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Solidarität der Deutschen über Grenzen und Generationen

Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung

Das Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz (BVFG) war Garant für die erfolgreiche Integration der vertriebenen Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland und hat – anders als viele vielleicht denken – nach wie vor Zukunft. Dies sagte der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, bei der Tagung „Sechzig Jahre Bundesvertriebenengesetz“ am 19. April im Haus des Deutschen Ostens in München. Der kollektiven Beschuldigung der Deutschen im Osten sei nach dem Krieg eine kollektive Solidarität entgegengesetzt worden, die geholfen habe, das Kriegsfolgeschicksal zu bewältigen. Zur Zukunft des BVFG stellte der Aussiedlerbeauftragte fest, dass „die Eigenständigkeit der Aussiedlerpolitik innerhalb der Zuwanderungspolitik bewahrt und Restriktionen bei der Aussiedlung Russlanddeutscher aufgehoben werden müssen“. Für die Förderung der deutschen Minderheiten im Osten verlangte Dr. Bergner „dauerhafte, gesetzlich verankerte Strukturen“. Er plädierte für partnerschaftliche Beziehungen zwischen den Landsmannschaften und den Verbänden der in der Heimat verbliebenen Deutschen, für eine Solidarität der Deutschen über Grenzen und Generationen hinaus aufgrund des Kriegsfolgeschicksals, aber auch – was zunehmend in den Vordergrund treten werde – aufgrund der Präsenz Deutscher in Ost- und Südosteuropa als Teil einer euro-päischen Siedlungsgeschichte.

Thema vieler Arbeitsgruppen im Freistaat Bayern

Eine durchwegs positive Bilanz der bayerischen Vertriebenenpolitik zog Ministerialrat Dr. Wolfgang Freytag vom Bayerischen Sozialministerium. Schwerpunkte und Aufgabenbereiche hätten sich im Laufe der Zeit gewandelt, im Mittelpunkt stehe die Kulturarbeit. „Wir fördern Projekte im In- und im Ausland, schauen nicht, ob eine Landsmannschaft groß oder klein ist, sondern auf die Qualität der Arbeit“, sagte Dr. Freytag. Das Haus des Deutschen Ostens erfülle in diesem Konzept eine wichtige Funktion. Sechs Millionen Euro stellt der Freistaat für ostdeutsche Kulturarbeit in diesem Jahr bereit, die Hälfte davon über das Wissenschaftsministerium. Überzeugend schilderte Dr. Freytag auch die Aktivitäten des Freistaates in diversen Arbeitsgruppen mit den Staaten Ost- und Südosteuropas, in denen auf Regierungsebene immer auch Probleme aus dem Vertriebenenbereich angesprochen werden. Für die Zukunft zeigte er sich optimistisch: „Das BVFG bleibt aktuell.“

Die späte Gedenkstätte in Berlin

Als eine „späte Frucht“ des Bundesvertriebenengesetzes bezeichnete der Historiker Prof. Dr. Manfred Kittel die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin, deren Aufgabe es ist, eine Stätte der Erinnerung an Flucht und Vertreibung zu schaffen mit dem Schwerpunkt auf die Deutschen aus dem Osten. Kittel, Direktor der Stiftung, zeichnete den öffentlichen Diskurs der Vertriebenenproblematik in der Bundesrepublik nach und machte mehrere Faktoren dafür verantwortlich, dass eine solche Gedenkstätte erst so spät entstanden ist. Dafür seien zum einen die Vertriebenen selbst verantwortlich gewesen („Wir wollen noch nicht ins Museum“), ihre schwache Vertretung in den Parlamenten, eine Überanpassung im Alltag und in der Öffentlichkeit und das Desinteresse der einheimischen Bevölkerung. Zum anderen hätte eine solche Einrichtung auch Fragen berührt, die offengehalten wurden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Grenzfragen), die spannungsgeladen waren (Versöhnungsproblematik, Kalter Krieg) oder über die man nicht sprechen wollte (Rolle der Angloamerikaner bei der Vertreibung der Deutschen). Die Situation in den siebziger Jahren wäre laut Kittel geeignet gewesen, eine zentrale Gedenkstätte zu schaffen. Bundeskanzler Willy Brandt hatte mit der Einschätzung „was draußen verlorengegangen ist, muss drinnen geschaffen werden“ und dem Versuch der Gründung einer Deutschen Nationalstiftung in Berlin mit Berücksichtigung der Vertriebenen in diese Richtung einen Versuch unternommen, der am Veto der Sowjets gescheitert sei. Der Schriftsteller Günter Grass wollte an den Vertriebenenverbänden vorbei ein Ostdeutsches Museum in Kassel errichten – das Vorhaben scheiterte. Anfang der neunziger Jahre, nach der politischen Wende im Osten, seien die Landsmannschaften zu sehr mit sich selber beschäftigt gewesen, so dass erst die täglichen Bilder des Jugoslawien-Konflikts mit Flucht und Vertreibung auf den Bildschirmen, der Roman „Krebsgang“ von Günter Grass oder die Initiative von Erika Steinbach und Peter Glotz das Augenmerk wieder auf die deutsche Vertreibungsgeschichte gelenkt hätten. 

Hilfe aus dem Ausland für Adalbert-Stifter-Verein

Aufschlussreich waren zwei weitere Vorträge zu Einrichtungen, die sich mit dem ostdeutschen Kultur-erbe beschäftigen. Dr. Peter Becher stellte den Adalbert-Stifter-Verein München vor, der zur Zeit der Rot-Grünen Bundesregierung beinahe dem Rotstift zum Opfer gefallen wäre. „Gerettet hat uns der tschechische Staatspräsident und der tschechische Pen-Club, die sich für uns eingesetzt hatten“, sagte der Geschäftsführer des Vereins.

Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg wurde von der Direktorin der Einrichtung, Dr. Agnes Tieze, vorgestellt. Es beherbergt auf einer Ausstellungsfläche von 2500 Quadratmetern 2000 Gemälde, 500 Skulpturen und 30 000 Grafiken.

In Österreich war es schwieriger

Die Tagung in München wurde von der stellvertretenden Direktorin des HDO, Brigitte Steinert, und von Dr. Meinolf Arens (Universität Wien) moderiert. Arens versäumte es nicht, Vergleiche zwischen der Vertriebenenpolitik in Österreich und jener in Deutschland zu ziehen, wobei die Alpenrepublik nicht gut abschnitt. Ohne ein Vertriebenengesetz waren die  Flüchtlinge und Vertriebenen in Österreich nicht geschützt, weder im rechtlichen noch im kulturellen Bereich. Viele Flüchtlinge seien noch in den fünfziger Jahren ausgewiesen worden. Eine Rolle habe dabei sicher die negative Einstellung der österreichischen Eliten gegenüber den „Reichsdeutschen“, aber auch gegenüber den „Altösterreichern“ gespielt.

Die Landsmannschaft der Banater Schwaben war bei der Tagung durch ihren Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber vertreten, der sich mit Referenten und Tagungsteilnehmern über Belange der Banater Schwaben und des Verbandes austauschen konnte.