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Tanzen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Zum Seminarwochenende der DBJT kamen rund einhundert Jugendliche ins Allgäu. Foto: Heike Wolf

Das Ergebnis der „Trachtenkunde“.

Melanie Müller war für den Kurs modernes Tanzen zuständig.

DBJT-Band präsentierte die neu einstudierten Lieder.

Ich hatte viel davon gehört, richtige Lobeshymnen, aber vorstellen? Vorstellen konnte ich mir nichts darunter. Ein Wochenende mit knapp 100 Jugendlichen, die alle dem Tanzen verfallen sind und Erwachsene nur eine kleine Minderheit darstellen. Das sollte funktionieren?

170 Kilometer, zweieinhalb Stunden Fahrzeit sowie knapp 10 Kilometer Stau und Dauerregen lagen hinter uns, als wir am 8. November gegen halb neun abends endlich in Unterhub ankamen. Selbst der Weg dahin war ein einziges Abenteuer, fernab jeglicher „Zivilisation“, versteckt zwischen Wiesen und Feldern, nur über Feldwege zu erreichen. Der Schwob tät saan: „Dort wu sich Fuchs und Haas gut Nacht saan, dort leit der Baurehof.“ Wir, das waren Ann-Kathrin aus Wendlingen und ich, auf unserem Weg zum zweiten Brauchtumsseminar 2013 nach Unterhub/ Bad Wurzach im Allgäu. Ohne ihre Hilfe wäre ich vermutlich noch eine ganze Weile suchend umhergefahren. Ann-Kathrin war bereits zum fünften Mal dabei und schon ganz aufgeregt. „Ines, es wird dir gefallen. Da sind so viele tolle Leute. Ich freu mich riesig alle wiederzusehen.“ Ihre Vorfreude konnte ich im ersten Moment nicht wirklich teilen. Ich war zum ersten Mal dabei, kannte bis auf wenige Ausnahmen niemanden und war erst einmal gespannt, was mich die nächsten Tage so erwarten würde. Als wir bei strömendem Regen endlich ankamen, hatten wir die Begrüßung durch Harald Schlapansky, Bundesvorsitzender der DBJT (Deutsche Banater Jugend und Trachtengruppen) natürlich verpasst. Zum Abendessen kamen wir dagegen genau richtig. Es gab „gfilldes Kraut“. Das durfte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Ann-Kathrin hatte sich zwischenzeitlich unter die Jugendlichen gemischt, von denen sie herzlich und innig begrüßt worden war.

Da gutes Essen bekanntlich verbindet, kam ich nach kurzer Zeit mit einigen der erwachsenen Begleitpersonen ins Gespräch. Dabei erfuhr ich dann so ganz nebenbei, dass die fleißigen Helfer in der Küche mal eben 540 Krautwickel gemacht oder anders gesagt 20 Kilogramm Hackfleisch und 13 Sauerkrautköpfe verarbeitet hatten. Jeder, der das selbst schon mal gemacht hat, weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt. Deshalb hier ein herzliches Dankeschön an das Kochteam der Tanzgruppe Karlsruhe, das uns während des gesamten Wochenendes kulinarisch versorgte.

Da wir ja nicht nur zum Essen in Unterhub waren, ging’s nach kurzer Pause auch schon mit dem ersten Programmpunkt los: „Trachtenkunde“. Mit viel Geduld erklärten Alwine Zippert, Heidi Müller und Sandra Hirsch das richtige Anlegen, die richtige Reihenfolge beim Anziehen und die Besonderheiten der Kirchweihtrachten aus Billed, Bakowa, Wetschehausen, Mercydorf und Saderlach sowie die Kindertracht aus Sanktanna. Dazu konnten sich Jugendliche freiwillig melden und selbst Hand anlegen. „Sinn und Zweck ist es, den Jugendlichen die Handhabung mit der Tracht beizubringen, damit sie beim Anziehen helfen können. Leider ist es oft so, dass wir die Mütter zu den Veranstaltungen nicht mitnehmen können und dann ist jede Hilfe willkommen“, umschrieb Heidi Müller den Grundgedanken hinter dem Vortrag. Während die Jugendlichen in die „Geheimnisse des Ankleidens der Trachten“ eingeweiht wurden, traf sich im Nebenraum der Arbeitskreis „Kulturprogramm für den Heimattag in Ulm 2014“. Große Ereignisse werfen ihre Schatten bekanntlich voraus und wollen gut geplant sein. In der knapp zwanzigköpfigen Gruppe wurde erklärt, verworfen, geändert, ausgetauscht und viel diskutiert. Ja, es war nicht einfach, aber ich kann sagen, ohne viel verraten zu wollen, ein Besuch der Heimattage 2014 lohnt sich. Das Programm ist mehr als sehenswert. Die Diskussionsrunde des Arbeitskreises war lang und anstrengend und zog sich bis weit nach Mitternacht.

Dass mein erster Abend dann noch so lange werden würde, hätte ich bei meiner Anreise allerdings nicht gedacht. Während die Jugendlichen bereits in ihren Betten schliefen, um fit und ausgeruht für den folgenden anstrengenden Tag zu sein, saßen wir Erwachsenen noch in geselliger Runde zusammen. Da wurden Gitarren, Mundharmonika und Geige gezückt und gemeinsam gesungen und musiziert. Alt und modern, Schlager, Volkslieder oder Rock und Pop, es gab nichts, was ausgelassen wurde. Stunde um Stunde verging und ans Aufhören schien dabei keiner zu denken, ebenso wenig wie ans Aufstehen am nächsten Tag. Mein Tag war lang oder die Nacht kurz, geschlafen habe ich auf alle Fälle nichts. Als das Küchenteam morgens um sieben gut gelaunt das Frühstück vorbereiten wollte und fragte, ob ich noch immer oder schon wieder hier sei, musste ich auch nicht mehr schlafen gehen.

Gestärkt von dem guten und reichhaltigen Frühstück, versammelten sich alle am Samstag in den jeweiligen Seminarräumen, um mit den Kursen zu beginnen. Stefan Ruttner zeigte einigen Jugendlichen und Kindern die Grundschnitte in Walzer und Polka und brachte ihnen dabei den richtigen Schwung beim „Zeppeln“ bei. Melanie Müller war für den Kurs modernes Tanzen zuständig und heizte den Teilnehmern bei flotter Musik mächtig ein. Die DBJT-Band unter der Leitung von Günter Kaupa übte fleißig an neuen Liedern.

Peter Schweininger, Leiter der Tanzgruppe Saar aus Ungarn, leitete den für mich faszinierendsten und vermutlich anstrengendsten Workshop. Ich dachte, an diesem Wochenende ginge es ums Tanzen, dass dafür erst einmal eine knappe Stunde Skigymnastik auf dem Programm stehen würde, war mir neu. Da hieß es hüpfen, Kniebeugen, trippeln auf der Stelle und vieles mehr. Die Begründung kam von Peter selbst: „Bevor wir mit dem Tanzen beginnen, müssen wir erst mal alle Gelenke und Muskeln aufwärmen. Die Gefahr, dass jemand umknickt und sich dabei verletzt ist ansonsten einfach zu groß. Außerdem ist es gut für die Kondition.“ Und die ist mächtig gefordert, denn das eigentliche Tanztraining kam ja noch. Ann-Kathrin, die es sich nicht nehmen ließ, an diesem Workshop teilzunehmen, meinte hinterher nur zu mir: „Ines, ich habe solche Schmerzen in den Oberschenkeln, dass ich nicht mal richtig sitzen kann.“

Mittags wurde zur Stärkung „Krumbirsupp mit Kipfle“ serviert, die sich alle gut schmecken ließen, bevor die Arbeit in den Workshops weiterging. Bei den Kipfeln ließ sich das Küchenteam übrigens nicht lumpen, 546 Stück wurden in liebevoller Handarbeit hergestellt.

Nach den ersten Nachmittagskursen trafen sich alle zur Kaffeepause mit selbst gemachtem Kuchen. So konnten sich alle nochmals stärken und etwas verschnaufen. Die Pause tat mir übrigens auch ganz gut. Nach fast zehn Jahren Auszeit, schwang auch ich, nicht ganz freiwillig, wieder das Tanzbein. Dabei wollte ich doch nur zusehen und fotografieren. Stefan Ruttner fragte nicht lang und meinte auf meine Widerrede nur schmunzelnd: „Kannst zepple? Ja? Also dann kannst tanzen. Die Figuren sag’ ich dir an.“ Wohl denn. Gesagt, getan. Einen Dank an Stefan, der dieses Experiment wagte.

Während die einen tanzten, wirbelten die anderen schon wieder in der Küche umher und bereiteten das Abendessen vor, Putengeschnetzeltes mit Spätzle und Salat. Bei mir machte sich so langsam Müdigkeit breit, die durchzechte Nacht steckte mir in den Knochen und so fiel ich sehr schnell an diesem Abend ins Bett. Dadurch verpasste ich leider das Ständchen, das für Johannes Krispin gesungen wurde, der an diesem Wochenende seinen 14. Geburtstag feierte und mit einem selbst gebackenen Kuchen überrascht wurde.

Der Weckruf am nächsten Morgen kam wie immer viel zu früh und riss alle aus ihren Träumen. Nach dem Frühstück gab es von allen Gruppen eine Vorführung des Neuerlernten und Aufgefrischten. Die DBJT-Band präsentierte zwei neu einstudierte Lieder und erntete dafür viel Applaus.

So ging das Seminarwochenende für alle viel zu schnell vorbei. Auch für mich verging die Zeit wie im Flug und machte unheimlich viel Spaß. War ich anfangs noch skeptisch, ob das alles funktionieren konnte, so bin ich nach diesem Wochenende davon überzeugt, dass es klappt. Und nicht nur das. Ich danke allen für die schöne Zeit und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit vielen neugewonnenen Freunden.   

Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert. Die Teilnehmen und die Organisatoren danken für die Unterstützung.