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Traditionspflege und Erinnerungskultur in der alten Heimat: Ulmbacher Online-Kirchweih und Bărăgan-Gedenkfeier

Am Neupetscher Bahnhofsgebäude enthüllte Gedenktafel für die Opfer der Bărăgan-Deportation

Frische Blumen am Denkmal der Bărăgan-Verschleppten in der Gemeinde Roseţi, zu der das Deportationsdorf Olaru gehörte

Kranzniederlegung zum Gedenken an die Opfer der Bărăgan-Deportation am Kriegerdenkmal auf dem katholischen Friedhof von Ulmbach durch die Bürgermeister der Gemeinde Peciu Nou und der Bărăgan-Gemeinde Roseţi Einsender der Fotos: HOG Ulmbach-Neupetsch

Keine fünf Kilometer weit weg von der Donau geboren, Vater und Urgroßmutter am Ufer der Donau beerdigt – da schließt man doch unwillkürlich auf die Vita eines Ur-Donauschwaben. Tatsächlich trifft die Beschreibung jedoch auf den Spross einer 1951 in die Bărăgansteppe deportierten Banater Schwabenfamilie zu, der diese enge Nachbarschaft zur Donau durch ein unmenschliches und unsinniges Dekret der damaligen rumänischen Regierung aufgezwungen wurde.

Man könnte sich die etwas utopische Frage stellen, ob der Westen die Klagen der Betroffenen damals erhört hätte, wenn die Donau zum Schwarzwald hin fließen würde... Doch der Gang der Geschichte wie auch der Lauf der Donau sind nicht zu ändern. Und somit spülte der Länder verbindende Strom die Klagelieder über sein mächtiges Delta in das Schwarze Meer, wo sie mit ihren fünf Jahre älteren und vom Westen ebenfalls nicht erhörten Geschwistern unserer in den Donbass verschleppten Landsleute verschmolzen. Vielen Banater Schwaben raubte dieses willkürliche Leid ein ganzes Jahrzehnt ihrer Jugend – die schönste Zeit des Lebens.

Die Betroffenen haben selten und ungern über diese Zeit gesprochen. Teils aus Angst vor den Schergen des damaligen kommunistischen Regimes, teils aus Rücksicht auf ihre Kinder und Enkel, deren Leben sie nicht mit diesen unsäglichen Erinnerungen belasten wollten. Erinnerung braucht Raum und Zeit und es ist tröstend, dass man ihr in unserer alten Heimat nach Jahrzehnten des Ignorierens und der Verdrängung beides wieder zuerkennt. Nur auf diese Weise können die tiefen Verletzungen in den Seelen der Betroffenen Milderung erfahren – heilen werden sie nie…

In diesem Sinne fand am 17. Juni in unserer alten Heimat eine Gedenkfeier zu „70 Jahre seit der Bărăgan-Deportation“ statt. In Erinnerung an die unmenschliche „Verfrachtung“ zahlreicher Deutscher und Serben in Viehwaggons wurde am Neupetscher Bahnhofsgebäude eine Gedenktafel enthüllt. In Serbisch-Sanktmartin und Diniasch fanden Gedenkfeiern zur Deportation der Serben statt. 

An der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel nahmen unter anderem teil: Bürgermeister Gabriel Răzvan Drăgan und Vizebürgermeisterin Nicoleta Grubacichi (beide Peciu Nou), Bürgermeister Nicolae Râjnoveanu (Roseți), Zoltán Németh, Präfekt des Kreises Temesch, und die Pfarrer aus Roseți und Modelu (Bărăgan), Serbisch-Sanktmartin und Diniasch.

Aufgrund der Pandemie-Einschränkungen war unsere Heimatortsgemeinschaft leider nicht vertreten. Die Gedenkfeier zur Bărăgan-Deportation unserer Ulmbacher Landsleute wurde auf Anfang September 2021 verschoben – sofern es die Corona-Lage zulässt.

In großer Dankbarkeit haben wir zur Kenntnis genommen, dass trotzdem auch an unserem Kriegerdenkmal auf dem katholischen Friedhof Kränze niedergelegt wurden. Und zwar seitens der Gemeinde Peciu Nou und seitens der Bărăgan-Gemeinde Roseți, welche überraschender Weise mit einer hochrangigen Delegation bei den Feierlichkeiten vertreten war. Zur Gemeinde Roseți gehörte vor 70 Jahren das von den Verschleppten aus dem Boden gestampfte Dorf Olaru, in dem – neben Lăteşti (Borduşanii Noi) – viele Ulmbacher fünf Jahre und mehr zwangsweise verbringen mussten. Nach dem Umsturz (1989) wurde im Zentrum der Gemeinde Roseți (bei Călăraşi) ein Bărăgan-Gedenkstein errichtet – unvorstellbar zu kommunistischen Zeiten. Im Juni 2021 hat der orthodoxe Pfarrer Giorgian Șerban das Denkmal mit wunderschönem Blumenschmuck bedacht – eine Geste, für die wir ihm im Namen aller ehemaligen Deportierten von Herzen danken.

Die Kranzniederlegung und die Enthüllung der Gedenktafel wurden in einem kurzen, von „SUD VEST TV – Timişoara“ realisierten Video dokumentiert: Drohnenaufnahmen des Friedhofs, bewegende Momente der Kranzniederlegung durch die beiden Bürgermeister der Gemeinden Peciu Nou und Roseți sowie den Pfarrern Giorgian Șerban (Roseți) und Cristinel Constantin Borcan (Modelu) und Vizebürgermeisterin Nicoleta Grubacichi. Die berührende Hintergrundmusik wird von unserem Ulmbacher Chor gesungen: „Näher mein Gott zu Dir“ (Aufnahme in der katholischen Kirche Rechberghausen, Leitung Winfried Janke und Hans Engelmann, Bauer Studios Ludwigsburg, 1998).

In Anbetracht der eindrucksvollen und äußerst gelungenen Gedenkfeier und der dazugehörenden Aufzeichnung weiß ich nicht, bei wem ich mich zuerst bedanken soll. Darum ergeht mein Dank im Namen unserer Heimatortsgemeinschaft an alle Mitwirkenden, die mitunter auch hunderte Kilometer Anreise in Kauf genommen haben, und vor allem an Bürgermeister Gabriel Răzvan Drăgan.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bei einem vorangegangenen, traditionsgebundenen Projekt – der ersten „Ujbetscher Online-Kerweih“. Das bemerkenswerte Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist eine am Ulmbacher Kirchweihsonntag präsentierte 40-minütige Facebook-Live-Dokumentation des Banater TV-Senders „SUD VEST TV – Timişoara“, in deren Vorspann es heißt:

„Seit nunmehr 245 Jahren klingen die Ulmbacher Glocken bei Freud und Leid in unserer alten Heimat. Auch beim jährlichen Kirchweihfest rufen sie auf zum feierlichen Gottesdienst und zum wichtigsten Fest im Ulmbacher Jahreslauf. Seit ein paar Jahrzehnten können wir ihrem Ruf leider nicht mehr vor Ort folgen, das Kirchweihfest feiern wir jetzt in der neuen Heimat – in Eltersdorf, Schwabach oder seit 38 Jahren in Rechberghausen. In den letzten zwei Jahren verriegelte uns die Corona-Pandemie den Weg ins Kirchweihzelt. Und trotzdem bleibt für unsere Landsleute aus Übersee, Österreich und vor allem Deutschland der Dreifaltigkeitssonntag der Tag unseres Kirchweihfestes, den wir diesmal zum ersten Mal über die neuen Medien, also online feiern wollen.

Genießen Sie den Anblick der wunderschönen Trachten, lauschen Sie den Klängen unserer Original Banater Schwabenkapelle (Leitung Horst Stromer), unseres Ulmbacher Kirchenchors (Leitung Winfried Janke und Hans Engelmann) oder Hilde und Werner Maurer mit ihrer Sunshine Band.“

Der aus Foto- und Videodokumenten bestehende Kirchweihrückblick unter dem Motto „Buwe, was han mer heit?“ wird umrahmt von aktuellen Aufnahmen aus unserer ehemaligen Heimatgemeinde, einem Gespräch zwischen Bürgermeister Gabriel Răzvan Drăgan und Peter Rieser, dem Vorsitzenden der HOG Ulmbach-Neupetsch, sowie der traditionellen Kirchweihansprache der zweiten Vorsitzenden unserer HOG Elfriede Beck. Zum Schluss erklingt der vom Ulmbacher Kirchenchor hervorragend gesungene „Friedensfürst“. Wunderschöne Erinnerungen wecken die aus der Sammlung Horst Stromers stammenden Kirchweihfotos aus dem Jahr 1976. Da gerät sogar Bürgermeister Drăgan ins Schwärmen, schließlich hatte er als Kind ja auch als stolzer „Kerweihbu“ bei der „Minikirchweih“ mitgemacht. Der während der Kirchweihwoche von der HOG Ulmbach-Neupetsch vor dem Rathaus Peciu Nou aufgestellte Maibaum fügt sich somit ehrerbietig ins Bild…

Zu all den aktuellen und geplanten Vorhaben in Zusammenarbeit mit unserer Heimatortsgemeinschaft äußerte sich Bürgermeister Drăgan im Juni in der rumänischsprachigen Sendung „Oameni_fapte_atitudini“ des „SUD VEST TV – Timişoara“.

Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei Dorin Imbrescu bedanken, dem Initiator und Moderator der beiden Projekte, deren Ergebnisse auf der Homepage der Heimatortsgemeinschaft Ulmbach-Neupetsch unter www.ulmbach.de eine äußerst hohe Resonanz gefunden haben, desgleichen bei Facebook (geschlossene Gruppe „Ulmbach/ Neupetsch/Peciu Nou“) und im YouTube-Kanal der HOG Ulmbach-Neupetsch.