Schon eine Stunde vor Beginn war der Goldene Saal des Augsburger Rathauses voll. Hunderte kamen zu einem Ereignis, das es bis dahin noch nie gegeben hatte: einen offiziellen Empfang der Stadt Augsburg für die Landsmannschaften. Motor für die Veranstaltung war die CSU-Stadträtin Dr. Hella Gerber, die auch BdV-Vorsitzende und Kreisvorsitzende der Banater Schwaben in Augsburg ist. Sie wollte sich nicht damit abfinden, dass die Heimatvertriebenen, die Aussiedler und Spätaussiedler als Gruppen nicht wahrgenommen werden, zumal sie in vielen Bereichen des städtischen Lebens präsent sind und sich einbringen. Mit Unterstützung weiterer Stadträte, die gern und oft bei den Veranstaltungen der Banater Schwaben, der Siebenbürger Sachsen, der Russlanddeutschen, der Sudetendeutschen oder des BdV dabei sind, wurde der Empfang für Juni 2024 terminiert – gerade noch rechtzeitig, bevor der Goldene Saal wegen Renovierung für längere Zeit geschlossen wurde.
„Die in Augsburg ansässigen Landsmannschaften mit ihrer Geschichte, ihren Traditionen und ihrem regen Vereinsleben sind ein wichtiger Bestandteil des städtischen Lebens.“, betonte Oberbürgermeisterin Eva Weber in ihrem Grußwort. Die Leiterin des Büros für gesellschaftliche Integration Dr. Margret Spohn, in deren Zuständigkeit die landsmannschaftlichen Gruppen fallen, fungierte als Gastgeberin und zeigte sich beeindruckt von dem großen Interesse an der Veranstaltung. Schon von weitem wurden die Besucher von den Klängen der Musikkapelle der Banater Schwaben Augsburg unter der Leitung von Gerhard Hipp begrüßt. Sie wechselte sich bei der musikalischen Umrahmung des Abends mit der Siebenbürger Blaskapelle aus Augsburg (Dirigent: Siegfried Krempels) ab. Auch die Chöre dieser beiden aktivsten Landsmannschaften waren zugegen: Der Chor der Banater Schwaben unter der Leitung von Aniko Oster machte den Auftakt ins Programm, der Chor der Siebenbürger Sachsen (Leitung: Elfriede Ungar) sang zum Ausklang.
Hochkarätige Gäste aus der Stadt- und Landespolitik
Hochkarätige Gäste aus der Stadtpolitik waren anwesend, neben der Oberbürgermeisterin die zweite Bürgermeisterin und Bildungsreferentin Martina Wild, der dritte Bürgermeister Bernd Kränzle, Alt-Bürgermeister Dr. Kurt Gribl, Vertreter des Stadtrats und auch des Bezirksrats. Gekommen waren auch die Vertreter der Landsmannschaften auf lokaler und auf Landesebene. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben war durch den Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden Harald Schlapansky vertreten.
Das Protokoll der Grußworte geriet etwas aus den Fugen, weil der Festredner des Abends Dr. Ortfried Kotzian in Brünn festsaß, der Zug hatte sechs Stunden Verspätung. Auch die Aussiedlerbeauftragte der Staatsregierung Dr. Petra Loibl verspätete sich aus Termingründen, doch das tat der Stimmung keinen Abbruch. So wurden eben die Einsätze der beiden Tanzgruppen – auch wieder der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen – eingeschoben. Beide Darbietungen wurden mit großer Begeisterung und Applaus gefeiert und das Programm kam problemlos wieder ins Lot.
Dr. Petra Loibl berichtete davon, wie viele Termine sie seit ihrem Amtsantritt bereits wahrgenommen hatte – bei den Heimattagen der Sudetendeutschen, der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen an Pfingsten hatte sie einen regelrechten Termin-Stress. Doch sie sei fasziniert von der facettenreichen Brauchtumspflege und dankbar dafür, so viel Einblick in die rege Aktivität all dieser Vereine zu bekommen, auch jetzt wieder hier in Augsburg. Die BdV- und Banater Kreisvorsitzende Dr. Hella Gerber zeigte sich erfreut darüber, dass dieser schon oft verschobene Empfang nun tatsächlich stattfinden konnte und dass dies nur der Auftakt zu weiteren Empfängen der Landsmannschaften im Zwei-Jahres-Rhythmus ist. Auch durch ihre Mitwirkung und die Unterstützung ihrer Fraktionskollegen sei dies im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Stadtregierung festgelegt worden. Der Empfang war jedoch nicht nur als nettes Beisammensein ausgelegt, sondern beinhaltete auch einen „Fachtag“ mit Informationen zu den geschichtlichen Zusammenhängen und der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation der Vertriebenen und Aussiedler. Deshalb war für den Fachvortrag der kompetente Vorsitzende der Sudetendeutschen Stiftung Dr. Ortfried Kotzian vorgesehen. Er war in seiner aktiven Berufszeit Leiter des Augsburger Bukowina-Instituts gewesen, danach Direktor des Hauses des deutschen Ostens in München. In beiden Funktionen war es ihm stets ein Anliegen, Aufklärungsarbeit über die Herkunftsgebiete der Vertriebenen und Aussiedler zu leisten. Da er nun nicht rechtzeitig anreisen konnte, schickte er seine Präsentation (Titel: „Deutsche aus dem Osten und Südosten Europas in Augsburg“) kurzerhand an Luzian Geier, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bukowina-Instituts und Vorstandsmitglied im Kreisverband der Banater Schwaben, im früheren Berufsleben langjähriger Redakteur der Banater Zeitung in Temeswar. Er nahm die Herausforderung an, sodass das Wissen aus dem Vortrag doch noch an die Zuhörer gelangte.
Podiumsgespräch mit mehreren Generationen
Das war auch nötig, zumal danach noch ein „intergenerationales Podiumsgespräch“ auf dem Programm stand. Moderatorin Margret Spohn hatte von vier verschiedenen Vertriebenengruppen in Augsburg je zwei Vertreter eingeladen – einen aus der jüngeren und einen aus der älteren Generation.
Für die Banater Schwaben saßen Dr. Hella Gerber und Dr. Herta Slavik auf dem Podium, die Siebenbürger Sachsen waren durch Ute Bako und Andreas Wölfel vertreten, die Russlanddeutschen durch Thomas Kromer und Arnold Pagel und die Sudetendeutschen durch Heinrich Bachmann und Andreas Jäckel. Die Fragen der Moderatorin zielten darauf ab, Heimat und Zugehörigkeit bei den Anwesenden zu umreißen, die jeweilige Identität abzuklopfen. Obwohl die Zeit bei den vielen Teilnehmern eng bemessen war und die Antworten nur knapp ausfallen konnten, war erkennbar, wie groß die Unterschiede zwischen den einzelnen Generationen und auch den einzelnen Gruppen zum Teil sind. Gerade deshalb, so auch das Fazit am Schluss, sei es sinnvoll, aufzuklären, zu informieren und Vorurteile jeder Art abzubauen.
Der Empfang endete im Oberen Fletz, wo ein Buffet aufgebaut war. Die Musikkapellen hatten auch bereits ihren Standort gewechselt und spielten abwechselnd. Eine besondere Attraktion war das Kuchenbuffet, das die Koch- und Backgruppe des Kreisverbandes Augsburg der Banater Schwaben in tagelanger Kleinarbeit liebevoll bestückt hatte. Man tauschte sich aus, kam ins Gespräch und genoss den Abend. Genau so war er gedacht, der „Empfang der Landsmannschaften“.