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Beeindruckendes Bekenntnis zur Gemeinschaft: Landestrachtenfest in Göppingen

Beim traditionellen Umzug mit Blasmusikbegleitung durch Göppingen wurden die farbenfrohen Trachten der Banater Schwaben öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt. Foto: Cornel Simionescu-Gruber

Kranzniederlegung am Banater Denkmal (von links): Generalkonsul Dr. Radu Florea, Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber, Landesvorsitzender Richard Jäger, Oberbürgermeister Alex Maier

Alles, was das Herz der Banater Schwaben begehrt, wurde bei schönstem Wetter auf dem Göppinger Marktplatz geboten: bunte Trachten, flotte Tänze und schwungvolle Blasmusik. Fotos: Cornel Simionescu-Gruber

Trachtenumzug durch die Stadt, Empfang im Rathaus, Tanzvorführungen auf dem Marktplatz, Rückmarsch zur Stadthalle, Festansprachen der Ehrengäste, Brauchtumsdarbietungen der Trachtengruppen, Tanzunterhaltung für alle – so gestaltete sich jahrzehntelang der Ablauf des Landestrachtenfestes mit Großem Schwabenball der Banater Schwaben in Baden-Württemberg, das seit 1959 in Göppingen stattfindet. Das 54. Landestrachtenfest am 16. Oktober 2021 konnte pandemiebedingt nur in geänderter Form im Freien stattfinden. Dennoch war es ein rundum gelungenes Fest: Die aus allen Teilen Baden-Württembergs angereisten Mitwirkenden freuten sich, nach langer Zeit wieder öffentlich aufzutreten, ihre Trachten und Tänze zu präsentieren, sich einfach zu treffen – und dies bei herrlichem Herbstwetter. Ebenso freuten sich die Gäste, die sich zahlreich auf dem Göppinger Marktplatz eingefunden hatten, wieder einer landsmannschaftlichen Veranstaltung beiwohnen zu können. Und auch die Ehrengäste zeigten sich begeistert. Der Innenminister des Landes Baden-Württemberg Thomas Strobl brachte es in seiner Festrede auf den Punkt. An die Veranstalter gerichtet sagte er: „Sie haben sich gewissermaßen entschuldigt, dass wir heute aus Pandemiegründen nicht in der schönen Stadthalle sein können. Ich möchte Ihnen ehrlicherweise sagen, weder Ihre Trachten noch Ihre Musik noch Ihre Tänze müssen sich in einer Stadthalle verstecken, sondern sie gehören mitten hinein in die Stadt, hierher, auf den Marktplatz.“

Der traditionelle Trachtenumzug fand auch diesmal statt, zwar mit weniger Trachtenpaaren als sonst, aber mit Gruppen und Einzelpaaren aus vielen Teilen Baden-Württembergs: aus Crailsheim, Esslingen, Göppingen, Karlsruhe, Mannheim, Rastatt, Spaichingen und Singen. Mit dabei war auch die Trachtengruppe der Egerländer Gmoi aus Wendlingen/Stuttgart. Begleitet wurde der Trachtenzug, der an der Stadthalle startete, von der Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen unter der Leitung von Johann Frühwald. Die farbenfrohen Trachten und die Blasmusikklänge lenkten auf dem Weg zum Marktplatz viele neugierige Blicke auf den recht stattlichen Zug. 

Unter dem Beifall der Gäste hielten die Trachtenträgerinnen und -träger Einzug auf den Marktplatz, wo sie von der Siebenbürger Trachtenkapelle Göppingen unter der Leitung von Bernhardt Staffendt musikalisch begrüßt wurden. Mit dem Deutschlandlied und der Banater Hymne wurde das 54. Landestrachtenfest feierlich eröffnet.

„Banater Brauchtum und Tradition leben und erlebbar machen – und das generationsübergreifend“, sei das vornehmliche Ziel und der tiefe Sinn des Landestrachtenfestes der Banater Schwaben aus Baden-Württemberg in ihrer Patenstadt Göppingen, sagte der Landesverbandsvorsitzende Richard Jäger in seiner Eröffnungsrede. Mit Göppingen verbinde die Banater Schwaben ein besonderes Verhältnis, dem  die seit 1988 bestehende Patenschaft der Stadt Göppingen über die in Baden-Württemberg lebenden Banater Schwaben Ausdruck verleihe. Umso mehr freue er sich, den neugewählten Oberbürgermeister der Stadt Göppingen Alex Maier als Schirmherrn des Landestrachtenfestes begrüßen zu dürfen. Jäger dankte dem Stadtoberhaupt wie auch der Stadtverwaltung für die Unterstützung bei der Planung und Organisation dieser Veranstaltung. 

Dass heute gleich zwei Vertreter der baden-württembergischen Landesregierung zugegen seien, empfinde man als große Auszeichnung, betonte der Landesvorsitzende, der den stellvertretenden Ministerpräsidenten, Innenminister und Landesbeauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl sowie die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi herzlich willkommen hieß, ebenso wie die Leitende Ministerialrätin im Stuttgarter Innenministerium Dr. Christiane Meiß.

Als weitere Ehrengäste begrüßte Richard Jäger den Generalkonsul von Rumänien in Stuttgart Dr. Radu Florea, den Landrat des Landkreises Göppingen Edgar Wolff, den Bundestagsabgeordneten Hermann Färber, die Landtagsabgeordnete Ayla Cataltepe, Ministerialdirigent a.D. Herbert Hellstern, den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber mit Gattin, den Landesvorsitzenden der Landsmannschaft in Bayern Harald Schlapansky sowie den Vorsitzenden der Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen (DBJT) Patrick Polling.

Der Landesvorsitzende begrüßte ferner die Mitglieder des Bundes-, Landes- und DBJT-Vorstandes, die anwesenden Kreis- und HOG-Vorsitzenden, als Gastgruppe die Egerländer Gmoi unter der Leitung des Landesvorsitzenden Mathias Rödl und unter Mitwirkung des Bundesvorsitzenden Volker Jobst, die beiden Blaskapellen und nicht zuletzt die vielen Trachtenpaare aus neun verschiedenen Kreisverbänden. „Ihr bereichert heute unser Fest, Ihr seid die Hauptdarsteller und Ihr seid unser ganzer Stolz“, so Jäger.

Die Reihe der Grußworte eröffnete der seit Januar dieses Jahres amtierende Oberbürgermeister der Stadt Göppingen Alex Maier. „Für mich war es selbstverständlich, dass ich als Oberbürgermeister weiterhin die Schirmherrschaft über das Landestrachtenfest übernehme und dass wir als Stadt Göppingen die Patenschaft weiterhin ernst nehmen“, sagte Maier. Patenschaft bedeute mehr, als ein gemeinsames Fest zu feiern: „Wir als Stadt sehen auch eine Fürsorgepflicht gegenüber denjenigen, die damals vertrieben wurden. Es ist ein Gedenken auch an all diejenigen, die nie vergessen werden dürfen (…), auch ein Zeichen des Zusammenhalts.“ Ein geeintes Europa, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Vertriebenen mit aufgebaut wurde, lebe von Vielfalt. Europa bedeute Toleranz, Akzeptanz, aber eben auch Pflege von Kultur und Brauchtum, unterstrich das Stadtoberhaupt. Deshalb nehme die Stadt Göppingen ihre Patenschaft sehr ernst und werde diese auch weiterhin aufrechterhalten und mit Leben füllen.

Der rumänische Generalkonsul Dr. Radu Florea betonte in seinem Grußwort den Beitrag der Banater Schwaben zur kulturellen Vielfalt Rumäniens. Gleichermaßen würden sie das kulturelle Bild ihrer neuen und eigentlich ursprünglichen Heimat Deutschland bereichern, „aber im Banat haben sie so bedeutende und strahlende Spuren hinterlassen, dass es eigentlich undenkbar ist, vom Banat zu reden, ohne seine deutschstämmigen Einwohner zu erwähnen“. Mit ihrem Fleiß, ihrem Lebensstil, ihren Bräuchen, ihrer Bauweise hätten die Banater Schwaben diese Gegend „erheblich und einzigartig geprägt und die anderen dort lebenden Volksgruppen nachhaltig beeinflusst“, so der Generalkonsul. Allerdings wünsche man sich in Rumänien, „dass die Banater Schwaben nicht nur ein Teil der Geschichte und der Vergangenheit bleiben“, sondern vielmehr, dass ihr kulturelles Erbe dort weiter gepflegt, erhalten und gewürdigt wird.

Was macht ein Fest zum Fest? Diese Frage beantwortete Innenminister Thomas Strobl in seiner Festrede wie folgt: „Ein Fest ist eine glanzvolle Veranstaltung, mit vielen Mitwirkenden und Gästen, die, in schöne Gewänder gekleidet, bei schwungvoller Musik fröhlich tanzen.“ Mit ehrlichem Herzen stelle er fest: „Ihr Landestrachtenfest ist ganz in diesem Sinne ein wunderschönes Fest, ein großartiges Fest!“ Sodann ging der Festredner auf das Thema Brauchtum ein. „Mit der Brauchtumspflege erinnern Sie an Ihre Wurzeln, aber nicht nur das: Mit dem Landestrachtenfest leben Sie Ihre Wurzeln und Sie machen Ihre Wurzeln für andere sichtbar, erlebbar. Damit ist Ihre Brauchtumspflege nicht nur bereichernd für Sie selber, sondern weitet unser aller Horizont“, sagte Strobl. 

Das Landestrachtenfest der Banater Schwaben passe sehr gut zu Baden-Württemberg, denn: „Hier im Südwesten sind wir stolz auf unsere Heimat und unsere Bräuche. Globalisierung und Digitalisierung bringen uns viele andere Kulturen quasi ins eigene Wohnzimmer. Auch gerade deshalb gilt: Regionale Identität und lokale Bräuche sind ein Anker in unserer globalisierten Welt. Und deshalb müssen wir sie pflegen“, so der Minister. In diesem Zusammenhang hob Strobl hervor, wie beeindruckt er von der Teilnahme so vieler Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener sei. „Eure Teilnahme ist für mich etwas Besonderes und ich hoffe, dass es Euch Freude macht. Ich wünsche Euch und mir: Macht weiter so“, lautete sein Appell.  

Innenminister Strobl sprach sodann das Thema Trachten an. Trachten seien Bestandteil des Brauchtums der Banater Schwaben, aber auch Teil ihres Kulturgutes. Das Tragen der Tracht bedeute, sich zur Gemeinschaft zu bekennen. „Ihre Trachten sind Teil, sie sind langjähriges Erkennungszeichen Ihrer landsmannschaftlichen Gemeinschaft. Die Trachten gehören einfach dazu“, sie seien Beweis kultureller Vielfalt und kulturellen Reichtums. „Sie alle ermuntere ich, sich mit dem Tragen der Trachten zu Ihrer jeweiligen Gemeinschaft zu bekennen. Ich ermuntere Sie, Zeugnis für Ihr kulturelles Erbe abzulegen“, rief der Minister den Trachtenträgerinnen und Trachtenträgern zu.

Der Festredner hob auch die Bedeutung von Tanz und Musik als wichtige Brauchtumselemente hervor. Beides verbinde, es schaffe Gemeinschaftsgefühl. „Und dieses Gemeinschaftsgefühl geht bei Ihrem Landestrachtenfest über die landsmannschaftlichen Grenzen hinaus. Nicht nur Sie, die Banater Schwaben, sind anwesend, auch Gruppen aus anderen Landsmannschaften, und das ist ein schönes Zeichen der Verbundenheit“, sagte Strobl.

Landrat Edgar Wolff erinnerte in seinem Grußwort an die Ankunft der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge im Landkreis Göppingen vor 75 Jahren, an die schwierige Lage in den ersten Nachkriegsjahren und den vom Misstrauen der Einheimischen und Konflikten geprägten Integrationsprozess der Neubürger. „Auch vor 75 Jahren war Integration keine leichte Aufgabe und brauchte durchaus ihre Zeit“, sagte Wolff. Der Zuzug von Vertriebenen und Flüchtlingen habe die Kreisbevölkerung nachhaltig verändert: demografisch, konfessionell und kulturell. Sie sei vielfältiger und offener geworden. Der Landkreis Göppingen habe stark vom großen Potenzial seiner neuen Bürger profitiert, die hier mit großer Motivation gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung an der Zukunft gebaut hätten. Der Landrat lobte den Zusammenhalt der großen Vertriebenengruppen im Landkreis Göppingen sowie deren Bemühen, ihre Identität innerhalb der neuen Lebenswelt zu bewahren. „Die zahlenmäßig beeindruckenden Treffen der Heimatvertriebenen, die Patenschaften – hier in Göppingen 1955 für den Schönhengstgau, 1988 für die Banater Schwaben –, die vielfältigen Städtepartnerschaften im Landkreis, die gemeinsam begangenen Feste, die Pflege der Trachten und der Musik – all dies trug in der Vergangenheit und trägt weiterhin zu einem lebendigen und friedlichen Miteinander im Landkreis Göppingen bei“, betonte Landrat Wolff.

Mit seinem Grußwort endete der offizielle Teil des Landestrachtenfestes, auf den der Brauchtumsteil mit Volkstanzvorführungen und musikalischen Darbietungen folgte. Zunächst sprach der Vorsitzende der Deutschen Banater Jugend- und Trachtengruppen Patrick Polling. „Heute hier zu sein, ist ein schönes Zeichen, trotz aller Umstände“, sagte er. „Die digitale Welt hält uns noch zusammen (…), doch ich merke, dass nichts wichtiger für den Erhalt der Kultur und der Tracht ist als das persönliche Treffen.“ Das heutige Landestrachtenfest zeige, „dass wir Banater Schwaben zusammenhalten und gemeinsam für den Erhalt unserer Kultur einstehen“, so der DBJT-Vorsitzende. Es sei ein schönes Gefühl, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein. „Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl machen uns stark und lassen uns auch diese Zeit zusammen gut durchstehen“. Polling zeigte sich zuversichtlich, „dass wir in den kommenden Monaten wieder zu neuer Kraft kommen und unsere Kultur so pflegen und leben wie vor zwei Jahren“.

Das Brauchtumsprogramm wurde vom Jugendreferenten des Landesverbandes Baden-Württemberg Lukas Krispin moderiert. Eröffnet wurde es unter Mitwirkung aller teilnehmenden Banater Trachtengruppen mit den Gemeinschaftstänzen „Banater Land“ und „Kathiländler“, wonach die Egerländer Gmoi das Publikum mit den Tänzen „Schäi(n) lustigh u kearngout“ und „Egerländer Polka“ erfreuten. Dass Banater Schwaben und Egerländer Gmoi auch gemeinsam tänzerisch gut harmonieren, zeigte sich bei der zusammen getanzten „Sternpolka“. Zum Abschluss präsentierten die Banater Trachtengruppen zwei weitere Gemeinschaftstänze: den „Donauschwabenwalzer“ und die Polka „Veilchenblaue Augen“. Die Tanzdarbietungen wurden von der Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen begleitet. Zwischen den einzelnen Programmpunkten spielten die beiden Kapellen abwechselnd, um dann zum furiosen Finale gemeinsam aufzuspielen. Die Tanz- und Musikdarbietungen wurden von dem zahlreichen Publikum auf dem Marktplatz mit starkem Beifall belohnt.

Zu der anschließenden Feierstunde mit Kranzniederlegung am Denkmal der Banater Schwaben begaben sich die Trachtengruppen und Gäste in Blasmusikbegleitung in die Mörike-Anlagen. Dort steht das vor 25 Jahren eingeweihte Banater Denkmal, ein Werk des Metallbildhauers Ingo Glass. 

In seiner Ansprache sagte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber: „Wir sind hier zusammengekommen, um unserer Verstorbenen zu gedenken. Jener aus unserer Gemeinschaft, die an Orten gestorben sind, mit denen wir in den leidvollen Kapiteln unserer Geschichte in den letzten hundert Jahren in Berührung kamen. Orte, die es nicht mehr gibt, Gräber, die sehr schnell verschwunden waren. Wir haben sie in unserer Erinnerung bewahrt. Es sind Orte leidvoller Erfahrungen, die alle mit Krieg, mit Flucht, Deportation und Zwangsarbeit in Verbindung stehen.“

„Denkmäler erinnern, aber sie mahnen auch“, betonte Leber. Das Denkmal in Göppingen mit den symbolisch aufgeschichteten Kreuzen für die Opfer von Krieg und Gewalt sei groß geraten, es sei sehr hoch. „Es liegt an der Jugend (…), dafür Sorge zu tragen, dass es nicht weiter wächst“, mahnte Leber.

Zu dem Lied vom Guten Kameraden legten Oberbürgermeister Alex Maier und Landesvorsitzender Richard Jäger einen gemeinsamen Kranz seitens der Stadt Göppingen und des Landesverbandes Baden-Württemberg am Denkmal nieder. Einen weiteren Kranz legte der Generalkonsul von Rumänien in Stuttgart Dr. Radu Florea zusammen mit dem Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber nieder.

Mit einem gemeinsamen Abendessen in der Stadthalle für Gäste und Mitwirkende, gefolgt von Tanz zu den Klängen der Reutlinger Blaskapelle, endete das Landestrachtenfest.