Der Heimattag der Banater Schwaben fand am Pfingstsonntag seine Fortsetzung – nicht wie in all den Jahren zuvor auf dem Ulmer Messegelände, sondern im Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft in der Donaubastion und in der Kirche St. Michael zu den Wengen.
Als erste Veranstaltung stand ein familienkundlicher Vortrag auf dem Programm, zu dem sich im Banater Kultur- und Dokumentationszentrum zahlreiche an genealogischen Themen Interessierte einfanden. Als Referentin konnte die aus Sackelhausen stammende Historikerin und Erste Vorsitzende des Arbeitskreises donauschwäbischer Familienforscher (AKdFF) Dr. Hertha Schwarz gewonnen werden, die bereits beim Heimattag 2016 einen Vortrag über „Sinn und Möglichkeiten der Familienforschung im Banat“ gehalten hatte. „Es war ein echtes Elend unter diesen Leuten – Banater Anfänge aus familienkundlicher Perspektive“ lautete das Thema ihres diesjährigen Vortrags. Dabei hinterfragte die Referentin die Banater Gründungslegende, die der bekannte Spruch „Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot“ zum Ausdruck bringt. Aufgrund der Erschließung und Auswertung der Banater Kirchenbücher konnte die erfahrene Familienforscherin nachweisen, dass das große, in der kollektiven Erinnerung verankerte landesweite Sterben am Sumpffieber nicht stattgefunden hat. Eine auffallend große Übersterblichkeit lasse sich nur in zwei Fällen nachweisen, alles andere bewege sich im normalen Rahmen der Zeit, so die Referentin. Dr. Hertha Schwarz schilderte die beiden Fälle – das große Sterben in Sackelhausen 1767 und in Jahrmarkt 1770 – und erläuterte die Ursachen der Übersterblichkeit in diesen Banater Gemeinden. Zum Schluss ging sie auf die Bedeutung von Gründungslegenden ein. Ihr Fazit: Die Banater Gründungslegende vom großen Sterben am Sumpffieber lasse sich zwar aufgrund der Sterbematrikeln nicht belegen, sei aber deswegen nicht „falsch“. Sie sei insofern richtig, als dass sie eine Projektionsfläche für den mühevollen Anfang ist. Diesen trotz aller Schwierigkeiten gemeistert zu haben, erfülle die neue Gruppe mit kollektivem Stolz. Der Vortrag von Dr. Hertha Schwarz wird in vollem Wortlaut in dieser Ausgabe veröffentlicht.
Das Hochamt zum Pfingstfest ist von Anfang an fester Bestandteil des Heimattages der Banater Schwaben. Diesmal wurde es nicht wie gewöhnlich in der Donauhalle gefeiert, sondern in der Kirche St. Michael zu den Wengen. Das Gotteshaus in der Ulmer Altstadt weist Bezüge zur Banater Geschichte auf: Als einzige katholische Kirche der Stadt hatte sie im 18. Jahrhundert eine besondere Bedeutung für die überwiegend katholischen Auswanderer. Die Augustiner der Wengenkirche hatten nämlich das Recht zugesprochen bekommen, Trauungen und Taufen unter den Auswanderern vorzunehmen.
Dem Gottesdienst wohnte neben den Besuchern des Heimattages und Mitgliedern der Kirchengemeinde auch der Oberbürgermeister der Stadt Ulm Gunter Czisch bei. Zelebriert wurde die heilige Messe von Pfarrer Markus Krastl, dessen Eltern Bernhard und Veronika Krastl aus Guttenbrunn beziehungsweise Jahrmarkt stammen. Obwohl schon im Saarland geboren, fühlt sich Pfarrer Markus Krastl den Banater Schwaben seit jeher eng verbunden. Diese Zugehörigkeit zur Gemeinschaft kam in seiner inhaltlich und rhetorisch brillanten Predigt klar zur Geltung. Sie war gespickt mit Bezügen zur wechselvollen Geschichte der Banater Schwaben und zum fruchtbaren Wirken der Landsmannschaft entlang ihres 70-jährigen Bestehens. Pfarrer Krastl hob die Bedeutung des Verbandes hervor, der den Landsleuten ein Stück Heimat bewahre, sie in ihrer Identität bestärke und für die Bewahrung des kulturellen und auch religiösen Erbes der Gruppe eintrete. Den Landsleuten ein Gefühl von Zugehörigkeit zu vermitteln und deren Zusammenhalt zu fördern sei schon immer wichtig gewesen und heute wichtiger denn je. Beheimatung hätten die Banater Schwaben nicht nur in der Landsmannschaft gefunden, sondern auch im Glauben, denn wahre Heimat sei nur bei Gott. Dies müsse man sich gerade an Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, vergegenwärtigen. Denn der Heilige Geist sei die Liebe, die von Gott zu den Menschen strömt, so Pfarrer Krastl.
Den Ministrantendienst versah der 15-jährige Sebastian Dosch aus Winnenden, dessen Mutter aus Jahrmarkt stammt. Die Lesung übernahm Astrid Suhr, geborene Griebel. Die Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt Helene Eichinger und ihre Stellvertreterin Ingrid Dosch trugen die Fürbitten vor.
Die musikalische Begleitung durch eine Bläsergruppe der Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen unter der Leitung von Johann Frühwald verlieh dem Gottesdienst einen feierlichen Rahmen. Gesungen und gespielt wurde die Deutsche Messe von Franz Schubert.
Seit 2014 bietet der Heimattag mit einer „Banater Literaturstunde“ auch Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus unseren Reihen ein Podium. Diesmal hatte die Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Publizistin Katharina Kilzer, die für die Konzeption und Moderation der Veranstaltung verantwortlich zeichnet, zwei Banater Autoren eingeladen: Magdalena Binder und Johann Lippet. Die Autorenlesung fand im Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft statt, das wegen des großen Interesses aus allen Nähten zu platzen drohte.
Die Banater Literatur habe sich mit zahlreichen Vertretern einen festen Platz in der deutschen Literatur erobert, sagte Katharina Kilzer in ihrer Einführung. Literatur sei Teil einer lebendigen Geschichte, zumal viele Banater Autoren über Vergangenheit und Gegenwart schreiben, „um das Banat, das die Vorfahren erlebt und die Nachfahren gekannt haben oder kennenlernen möchten, authentisch wirken zu lassen“. Auch Magdalena Binder und Johann Lippet seien „Chronisten der Banater Geschichte“, da sie „ihre eigenen Lebenserfahrungen in Literatur verwandeln“. Ihre Romane „sind mit dem Gefühl der Heimat zu definieren“, so die Moderatorin. Binder und Lippet hätten eines gemeinsam: „Sie haben für ihre Bücher echte Lebensläufe der Dorfbewohner ihrer Heimatdörfer im Banat als Grundlage ihrer Geschichten verwendet.“
Katharina Kilzer stellte die beiden Autoren vor und gab einen Überblick über die thematischen Schwerpunkte ihres Werkes. Danach kamen die eingeladenen Autoren zu Wort. Magdalena Binder las aus ihrem im vergangenen Jahr im Berliner Anthea Verlag erschienenen Familienroman „Unter den Akazien“. Johann Lippet las aus seinen beiden zuletzt erschienenen Büchern: dem Romanfragment „Franz, Franzi, Francisc“ (Pop-Verlag Ludwigsburg, 2019) und dem Lyrik- und Prosaband „Beziehungsweise(n)“ (Pop-Verlag Ludwigsburg, 2021). Zum Schluss beantworteten die beiden Autoren Fragen aus dem Publikum. Mehr zur „Banater Literaturstunde“ erfahren Sie in dem Bericht von Halrun Reinholz auf dieser Seite.