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Studentische Begegnungen mit dem Banat

Die Reisegruppe aus Deutschland auf dem Billeder Kalvarienberg

Trachtenzug zum Capitol-Saal, wo das Festprogramm zu den diesjährigen Heimattagen der Banater Deutschen stattfand

Die zu den diesjährigen Heimattagen der Banater Deutschen angereisten Trachtengruppen aus Frankenthal, Karlsruhe und Singen präsentierten in Guttenbrunn Volkstänze. Einsenderin d. Fotos: Heidi Müller

Mit der Teilnahme an der Busfahrt von Süddeutschland nach Temeswar zu den dort stattfindenden Heimattagen der Banater Deutschen haben wir – Franziska Veit und Melanie Bitzer – Gefilde betreten, die uns zum Teil schon aus der Theorie vertraut waren. Im Rahmen unseres Studiums in Tübingen führten wir in einer Projektgruppe mit neun weiteren Studenten und Studentinnen Interviews mit Vorsitzenden von Heimatortsgemeinschaften und betrieben konzentrierte Lektürestudien zur Geschichte der unter den Sammelbegriff „Donauschwaben“ fallenden Volksgruppe. In eineinhalb Jahren intensiver Recherche erhielten wir Kenntnisse zur vergangenen und gegenwärtigen Lebenssituationen der donauschwäbischen Bevölkerungsgruppen. Die Ergebnisse unserer thematischen Beschäftigung waren vom 18. Oktober 2012 bis 3. Februar 2013 in der Ausstellung „Heimatsachen“ im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zu sehen.

Viele Erzählungen über das Leben in den ehemaligen Siedlungsgebieten der donauschwäbischen Gemeinschaft, unter anderem im Banat, hatten uns neugierig gemacht, so dass wir die Gelegenheit, an der Fahrt ins Banat teilzunehmen, von Anfang an als großes und willkommenes Geschenk empfunden haben. Das erste Aufeinandertreffen im Bus mit den Tanzgruppen aus Karlsruhe und Frankenthal sowie mit den Weinbergmusikanten war ein herzliches und interessiertes. Niemand konnte unsere Gesichter zunächst einordnen, wodurch wir uns immer wieder der Frage gegenübergestellt sahen, ob wir schon mal im Banat gewesen seien oder ob ein persönlicher Bezug zu den Banater Schwaben bestehe. So sehr hier alles ganz typisch wie bei Reisegruppen verlief, so eigen war doch das Gepäck der Gruppen. Große, selbstgezimmerte Kisten, die wie Schatztruhen aussahen, dienten der Aufbewahrung der aufwändig vorbereiteten Trachten. Tortenbehälter aus Kunststoff wurden zweckentfremdet: Sie dienten Kirchweihhüten als Schutz und Transportbehältnis.

Auf der Busfahrt bot man uns immer wieder mal Kipferl, Strudel oder Schnaps an. Durch eine Tombola und gemeinsames Singen gestaltete sich die langatmige Fahrt etwas kurzweiliger. Die gesamte Stimmung im Bus war ausgelassen. Nach einiger Zeit konnten wir uns sogar mit der vom Tonband ablaufenden Blasmusik arrangieren. Um Mitternacht bot sich uns in der Nähe von Passau ein besonderes Ereignis, welches deutlich machte, dass die Freude am gemeinsamen Tanzen die Gruppen verbindet. Halb verschlafen und noch vom Sitzen im Bus gebeutelt, bildeten sich Tanzpaare und tanzten im Jogginganzug gleich neben der Tankzapfsäule auf volkstümliche Musik, die aus den Lautsprechern des Busses zu hören war. Dem ankommenden Lkw-Fahrer muss es wie uns gegangen sein: So etwas haben wir noch nicht gesehen! Dieses fast surreale Erlebnis hat uns freudig auf die kommenden Tage gestimmt. Schlaftrunken und froh, die Nacht im Bus überstanden zu haben, wartete ein Frühstücksbüffet in Tschanad auf uns. Tschanad, wie auch die weiteren Dörfer, die wir bis nach Temeswar durchfuhren, schienen uns von ihrem äußeren Erscheinen und vom Eindruck, den wir aus den Fensterscheiben des Busses gewinnen konnten, nicht fremd. Ganz im Gegenteil: So hatten wir uns die Dörfer vorgestellt. Wir waren weder überrascht noch enttäuscht.

Kaum in Temeswar angekommen, erhielten wir dank einer Stadtführung eine erste Orientierung. Die historischen Gebäude des Stadtzentrums wirkten auf uns durch ihren eigentümlichen Charme sehr reizvoll. Die bedeutungsvolle Geschichte der Stadt kann an vielen Stellen erahnt werden. Für uns war der Besuch in der Kathedrale der Heiligen drei Hierarchen die erste Besichtigung einer orthodoxen Kirche. Schon am ersten Tag der Reise waren wir von dem Neuen und Unbekannten überwältigt. Diesen Tag ließen wir abends in Billed ausklingen. Den zweiten Tag verbrachten wir mit der Reisegruppe der Heimatortsgemeinschaft Nitzkydorf im heutigen Nitchidorf. Diese war ebenfalls zu den Kulturtagen nach Temeswar angereist, und wir wollten ihre herzliche Einladung nicht abschlagen, uns den Ort anzuschauen, den wir in unserer Ausstellung so oft als Modell gesehen hatten. Der herzliche Empfang der Dorfbewohner in Nitzkydorf, die Besichtigung der Schule, ein langer Spaziergang durch das Dorf und das heitere Fest am Abend, an dem wir sogar mit jetzigen und ehemaligen Dorfbewohnern tanzten, werden uns als besondere Momente der Begegnung mit dem Land und seinen Leuten in Erinnerung bleiben.

Am Samstagvormittag erfolgte dann die feierliche Eröffnung der Heimattage im Opernhaus in Temeswar. Bereits im Vorfeld wurde uns immer wieder von dem prächtigen Opernsaal vorgeschwärmt, der imposant auf seine Besucher wirkt. Die vielen Grußworte zeigten noch einmal nachhaltig, wie Komplex die Begriffe Heimat und Identität sind und wie schwierig es ist, allgemeingültige Kategorien dafür zu finden. Letztendlich muss jeder individuell diese Begriffe für sich definieren und inhaltlich ausfüllen. Am Spätnachmittag ging das Festprogramm im Capitol-Saal weiter, bei dem diverse Musikkapellen, Chöre sowie Tanz- und Trachtengruppen ihr Können vorführten. Donauschwäbische Trachten hatten wir im Ulmer Museum zwar schon gesehen und in laienhafter Manier auch selbst anprobiert; wie nun aber die Frauen, Männer und Jugendlichen ganz verwandelt in diesen Trachten vor dem Capitol auf ihren Auftritt warteten, hat uns sehr beeindruckt. Abends auf dem Tanzball im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus staunten wir nicht schlecht, als wir sahen, wie munter die Kinder und Jugendlichen trotz des seit Tagen vorherrschenden Schlafmangels waren. Wir dagegen fühlten uns an diesem Abend zu müde, um unser Tanzbein noch zu schwingen, und die nötige Übung fehlte uns wahrscheinlich auch dafür.

Leider regnete es den ganzen Sonntagvormittag. Wir konnten beobachten, wie die gestärkten Röcke mit tütenartigen, transparenten Regencapes vor der Nässe während des Trachtenaufmarsches durch die Stadt geschützt wurden. Auch die Jugendlichen trotzten dem Wetter und langen Wartezeiten tapfer. Ungeachtet des zeitintensiven Programms herrschte auf der Rückreise im Bus noch ausgelassene und beschwingte Stimmung. Beschenkt mit vielen Eindrücken und Begegnungen kehrten wir in unsere augenblickliche Heimat zurück. Wir möchten uns noch einmal ausdrücklich bedanken für die impulsgebenden Tage und die Chance, dabei sein zu dürfen. Viele Eindrücke, persönliche Gespräche und Herzlichkeit bleiben uns in bester Erinnerung.