnerschaften. Die Stadt Temeswar unterhalte 19 gemeinsame Projekte mit Partnern in Deutschland, vornehmlich in den Bereichen Bildung und Kultur. Weitere neun Gemeinden und Städte im Kreis unterhielten Paten- und Partnerschaften mit Kommunen in Deutschland. Zuletzt wurde jene zwischen der Gemeinde Darowa und der Stadt Spaichingen, in der viele Darowaer leben, geschlossen.
Bei der letzten Volkszählung 2021 bezeichneten sich im Kreis Temesch 4684 Personen als Deutsche. Dies zeigt, dass das deutschsprachige Bildungsangebot weit über diese Gruppe hinaus angenommen wird. Man kann es auch so formulieren, dass die Minderheit und die deutsche Wirtschaft im Kreis davon profitiert, dass die Mehrheitsgesellschaft sich dafür geöffnet hat.
Im Kreis Arad lebten 2021 insgesamt 1510 Deutsche, die meisten in Arad (516 Personen) gefolgt von Sanktanna (231), Semlak (42), Pankota (88), Lippa (84) und Schiria (48). Diese Zahlen präsentierte der Arader Vizepräfekt Marius Sulincean. Er ist in Engelsbrunn aufgewachsen, weshalb sein Vortrag auch sehr persönlich und emotional hinsichtlich des einstigen deutschen Lebens in der Gemeinde und im Kreis ausgefallen ist.
Von großer Bedeutung für das deutsche Gemeinschaftsleben und darüber hinaus ist die Adam Müller-Guttenbrunn Schule in der Stadt, in der im letzten Schuljahr 939 Schüler einen deutschsprachigen Unterricht erhalten haben. Der Vizepräfekt berichtete auch von neuen Entwicklungen bezüglich der Bewahrung des deutschen Kulturerbes im Kreis, wo im Rahmen allgemeiner öffentlicher Kulturveranstaltungen deutsche Trachten und deutsches Brauchtum präsentiert wurden.
Einen detaillierten Bericht über das deutsche Kulturleben im Kreis Karasch-Severin, über die deutsche Wirtschaft im Kreis (mittlerweile 219 Firmen aus Deutschland mit einem Kapital von 60 Millionen Euro) und über Entschädigungsleistungen für Kinder ehemals politisch Verfolgter nach Deutschland lieferte der Präfekt des Kreises Ioan Dragomir. Das deutsche Kulturleben wirke stark in die Gesellschaft, geprägt werde es von den Banater Berglanddeutschen mit Erwin Josef Ţigla.
Nach der Unterzeichnung des gemeinsamen Protokolls hob die Bundesbeauftragte Pawlik die beständige und konstruktive Zusammenarbeit der Regierungskommission und die bedeutende Rolle der deutschen Minderheit in den deutsch-rumänischen Beziehungen hervor: „Angehörige der deutschen Minderheit nehmen eine verbindende Funktion zwischen Deutschland und Rumänien ein. Für die Verständigung zwischen zwei Völkern gibt es kaum eine günstigere Konstellation als eine große Zahl von Menschen, die in beiden Kulturräumen zuhause ist. Ich bin überzeugt, dass die Minderheiten in den europäischen Staaten essenziell für ein gemeinsames, freiheitliches und sicheres Europa sind“, so die Beauftragte.
Festzuhalten ist, dass gemeinsame Interessen tragen und diese Regierungskommission einen wesentlichen Beitrag leistet, um diese Interessen vor- und zusammenzubringen.