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300-Jahr-Feier in Sanktmartin: ein einzigartiges Fest zum Jubiläum

Trachtenträger, Fahnenabordnungen und Ehrengäste vor der mit Mitteln der HOG frisch renovierten St.-Martins-Kirche

Das feierliche Hochamt zum Jubiläum wurde vom Generalvikar der Diözese Temeswar Monsignore Johann Dirschl, Domherr Andreas Reinholz und Pfarrer Mathes Dirschl zelebriert. Fotos: HOG Sanktmartin

Mit einem Vortrag der Historikerin Dr. Octaviana Jianu und einer Ausstellung zur Geschichte von Sanktmartin wurden die Festlichkeiten im Hof der neuen Schule in Sanktmartin eröffnet.

1722 brachen Auswanderer aus Franken auf ins ferne Banat, um dort eine neue Heimat zu finden. Der Gutsherr Johann Georg von Harruckern hatte sie auf eigene Faust angeworben, um seine Ländereien zu besiedeln. So entstanden die Ortschaften Elek (heute Ungarn) und Sanktmartin (Kreis Arad). Um das 300-jährige Bestehen Sanktmartins gebührend zu feiern, hatte die Heimatortsgemeinschaft Anfang August ein Jubiläumsfest organisiert, das es in dieser Größe und diesem festlichen Rahmen wohl noch nicht gegeben hat.

Über 500 Gäste, davon 400 aus Deutschland, waren der Einladung gefolgt, darunter auch viele Vertreter der Politik und befreundeter Verbände. Schon am Vorabend des großen Festtages trafen sich viele Besucher in der neuen Grundschule in Sanktmartin, wo die Historikerin Dr. Octaviana Jianu vom Institut für das Studium des Totalitarismus in Bukarest einen Vortrag über das Schicksal der deutschen Minderheit in Rumänien von 1944 bis 1956 hielt (Bericht folgt). Anschließend konnten die Besucher die von Bernhard Fackelmann, dem Vorsitzender der HOG, erarbeitete Ausstellung zur Geschichte Sanktmartins besichtigen. Auf Deutsch und Rumänisch, mit vielen Bildern, historischen Dokumenten und Fotos ergänzt, wird darin die wechselvolle Historie des Ortes erzählt.

Sehr festlich wurde es am Samstag, dem 6. August. Ein feierlicher Umzug, angeführt von zahlreichen Trachtenpaaren, Fahnenabordnungen und den Ehrengästen, begleitet von den Banater Musikanten aus Temeswar, zog zur Kirche, die dem namensgebenden Heiligen Martin geweiht ist. Vor Beginn der Messe zündete Monsignore Johann Dirschl, Generalvikar der Diözese Temeswar, eine Kerze zu 300 Jahre Sanktmartin an, gestiftet von Brigitte Lustig. Anschließend zelebrierte er gemeinsam mit Domherr Andreas Reinholz, Pfarrer in Maria Radna, und dem Neuarader Pfarrer Mathes Dirschl eine heilige Messe, musikalisch wunderschön begleitet von Dr. Franz Metz, Anna-Maria Popan, Simona Negru und Wilfried Michl. Keine Geringere als die deutsche Konsulin in Temeswar Regina Lochner trug die Lesung vor. Das hatte es in der Sanktmartiner Kirche noch nie gegeben. Generalvikar Dirschl überbrachte die Grüße von Bischof Josef Csaba Pál, der sich schon im Januar angemeldet hatte, aber aus Termingründen nicht kommen konnte. Die Fürbitten wurden von Konsulin Lochner und dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen Erwin Josef Ţigla vorgelesen.

Die Kirche war vor dem großen Festtag auf Initiative und mit Mitteln der Heimatortsgemeinschaft renoviert worden. Auch unter der Regie der HOG war das Tor zum Friedhof instandgesetzt worden. In der ebenfalls komplett renovierten Friedhofskapelle sind nun alle Namen der im Ersten und Zweiten Weltkrieg Gefallenen sowie die Todesopfer der Russlanddeportation aus Sanktmartin und dem Nachbarort Matscha verewigt. Die Kapelle wurde von Generalvikar Dirschl sowie von dem orthodoxen Geistlichen Alexandru Milovan eingeweiht. Den Altar hatte die Familie Barbara und Martin Söllner gestiftet. Für das große Jubiläum bekam Sanktmartin zudem ein zweisprachiges Straßenschild mit dem Namen des Ortsgründers, Baron von Harruckern. Am Friedhofseingang erinnern neue Gedenktafeln, auch sie in zwei Sprachen, an die besondere Geschichte des Ortes.

Ein 300-Jahre-Jubiläum verdient ein wahrlich großes Fest! Und das Organisatorenteam unter der Leitung von Bernhard Fackelmann hatte denn auch für ein einzigartiges Erlebnis gesorgt. In Matscha war ein Festzelt aufgebaut, das allen Gästen Platz bot. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt, der Eintritt war frei und das Festessen für alle Anwesenden kostenlos. Unter den vielen Gästen waren auch Funktionsträger der Landsmannschaft aus Deutschland anwesend: Kurt Lohmüller, Kassenprüfer des Bundesverbandes, Dr. Hella Gerber, Vorsitzende der HOG Nitzkydorf und des Kreisverbandes Augsburg, Johann Kerner, Vorsitzender des Vereins „Valores“ aus Neumarkt i.d. Oberpfalz, Josef Baumann von der HOG Zipar, Michaela Weiler, Assistentin des Kulturreferenten des Kulturwerks Banater Schwaben.

Fackelmann begrüßte die Gäste und erinnerte an die Ereignisse vor 300 Jahren: „Harruckern hat unsere Vorfahren gerufen.“ Diese Entscheidung schenkte den Auswanderern und ihren vielen Nachfahren in Sanktmartin eine neue Heimat. Die Organisation eines solchen Festes, so Fackelmann, sei enorm viel Arbeit gewesen. Er bedankte sich ganz herzlich beim ganzen Vorstand der HOG und allen Helfern aus Deutschland und vor Ort. Danach blieb ihm nur noch die angenehme Pflicht, die vielen Ehrengäste willkommen zu heißen und um ihr Grußwort zu bitten.

Dem Dank Fackelmanns an alle, „die dieses eindrucksvolle Fest möglich gemacht haben“, schloss sich Ovidiu Ganţ, Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen im rumänischen Parlament, an. Er wies außerdem darauf hin, dass Sanktmartin eine der ältesten deutschen Siedlungen in Westrumänien sei. Über die „Verbundenheit zum Ort der Ahnen“ freute sich Dr. Johann Fernbach, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat. Glückwünsche zum Jubiläum von deutscher Seite überbrachte Regina Lochner, Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar, für den Kreis Arad gratulierte der stellvertretende Präfekt Dr. Doru Sinaci.

Gleich drei Bürgermeister sprachen beim Jubiläumsfest: Ciprian Otlăcan, Bürgermeister von Matscha (und damit auch von Sanktmartin), der als „Hausherr“ die vielen weitgereisten Besucher begrüßte. Für sein besonderes Engagement in Sankt-martin zeichnete er Bernhard Fackelmann mit einer Ehrenplakette aus. Außerdem sprach György Szelezsán, Bürgermeister von Elek, der zweiten von Harruckern gegründeten Siedlung. Er hatte sein Grußwort auf Deutsch eingeübt und gedachte der Vertreibung der Deutschen aus Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg, auch von rund 5000 Menschen aus Elek. „Das hat Wunden in unserem Ort geschlagen, die bis heute nicht verheilt sind“, so Szeleszán. Eine ganz besondere Verbindung pflegt die HOG seit Jahren zu Gerolzhofen in Unterfranken, denn dort hatten sich vor 300 Jahren die Auswanderer versammelt, um den weiten Weg ins Banat anzutreten. Bürgermeister Thorsten Wozniak freute sich über „Veranstaltungen wie diese, die Brücken in Europa bauen“.

Auch der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Peter-Dietmar Leber war nach Sanktmartin gekommen und gratulierte zum Jubiläum. Er wünschte sich, dass sich die Banater Schwaben auch weiterhin mit ihrer Geschichte beschäftigen und ihre Erinnerungen weitergeben. Befreundete Verbände waren durch Ehrengäste vertreten, so die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn und der Kulturkreis Elek in Person des Vorsitzenden Joschi Ament, der sich über diese und künftige grenzübergreifende Begegnungen zwischen den Nachfahren der deutschen Siedler in Elek und Sankmartin freute. Christian Knauer, bayerischer Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen, attestierte den Sanktmartinern, einen Schatz zu besitzen: dass es noch Häuser und Gräber der Vorfahren gebe, dass es möglich sei, ein solches Jubiläum gemeinsam mit rumänischen Bürgern zu feiern. „Viele Schlesier, Sudeten und Ostpreußen würden sich das wünschen“, so Knauer.

Wenn Banater Schwaben feiern, dürfen Tanz und Musik natürlich nicht fehlen. So wurden von drei Gruppen Tänze präsentiert: Banater Tänze von den Tanzpaaren der „Billeder Heiderose“, der „Warjascher Spatzen“, der „Kornblumen Nitzkydorf“ und der „Hatzfelder Pipatsche“, rumänische Tänze von dem Ensemble „Edera“ aus Matscha und ungarische Tänze und Folklore von einer Eleker Gruppe. Nach dem offiziellen Teil spielten „Claudia und die Burzenland Band“ zum Tanz auf. Die Gäste ließen sich von den heißen Temperaturen nicht abschrecken und schwangen bis in die Nacht hinein das Tanzbein.

Eine ganz besondere Gelegenheit bot sich Teilnehmern des Jubiläumsfestes am Sonntag: Die Gemeinde Elek hatte zu einem Besuch eingeladen. Dort konnte man an einer Messe teilnehmen, die per Bildschirm auf Deutsch übersetzt wurde, und die Kleinstadt kennenlernen. Auf dem Friedhof wurde eine renovierte Gedenkstätte mit den Namen der in den Weltkriegen Gefallenen und den Opfern der Russlanddeportation eingeweiht und gesegnet. Auf den Grabsteinen finden sich viele auch aus Sanktmartin bekannte Namen. Vor dem Denkmal für die Vertriebenen führten Eleker Bürger eine Szene auf, die den Alltag einer örtlichen Familie aus Kinderperspektive zeigt und das Schicksal der Deutschen in Elek exemplarisch darstellte.

Mit vielen neuen Erinnerungen an die alte Heimat traten die Gäste den Rückweg an. Besonders erfreulich war, dass zahlreiche Besucher das Jubiläum zum Anlass genommen hatten, nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder nach Sanktmartin zu kommen. Einige jüngere Teilnehmer sahen den Ort, die Heimat ihrer Ahnen, sogar zum allerersten Mal.