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„D’Veegl erkennt mr an de Feadra!“

Bereits zum vierten Mal nahmen die Banater Schwaben am Volksfestumzug in Bad Cannstatt teil. Foto: KV

Am 29. September fanden sich rund 4000 Trachten- und Uniformträger, Kutschen, Festwagen und Oldtimer zum 168. Volksfestumzug in Stuttgart-Bad Cannstatt ein und boten ein unvergessliches Erlebnis. Mitten unter ihnen eine Gruppe Banater Schwaben, fein rausgeputzt in ihren Festtagstrachten.

Sonntagmorgen, 8 Uhr, bei der Feuerwache 3 in Bad Cannstatt: Noch etwas müde, aber dennoch gut gelaunt betreten 15 Trachtenpaare aus Esslingen/Wendlingen, Karlsruhe, Göppingen und Wernau die Turnhalle. Unter ihnen die 16-jährige Ann-Kathrin Kobsa, mit dabei in einem großen Karton ihre Tracht. „Gleich geht‘s los. Ich bin schon ganz aufgeregt“, sagt sie. Viel Zeit zum Umziehen bleibt ihr und den anderen nicht, denn um 10 Uhr sollten die Teilnehmer zum Umzug schon aufgestellt sein. Jetzt heißt es: Haare flechten, Röcke sortieren, ankleiden, Tücher stecken und standfest bleiben. Denn für die nächsten Stunden herrscht Sitzverbot. Es wäre aber auch schade um die in mühsamer Handarbeit gestärkten und in Falten gelegten Unterröcke.

„Mir macht das nichts aus, das gehört doch dazu. Außerdem macht’s ja Spaß. Man trägt die Tracht doch nicht jeden Tag. Das ist schon etwas Besonderes hier“, erzählt Ann-Kathrin. Etwas traurig fügt sie hinzu: „Schade nur, dass das Wetter nicht mitspielt.“ Von Kaiserwetter kann wirklich keine Rede sein, denn statt blauem Himmel und Sonnenschein gibt es dunkle Wolken und Regen. „Das wird schon noch“, versucht Renate Krispin, Leiterin der Trachtengruppe des Kreisverbandes Esslingen, zu beschwichtigen. „Wir haben die Schirme dabei. Immer, wenn wir die im Gepäck haben, regnet es bei Umzügen nicht. Das ist ein gutes Omen“, fügt sie lächelnd hinzu. Aber nicht nur Schirme waren mit im Gepäck. „Ich habe fünf Kilo Salzkipfel gebacken“, verrät Renate Krispin. „Außerdem haben wir acht Liter Wein dabei“, ergänzt ihr Mann Arnold grinsend, während beide den Bollerwagen für den Volksfestumzug vorbereiten.

Durch das ursprünglich landwirtschaftliche Volksfest wollte König Wilhelm I. von Württemberg 1818 die Wirtschaft in Schwung bringen. Heute beheimatet der Cannstatter Wasen alljährlich eines der größten Volksfeste der Welt und ermöglicht auch Heimat- und Brauchtumsgruppen, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bereits zum vierten Mal sorgt Renate Krispin, dank guter Beziehungen zum Organisationskomitee des Volksfestumzuges, dafür, dass ihre Gruppe am Cannstatter Festumzug teilnehmen kann. „Nur so ist es uns möglich, uns, unsere Tracht und unsere Traditionen einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Deshalb bin ich sehr froh und dankbar, dass wir auch in diesem Jahr wieder dabei sein dürfen“, erzählt sie voller Stolz.

Die Schirme scheinen tatsächlich eine gute Investition gewesen zu sein, denn pünktlich zum Abmarsch Richtung Aufstellplatz hört es auf zu regnen. Der Himmel reißt auf und die Sonne kommt zum Vorschein.

In der Umzugsgruppe „D’Veegl erkennt mr an de Feadra!“ marschieren die Banater Schwaben mit Schwung und guter Laune durch die historischen Gassen von Bad Cannstatt. Mit einer extra für diesen Tag vorbereiteten Aufmarsch-Choreographie bieten sie den Zuschauern Gelegenheit, die Trachten aus mehreren Blickwinkeln zu begutachten. Die Marschmusik dazu liefert Lukas Krispin auf dem Akkordeon. Einziger Wermutstropfen: Immer wieder stockt der Umzug. Doch die Pausen werden sinnvoll genutzt: zum Plauschen mit den Zuschauern oder anderen Umzugsteilnehmern. So lassen die Männer der Trychlergruppe Dietikon aus der Schweiz es sich nicht nehmen, ein Erinnerungsfoto mit den feschen Banater Mädchen zu machen. Ihre schweren Kuhglocken dürfen auf dem Bild natürlich nicht fehlen. „Ein Fotöli mit so vielen hübschen Mädchen lässt man sich doch nicht entgehen“, sagt einer schmunzelnd und blickt in die Kamera. Während posiert wird, versorgen die Banater Burschen die Besucher mit köstlichem Rotwein. Ob es am Wein oder an den Hüten liegt – manche Zuschauerin meint: „Mensch, ihr Bube seid ja hübscher als die Mädle.“

Der Festumzug endet traditionell am Cannstatter Wasen, wo anschließend bei „Göckele“ und Bier gemeinsam gefeiert wird. Alles in allem ein gelungener Tag: Die Kipfel sind verzehrt, die Flaschen leer und die Zuschauer glücklich. Und die Banater Schwaben? Müde, aber glücklich zieht Ann-Kathrin Bilanz: „Es war wie immer anstrengend. Wir steckten jetzt gut sechs Stunden in den Trachten. Doch es hat auch viel Spaß gemacht, vor allem, als dann auch noch die Sonne rauskam. Ich freue mich schon jetzt aufs nächste Mal.“ Renate Krispin mahnt augenzwinkernd: „Aber gell, die Schirme dürfen wir nicht vergessen.“