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Deportationsentschädigung – Anrechnen, ja oder nein?

Banater Schwaben in der Deportation in der Sowjetunion. Foto: Archiv Banater Post

Banater Schwaben in der Deportation in der Sowjetunion. Foto: Archiv Banater Post

Zur Rechtsnatur der Entschädigungszahlung nach Dekret 118/1990 – Aktueller Sachstand: Die Rehabilitierung für politische Verfolgung in Rumänien (zum Beispiel Deportation in die Sowjetunion oder die Bărăgan-Steppe, politische Verhaftung, Zwangswohnsitzverfügung usw.) wurde vom rumänischen Staat im Dekret-Gesetz (DL) 118/1990 geregelt, durch Gesetz 211/2013 auf Betroffene im Ausland unabhängig von der Staatsangehörigkeit, durch die Gesetze 130/2020 und 232/2020 auf Kinder von Betroffenen und durch Gesetz 71/2022 auf Stiefkinder ausgeweitet. Kinder und Stiefkinder haben dabei einen eigenen Leistungsanspruch, der nicht von den Eltern „abgeleitet“ wird, sondern eine Direktentschädigung für Defizite in der eigenen Kindheit („Kinder ohne Kindheit“) darstellen soll.

Da vermehrt Rückfragen zur Anmeldepflicht beziehungsweise Anrechenbarkeit dieser monatlich für politische Verfolgung und Benachteiligung zu Zeiten des kommunistischen Unrechtsregimes in Rumänien gezahlten Entschädigung für Berechtigte in Deutschland gestellt werden, soll nochmals zur Rechtsnatur dieser Zahlung Stellung genommen werden:

Gem. Art. 7 Abs. 1 des Entschädigungsgesetzes 118/1990 sind die Entschädigungszahlungen Sonderleistungen als Entschädigung für konkret benannte Sachverhalte von politischer Verfolgung und von einer Anrechnung auf andere Sozialleistungen (Wohngeld, Schüler- und Studentenbeihilfen und andere vergleichbaren Leistungen) ausgenommen. Sie dürfen bei Prüfung von Einkommensgrenzen, zum Beispiel für Wohngeld oder Wohnberechtigungen, nicht berücksichtigt werden. Gem. Art. 7 Abs. 2 sind die Entschädigungsleistungen steuerfrei und bezugsneutral für andere Sozial- und Rentenleistungen.

Die Leistung entspricht damit vom Leistungszweck und der rechtlichen Einordnung einer Entschädigungsleistung nach der Richtlinie über eine Anerkennungsleistung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter vom 7. Juni 2016 (ADZ-Richtlinie) in Deutschland. Es ist keine „Rente“, sondern eine monatliche Sonderleistung nach Entschädigungsrecht. Es ist auch nicht eine Leistung „aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ und auch keine Ersatzleistung an Stelle einer solchen, selbst wenn die Auszahlung durch die Rentenkasse in Rumänien erfolgt. Genehmigt wird diese Leistung nämlich nicht vom Rentenamt CJP (Casa Judeţeană de Pensii), sondern dem Grunde nach von dem rumänischen Entschädigungsamt AJPIS (Agenţia Judeţeană pentru Plăţi și Inspecţie Socială). Der Rentenzahlstelle wurde nur die Auszahlung dieser Entschädigungsleistung aus dem für Entschädigungen vorgesehenen Haushalt übertragen, nach Erhalt des Genehmigungsbescheides seitens der Entschädigungsbehörde AJPIS.

Auf Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung, Sozialhilfe usw.)in Deutschland ist diese Entschädigungsleistung nicht anzurechnen, weil sie ausschließlich Entschädigungscharakter für politische Verfolgung hat. Sie dient damit einem anderen Zweck als alle Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Es handelt sich um berücksichtigungsfreie Einnahmen nach § 82 SGB XII in gleicher Anwendung der Regelungen für Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Anwendungsgesetze. 

Bei Anträgen an die Krankenkasse auf Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu Ausgaben für die Gesundheit nach § 62 SGB V sind solche Entschädigungsleistungen bei Prüfung der Belastungsgrenze nach dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 4. Dezember 2013, in der Fassung vom 18/19. Juni 2019, nicht zu berücksichtigen (Rundschreiben, Punkt 6.2.).

Die Entschädigungsleistung ist kein Einkommen im Sinne des Steuerrechtes und damit auch in Deutschland steuerfrei.

Muss die Entschädigung nach Dekret 118/1990 bei Behörden angeben werden?

Die Frage nach einer Angabepflicht dieser Entschädigungsleistung ist von der Frage nach deren Anrechenbarkeit auf unterschiedliche andere Leistungen zu unterscheiden: Ob die Leistung in Fragebögen oder bei Anträgen anzugeben ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Es kommt immer darauf an, wonach gefragt wird.

Wird etwa im Antrag auf Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gefragt, ob andere Renten aus dem Ausland bezogen werden, muss die Entschädigungsleistung nicht angegeben werden, weil sie keine Rente ist. Wird hingegen in einem Formular einer Behörde nach „sonstigen Einnahmen“ gefragt, muss natürlich diese Leistung unter richtiger Benennung als „monatliche Entschädigungsleistung für politische Verfolgung“ angegeben werden. Jede Behörde prüft dann in Abhängigkeit des anzuwendenden Rechtsgebietes, ob die Entschädigungsleistung dort anzurechnen ist oder nicht. In aller Regel ist sie auf Grund ihres Sondercharakters als Entschädigung für Verfolgung und Deportation nicht anzurechnen. Wichtig ist, die Leistung richtig zu benennen, um Behörden nicht unbeabsichtigt in die Irre zu führen und dadurch falsche Anrechnungen herbeizuführen. Im Zweifel wäre gegen Bescheide mit einer Anrechnung dieser Entschädigung rechtzeitig Widerspruch einzulegen und eine Überprüfung der Anrechenbarkeit zu beantragen.

Aktueller Sachstand zur Bearbeitungssituation

Zwischenzeitlich hat sich in den verschiedenen Landkreisen (Judeţe) in Rumänien bei den zuständigen Behörden eine Verwaltungspraxis gebildet, die zu einer meist zuverlässigen Umsetzung der Gesetze und einer Auszahlung der Entschädigung in Euro auf das Bankkonto der Berechtigten in Deutschland führt. Die Bearbeitungsdauer ist in Abhängigkeit der vorgelegten Unterlagen sowie der örtlichen Zuständigkeit der Behörden unterschiedlich und nach wie vor leider recht lang. Eine Regel kann nicht aufgestellt werden, oft hängt die Bearbeitungsdauer von nicht beeinflussbaren Faktoren ab (größere Rückstände bei einer Behörde, Ausfall einzelner Sachbearbeiter, Tagungspause einzelner Kommissionen usw.). Die Zahlung wird bei ordnungsgemäßer Antragstellung jedoch rückwirkend ab dem Folgemonat nach vollständiger Antragstellung berechnet und rückwirkend ausgezahlt.

In einzelnen Landkreisen bestanden im Februar 2023 unterschiedliche Rückstände wie folgt: Arad 3-4 Monate; Bukarest 14 Monate; Hermannstadt 16 Monate; Hunedoara 4 Monate; Kronstadt 3-4 Monate; Karlsburg 3-4 Monate; Sathmar 4 Monate; Temesch 10 Monate; Târgu Mureş 12 Monate.

Eine feste Regel gibt es allerdings nicht. So kommen etwa aus Hermannstadt auch mal Entscheidungen nach 6-8 Monaten (selten), allerdings dauert es in Hermannstadt meist mehrere Wochen, bis nach dem Termin der Kommissionsentscheidung die von allen Kommissionsmitgliedern unterschriebene Entscheidung (Decizie) zur Post gebracht und in Deutschland zugestellt wird. Allen Betroffenen wird unbedingt zu Geduld geraten. Rückfragen können zu erheblichen Verzögerungen führen, weil Akten dann wieder ans Ende des Stapels geraten können.

Weitere Besonderheiten

Wohnsitzbeleg: In allen Landkreisen wird inzwischen ein Beleg für den letzten Wohnsitz des Antragstellers in Rumänien gefordert, weil (nur) daraus die örtliche Zuständigkeit abgeleitet wird. Hatten etwa Geschwister vor der Ausreise aus Rumänien den Wohnsitz in unterschiedlichen Landkreisen, sind auch unterschiedliche Behörden für die Antragsbearbeitung zuständig. Als Beleg für den Wohnsitz wird zum Beispiel eine (teilweise) Übersetzung des Registrierscheins anerkannt (dort sind sowohl der Wohnsitz vor dem Zuzug als auch alle Personen, die von dort zugezogen sind, angegeben). Liegt ein solcher nicht vor, kann durch eine eigene Erklärung zum Wohnsitz Abhilfe geschaffen werden.

Unterschiede bei der Namensschreibung: Wenn in Unterlagen unterschiedliche Namensschreibungen vorkommen (rumänische Namensfassung/deutsche Namensfassung, zum Beispiel Ioan/Hans; Ecaterina/Katharina; Vertipper, Schreibfehler usw.), muss eine Übereinstimmungserklärung (Declaraţie de notorietate) beigefügt werden.

Rückfragen mit kurzer Fristsetzung: Aus einigen Landkreisen gehen inzwischen Rückfragen ein (etwa, wenn Kopien ohne Beglaubigung oder ohne Übersetzung eingereicht worden sind, oder wenn die Namensschreibung in den Unterlagen unterschiedlich ist). Zur Beantwortung wird meist eine sehr kurze Frist von zwei Wochen gesetzt. Auch wenn dies als Zumutung empfunden wird (besonders wenn sich die Bearbeitung der Akte in Rumänien über Monate hingezogen hat), sollte versucht werden, fristgerecht zu antworten, gegebenenfalls vorab per Mail. Sonst riskiert man eine Ablehnung mit der Notwendigkeit einer neuen Antragstellung, allerdings dann ohne Zahlung für die vergangenen Monate. 

Handlungsbedarf nach Zugang der Entscheidung (Decizie): Wenn die erste Entscheidung (Decizie von der AJPIS) zugeht, sollte unbedingt eine Kopie dieser Decizie und eine Zahlungserklärung (Declaraţie de transfer auf amtlichem Formular) an die Auszahlungsbehörde (CJP) gesendet werden. Eine automatische Weiterleitung von Behörde zu Behörde – wie gesetzlich vorgesehen – funktioniert leider nur selten. Wurde für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, muss die Decizie diesem unbedingt gleich nach Zugang zugeschickt werden, weil die Behörden in Rumänien die Zustellung an Bevollmächtigte sehr häufig nicht vornehmen. Eine aktuelle Lebensbescheinigung auf amtlichem Formblatt muss kurzfristig nach Anforderung an die CJP zurückgeschickt werden. Wird dies versäumt, stellt Rumänien die Zahlung ein. Die Wiederaufnahme ist bei Vorlage einer aktuellen Lebensbescheinigung möglich, führt aber zu Verfahrensaufwand. Bei Wechsel des Bankkontos muss eine aktualisierte Zahlungserklärung auf Formular (Declaraţie de transfer) unter Beifügung eines Kontobeleges übermittelt werden, eine formlose Erklärung reicht nicht.

Rat und Hilfe erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet des rumänischen Entschädigungsrechtes.