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Anliegen der deutschen Minderheit in und aus Rumänien im Fokus 

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 25. Sitzung der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission, die im Bundesministerium des Innern und für Heimat in Berlin tagte Foto: BMI

Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber (rechts) mit dem Präfekten des Kreises Temesch Mihai Ritivoiu und der aus Großkomlosch stammenden Abteilungsleiterin der Präfektur für Europäische Angelegenheiten Mihaela Boran Foto: privat

Im Zeichen des 30. Jubiläumsjahres des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrags fand am 2. und 3. Juni in Berlin die 25. Sitzung der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien statt. Die Sitzung wurde von der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Natalie Pawlik MdB gemeinsam mit der Staatssekretärin im rumänischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Daniela Gîtman geleitet. In gewohnt freundschaftlicher Atmosphäre wurden aktuelle, die deutsche Minderheit betreffende Themen erörtert.
Pawlik betonte: „Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass die deutsche Minderheit einen eigenständigen Beitrag leistet, dieses gute und freundschaftliche Verhältnis zu stärken und kulturelle und zivilgesellschaftliche Bänder zwischen unseren Staaten zu knüpfen.“

Die Förderung und Stärkung der deutschen Minderheit in Rumänien ist der Bundesregierung auch weiterhin ein wichtiges Anliegen. Im Bundeshaushalt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat sind daher für das Haushaltsjahr 2022 Fördermittel in Höhe von 2,6 Millionen Euro vorgesehen. Hinzukommen Tilgungsmittel aus Wirtschaftsförderdarlehen in Höhe von 1,48 Millionen Euro. Weitere Hilfen erfolgen durch das Deutsche Auswärtige Amt und Förderprojekte der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie Förderprogramme der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die rumänische Seite stellt im Jahr 2022 für die deutsche Minderheit Mittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro zur Verfügung.

Beide Vorsitzende zeigten sich zuversichtlich, dass auch die zukünftige Zusammenarbeit von Erfolg und konstruktiven Ergebnissen geprägt sein wird.

Auf Einladung der Aussiedlerbeauftragten Pawlik nahmen an der Sitzung die Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber und des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Rainer Lehni teil. Beide berichteten über das Wirken der von ihnen geführten Verbände in Deutschland und in Rumänien, sprachen Problembereiche ihrer Mitglieder an. So informierte Leber die Kommission über das Wirken der Landsmannschaft in Deutschland und im Banat, erläuterte den Aufbau des Verbandes, die Patenschaften sowie die Kooperation mit Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland, die zum Teil komplementär auftreten würden. In den kommenden Jahren stünden zahlreiche Jubiläen von Ortsgründungen an, viele Heimatortsgemeinschaften planten schon entsprechende Veranstaltungen in ihrem Heimatort. Temeswar als europäische Kulturhauptstadt 2023 wirke ebenfalls als Katalysator für Vereine, Gruppen und Initiativen, sich wieder stärker der Stadt und dem Heimatort zuzuwenden. Um die Präsenz unseres Verbandes und unserer Gemeinschaft in Deutschland im Banat zu unterstreichen, um schneller auf Entwicklungen reagieren zu können sowie für unsere Mitglieder einen Mehrwert zu erzielen, würden Landsmannschaft und Hilfswerk im August ein gemeinsames Büro im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar eröffnen, sagte der Bundesvorsitzende. „Der Bezug zum Banat ist unabdingbar für unseren Fortbestand als Gemeinschaft in Deutschland, mit diesem Büro wollen wir ihn in eine neue, eine weitere Form gießen“, so Leber.

Nach dem Regierungswechsel in Berlin wurde mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Natalie Pawlik eine junge Politikerin aus den Reihen der Deutschen aus Russland zur neuen Bundesbeauftragten berufen. Darüber hat die „Banater Post“ berichtet. Mit Ministerialdirektor Jörn Thießen wurde ein neuer Leiter der Abteilung „H“ (Heimat, Zusammenhalt und Demokratie) bestellt. Thießen stammt aus Schleswig-Holstein, war zeitweise persönlicher Referent von Björn Engholm, Büroleiter von Verteidigungsminister Rudolf Scharping, SPD-Bundestagsabgeordneter und zuletzt zwölf Jahre lang Leiter der Fakultät für Politik, Strategie und Gesellschaftswissenschaften an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Die Abteilung „H“ innerhalb des Innenministeriums ist zuständig für die Förderung der deutschen Minderheit in Mittel- und Osteuropa, aber auch für die Aussiedlerintegration in Deutschland.

Weitere führende Vertreter der Bundesregierung bei der Sitzung waren der deutsche Botschafter in Bukarest Dr. Peer Gebauer, aus dem Innenministerium die Unterabteilungsleiterin Dr. Uta Dauke und Referatsleiter Dr. Alexander Schumacher, die Referatsleiterin im Auswärtigen Amt Sylvia Groneick und die Referatsleiterin im Bundesverwaltungsamt Chantale Lehmann. Sämtliche Vertreter der Bundesregierung bewerteten die deutsch-rumänischen Beziehungen als ausgezeichnet und als bedeutend. Die deutsche Minderheit werde in den deutsch-rumänischen Beziehungen als „ein Schatz“ gesehen, so Botschafter Gebauer. 

Nichtdestotrotz meldete die Aussiedlerbeauftragte „große Sorgen“ an, was den Erhalt der deutschen Sozialeinrichtungen und Altenheime in Rumänien beträfe. Die Sorgen beziehen sich auf die Bereitstellung der Mittel, 2,39 Millionen Euro stelle Deutschland dafür für die deutsche Minderheit und nichtdeutsche Angehörige zur Verfügung und „niemand soll im Stich gelassen werden“, bekräftigte Dr. Dauke. Mittel würden auch für die junge Generation bereitgestellt, ebenso für die Stiftungen zur Förderung von Kleinunternehmen der deutschen Minderheit. 

Das Auswärtige Amt setzt den Schwerpunkt auf die Förderung der jungen Generation. Im vergangenen Jahr wurden 1,6 Millionen Euro bereitgestellt, davon 1,2 Millionen für Deutsch-Lehrer. Weil Lehrer in Rumänien relativ wenig verdienen und deutschsprachige Lehrer von der deutschen Wirtschaft in Rumänien mit höheren Gehältern immer wieder abgeworben werden, zahlt das Auswärtige Amt diesen Lehrern einen Zuschlag. Deren Zahl soll in diesem Jahr erhöht werden. Denn, wie Alexander Szepesi aus dem rumänischen Unterrichtsministerium berichtete, besuchen 24000 Schüler in 16 Kreisen und der Hauptstadt Bukarest einen deutschsprachigen Unterricht, 30 Lehrer aus Deutschland unterrichten an diesen Schulen, 14 neue deutsche Lehrbücher konnte man im vergangenen Jahr vorlegen. Staatssekretärin Daniela Gîtman aus dem rumänischen Außenministerium, zuständig für Europäische Angelegenheiten und Co-Vorsitzende der deutsch-rumänischen Regierungskommission, bezeichnete den Deutsch-Unterricht als „wichtig für Rumänien“. Die deutsche Wirtschaft habe im Land 300000 Arbeitsplätze geschaffen, allein diese Zahl unterstreiche schon die Bedeutung von guten Deutschkenntnissen. 
Botschafter Gebauer und Botschafterin Adriana Stănescu unterstrichen die Bedeutung guter Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe in Bukarest von einem „Besuch bei Freunden“ gesprochen, so die Diplomaten. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament Ovidiu Ganţ konnte von der Begegnung des Bundespräsidenten mit den Vertretern der deutschen Minderheit berichten. Ein direkter Austausch sei immer wichtig. Der Abgeordnete richtete je eine Bitte an die deutsche beziehungsweise an die rumänische Seite: Im Banat werde ein Fachberater für die deutschsprachigen Lehrkräfte dringend benötigt, das Deutsche Staatstheater Temeswar benötige einen eigenen Aufführungssaal, den jetzigen müsse es mit dem Ungarischen Staatstheater teilen. 

Die rumänische Delegation war bei dieser Sitzung groß. Die neue Leiterin der Nationalen Restitutionsbehörde in Bukarest (ANRP) Cristina Florentina Stanca war zugegen und informierte über den Stand der Restitutionsverfahren. Bei Restitutionsverfahren des Deutschen Forums seien die letzten Fälle erledigt worden, wobei „erledigt“ nicht immer ein positiver Bescheid bedeuten müsse. Dem Forum stünde dann aber zumindest der Rechtsweg offen. Private Restitutionsverfahren würden nach wie vor bearbeitet und beschieden werden.

Über die Entschädigungsverfahren von Kindern politisch Verfolgter, zu denen auch die Russland- und die Bărăgandeportierten zählen, berichtete die Generaldirektorin der Nationalen Agentur für Zahlungen und Soziale Inspektion (ANPIS) aus dem Arbeitsministerium in Bukarest Cristina-Elena Anton. 143718 Anträge auf Entschädigung seien bis zum 10. Mai 2022 bereits beschieden worden, viele harrten noch der Bearbeitung, weil die Kreisbehörden dieser Agentur (AJPIS) ohne Personalaufstockung, dagegen mit Personalausfällen während der Corona-Pandemie, die vielen Anträge bearbeiteten. Probleme träten nach wie vor dort auf, wo Anträge nicht vollständig eingereicht seien, so die Direktorin. Sie sicherte eine wohlwollende Bearbeitung zu, nur müssten die Unterlagen den gesetzlichen Auflagen entsprechen.

Genaue Zahlen über den Stand der entsprechenden Entschädigungsverfahren für Kinder ehemals politisch Verfolgter lieferten auch einige Präfekten. So berichtete der Präfekt des Kreises Karasch-Severin Ioan Dragomir von 329 Anträgen aus Deutschland. Davon hätten 240 positiv beschieden werden können, 50 seien abgelehnt worden, hauptsächlich wegen Unvollständigkeit der Anträge. Im Kreis lebten 2011 siebzehn Minderheiten, zur deutschen bekannten sich 2900 Personen. Sechs Kindergärten und zwei Schulabteilungen mit deutscher Unterrichtssprache gäbe es im Kreis. 

Im Kreis Hermannstadt werde an 40 Kindergärten, 15 Schulen und zwei Kollegs in deutscher Sprache unterrichtet, 6500 Kinder und Schüler lernten in deutscher Sprache, so der Präfekt des Kreises Mircea-Dorin Creţu. 6700 Anträge auf Entschädigung von Kindern politisch Verfolgter seien in Hermannstadt bisher gestellt worden, davon 5000 aus Deutschland. 
Der Präfekt des Kreises Suceava Gheorghe Moldovan unterstrich in seinem Beitrag die Bedeutung der Partnerschaft des Kreises mit dem Bezirk Schwaben sowie die Zusammenarbeit mit dem Bukowina-Institut in Augsburg. Firmen aus Deutschland seien der zweitgrößte Investor im Kreis. 

Diese Aussage gilt auch für den Kreis Temesch, nur haben die Firmen hier eine andere Größenordnung. Präfekt Mihai Ritivoiu, dessen Großeltern aus Großsanktnikolaus auch in den Bărăgan deportiert worden waren, berichtete von 778 Firmen im Kreis mit deutschem Kapital und 400 Firmen mit gemischtem, deutsch-rumänischem Kapital. Bei der letzten Volkszählung 2011 seien im Kreis 8400 Deutsche gezählt worden, die Volkszählung in diesem Jahr werde neue Zahlen zu den 19 Minderheiten im Kreis bringen. Sechs Ortschaften im Kreis Temesch pflegten eine Partnerschaft mit Kommunen in Deutschland. Ritivoiu berichtete ferner über Projekte im Kulturhauptstadtjahr 2023 sowie über die Freigabe von Regierungsgeldern für das Kulturhauptstadtjahr mittels einer Dringlichkeitsverordnung. Was er nicht sagte, dass die Summe weitaus kleiner ist als ursprünglich zugesagt oder erhofft. Im politischen Kräftemessen zwischen Bukarest mit einer nationalliberalen-sozialdemokratischen Regierung und Temeswar mit einem Bürgermeister der oppositionellen bürgerlich-liberalen USR sitzt die Hauptstadt jetzt am längeren Hebel.

Über die Situation im Kreis Sathmar berichtete der Kanzleidirektor der Präfektur Radu Iancu: 6700 Anträge auf Entschädigung von Kindern ehemals politisch Verfolgter seien gestellt worden, davon 20 Prozent von Deutschen in oder aus Rumänien mit letztem Wohnsitz im Kreis Sathmar.

Die nächste Sitzung der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien wird 2023 in Temeswar stattfinden.