Deutschlands angehende Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in einem zunehmend globalisierten Umfeld. Auslandsaufenthalte sind in der heutigen Zeit unerlässlich für die Erweiterung der kulturellen Kompetenzen und ein Auslandspraktikum während der Praxisphase im Lehramtstudium ist die ideale Gelegenheit, sich ein berufliches und internationales Netzwerk aufzubauen. Miriam Österreicher, geboren 1999 in Karlsruhe mit Banater Wurzeln, wirkt seit vielen Jahren in der Kulturgruppe „Banater Schwabenkinder“ des Kreisverbandes Rastatt mit. Die Studentin für das Grundschullehramt an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe hat ein Auslandspraktikum an der Lenauschule in Temeswar absolviert. Nach ihrer Rückkehr hat der Kreisvorsitzende von Rastatt Dr. Norbert Neidenbach mit ihr über ihre Erfahrungen gesprochen.
Miriam, wie bist Du auf die Idee gekommen, Dein Auslandspraktikum an der Lenauschule in Temeswar zu machen?
Ich habe Temeswar schon öfter mit meiner Familie besucht. Doch ausschlaggebend waren für mich die Heimattage 2023 im Zeichen der europäischen Kulturhauptstadt, die positive und ausgelassene Stimmung in dieser Stadt. Seit Beginn meines Studiums wollte ich schon immer einen Auslandsaufenthalt durchführen, so kam ich auf Temeswar. Ich entschied mich für ein Praktikum an der Lenauschule, weil es eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache ist und auch weil meine Mutter Dagmar und mein Vater Helmut früher zu den Lenauschülern gehörten.
Was musstest Du tun, um zum Ziel zu gelangen?
Die Bewerbung für das Auslandspraktikum verlief ähnlich wie die für die Praktika im Inland, welche ich bereits absolviert habe: Ich schickte ein Bewerbungsschreiben mit per E-Mail an die Direktorin der Lenauschule. Nach zehn Minuten bekam ich die Rückmeldung, dass ich herzlich willkommen sei. Alles Organisatorische regelte ich direkt mit der Direktorin, wie zum Beispiel Übernachtungs- oder Essensmöglichkeiten in der Kantine. So hatte ich die Möglichkeit, in einem Gästezimmer des ehemaligen Internats der Lenauschule zu übernachten. Mein Zimmer hatte ein integriertes Bad mit Dusche. Außerdem gab es Zugriff auf stabiles WLAN, was wichtig war für die Vorbereitung der Unterrichtsstunden. Das Zimmer hatte drei Betten, aber ich wohnte hier sieben Wochen allein und habe mich hier sehr wohlgefühlt.
Wie war die Ankunft als Praktikantin an der Lenauschule?
Tatsächlich habe ich Daniela Malanciuc, die Lehrkraft der Klasse, der ich für zwei Monate zugeteilt war, gleich an der Eingangstür des früheren Internats, das heutzutage als Schule genutzt wird, getroffen. Wir tauschten sofort Telefonnummern aus. Kurz empfing mich die Direktorin Mona Mateiu zum Vorstellungsgespräch in der „großen Schule“. Ich empfand die Atmosphäre als angenehm und das Zusammensein mit den Lehrkräften und der Direktorin war von Beginn an harmonisch. Nach dem Gespräch mit der Direktorin ging es zurück in die „kleine Schule“ (früheres Internat), wo ich von „meiner“ Klasse, in der ich die nächsten zwei Monate hospitieren und auch unterrichten durfte, freudig erwartet wurde.
Wie muss man sich Deinen Tagesablauf vorstellen?
In der Regel fand der tägliche Schulunterricht von acht bis dreizehn Uhr statt. Danach hatten die Kinder die Möglichkeit, ein warmes Mittagessen in der Schulkantine zu sich zu nehmen. Ab 14 Uhr begann die Nachmittagsbetreuung, die jede Lehrkraft individuell für die Kinder anbietet, sofern Bedarf besteht. Zu diesem „After school“-Programm gehört eine Hausaufgabenbetreuung. In der Freispielzeit danach können sich die Kinder individuell beschäftigen. Die Nachmittagsbetreuung endet zu unterschiedlichen Uhrzeiten, da sie nicht durch die Lenauschule, sondern durch die einzelne Lehrkraft organisiert wird. In meiner Hospitationsklasse wurden die Kinder spätestens um 17 Uhr abgeholt. Ich war während meines gesamten Praktikums am regulären Schulbetrieb beteiligt.
Wie hat es mit dem Unterrichten funktioniert?
Von Anfang an habe ich nicht nur hospitiert, sondern auch meine Erfahrung im Unterrichten erweitert. Ich wurde in der Klasse 1A, auch „Schildkrötenklasse“ („Clasa de broasca țestoasă“) genannt, eingesetzt. Dann habe ich aber auch in anderen Klassen hospitiert und unterrichtet, wie zum Beispiel in der zweiten, dritten, anderen ersten Klassen oder auch in der Vorbereitungsklasse („Clasa 0“). Für die dritte Klasse und die Vorbereitungsklasse musste ich das Schulgebäude wechseln, denn die haben ihre Klassenräume auf dem Domplatz.
Während ich da war, wurde eine Projektwoche durchgeführt, die sogenannte „Woche anders“. In diesem Rahmen führte ich mit einigen ersten und zweiten Klassen Tanzstunden durch. Größtenteils Zumba, doch teilweise auch Volkstänze, wie zum Beispiel „Brüderchen, komm tanz mit mir“. Allerdings sind die Kinder der Lenauschule im Tanzen von deutschen Volkstänzen sehr fit, da nahezu jede Klasse regelmäßig Tanzunterricht von Hansi Müller bekommt.
Welche Fächer hast Du denn an den Klassen unterrichtet?
Ich habe alle Fächer unterrichtet, mit Ausnahme von Rumänisch, Sport und Religion. Hauptsächlich Deutsch, Mathematik, Englisch, Sachunterricht und Kunst.
War es eine große Umstellung in einer anderen Schule, in einem anderen Land zu unterrichten?
Dadurch, dass die Lenauschule eine deutsche Unterrichtssprache hat, war es keine sehr große Umstellung. Auch hier gibt es einen Lehrplan, an den sich die Lehrkräfte halten müssen. Auch hier ist es wichtig, dass man bei der Unterrichtsplanung die zu unterrichtende Klasse im Fokus hat. Trotzdem ist manches anders. Für das Fach „Deutsch“ nutzt die Schule Schulbücher aus Deutschland, für alle anderen Fächer werden Schulbücher aus Rumänien verwendet. Der Lehrplan in Rumänien unterscheidet sich stark von dem Bildungsplan in Deutschland. Es handelt sich ja um Länder mit unterschiedlichen Kulturen und Bildungssystemen.
Wie war Dein Zugang zu Schülern und Eltern?
Die Schülerinnen und Schüler haben mich sehr herzlich aufgenommen und wollten mich gegen Ende auch nicht gehen lassen, ich wurde sogar zu Geburtstagen eingeladen. Auf die Erziehungsberechtigten ging ich offen und selbstbewusst zu, das kam gut an. Die Interaktion mit den Eltern blieb aber rein oberflächlich, da meine Sprachkenntnisse für intensivere Gespräche leider nicht ausreichten.
Temeswar ist eine multikulturelle Stadt, mit einem sehr reichen Kulturangebot. Konntest Du das nutzen?
Ab ungefähr 17 Uhr hatte ich erst Zeit, durch die Stadt zu flanieren. Aber es gab auch eine Woche Ferien, da konnte ich die Stadt näher erkunden und besuchte einige Abendveranstaltungen in der Oper oder im Deutschen Staatstheater.
Wie hast du die Wochenenden verbracht? Haben sich persönliche Kontakte in der Stadt ergeben?
Die Wochenenden habe ich bei Freunden meiner Eltern verbracht. Das war gut, um meine Kenntnisse in der rumänischen Sprache zu intensivieren, da dort niemand deutsch spricht. Meine „Gasteltern“ haben eine Tochter und zwei Enkelkinder, mit denen ich Rumänisch gesprochen habe. Zur Not konnte man sich auch mit Englisch behelfen.
Hattest du Kontakt zum Deutschen Forum oder den deutschen Gruppen in Temeswar?
Na klar. Ich durfte während meines gesamten Aufenthalts bei den Tanzproben mitmachen: Beim „Banater Kranz“ unter der Leitung von Daniela Malanciuc und bei den „Banater Spatzen“ unter der Leitung von Hansi Müller. In beiden Tanzgruppen lernte ich mit großem Erfolg den neuen DBJT-Gemeinschaftstanz „Die alte Linde“ ein. Zusätzlich besuchte ich die Tanzgruppe „Banater Rosmarein“ unter der Leitung von Edith Singer. Man hat mich auch eingeladen, die Tanzgruppe auf dem Faschingsball in Busiasch zu unterstützen, der mir sehr gut gefiel. Zunächst marschierten alle Teilnehmenden gemeinsam auf, anschließend tanzten sie die Gemeinschaftstänze der DBJT sowie die von Hansi Müller zusammen.
Ich habe mich auch mit Banater Schwaben, die aus Deutschland zu Besuch waren, zum Beispiel Christine Neu oder Dieter Probst, in Temeswar getroffen, und mit ihnen an Veranstaltungen teilgenommen, an einem Tag sogar gleich an vier: an der Worschtkoschtprob 2024 in Lowrin, an einer Kunstausstellung des Deutschen Wirtschaftsclubs in Temeswar, an einem Konzerte im Musiklyzeum und, um den Abend ausklingen zu lassen, an einem gemütlichen Restaurantbesuch.
Was hat dir persönlich diese Zeit in Temeswar neben dem beruflichen Aspekt gebracht? Hast du Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen gewonnen?
Neben der enormen beruflichen Weiterbildung hat der Auslandsaufenthalt meine Selbstständigkeit gestärkt, ich musste mich ja in einer fremden Umgebung allein orientieren. Auch habe ich meinen Bekanntenkreis erweitert, habe neue Freunde gefunden. Zusammen mit der Tanzgruppe „Banater Kranz“ habe ich gelernt, Röcke in Falten zu legen sowie Tücher zu bemalen, beziehungsweise zu bedrucken. Diese Fertigkeiten könnten mir eventuell in naher Zukunft von Nutzen sein.
Würde es Dir leidtun, wenn Du diese Erfahrungen nicht gemacht hättest?
Ich bin enorm dankbar für die beruflichen, tänzerischen und persönlichen Erfahrungen, die ich während meines Auslandsaufenthalts in Temeswar machen konnte. Ein Auslandspraktikum würde ich sofort wieder machen. Auch kann ich jedem, der sich für ein Auslands-
praktikum interessiert, die Lenauschule empfehlen, denn hier wird man wertschätzend und respektvoll aufgenommen und es herrscht ein sehr harmonisches, kooperatives Miteinander.
Danke dir für das Gespräch!