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Verbunden in Freude und im Gedenken an Leid - 70 Jahre Kreisverband Augsburg und Deportation in den Bărăgan

Kranzniederlegung am Banater Gedenkstein, von links Dr. Volker Ullrich MdB, Kreisvorstandsmitglieder Hans Kiss und Otmar Metzenrath und Kreisvorsitzende Dr. Hella Gerber Fotos: Nikolaus Dornstauder

Applaus für die Mitwirkenden beim Gedenken an die Opfer der Bărăgan-Deportation mit Pfarrer Alexander Lungu am Banater Gedenkstein; vorne rechts neben dem Stein der 96-jährige Zeitzeuge Hans Wiewe.

Freud und Leid liegen oft nah beieinander. Das wurde so manchen der Anwesenden bewusst, die in Augsburg zusammengekommen waren, um den 70. „Geburtstag“ des Kreisverbandes zu feiern, der 1951 aus der Taufe gehoben worden war. Zu verdanken war dies damals dem beispiellosen Engagement des Kaufmanns und ehemaligen Direktors der Banater Genossenschaft „Agraria“ und der „Agricola A. G.“  in Temeswar Peter Ludwig, bis 1978 aktiver Vorsitzender, der viele Weichen stellte. Schon 1952 wurde in Augsburg der erste Trachtenverein gegründet, ein Vorreiter für die landsmannschaftliche Kulturarbeit der Banater Schwaben. 

Gleichzeitig ist es aber in diesem Sommer auch genau 70 Jahre her, dass 40000 Menschen, darunter 10000 Banater Schwaben, vom kommunistischen Regime Rumäniens auf unmenschliche Weise in die Bărăgan-Steppe deportiert worden sind, wo sie unter unvorstellbaren Bedingungen fünf Jahre lang Wind und Wetter trotzen mussten. Etliche von ihnen waren gerade erst aus der Deportation in die Sowjetunion zurückgekehrt. Hoffnung und Neuanfang auf der einen Seite, zur selben Zeit Rückschläge und Willkür auf der anderen. Das steht fast schon symbolhaft für die Höhen und Tiefen der Nachkriegsgeschichte der Banater Schwaben.

Selbstverständlich hatte der Kreisverband Augsburg von langer Hand geplant, seine Jubiläumsfeier in großem Rahmen angemessen zu feiern: Vorträge, Ausstellung, Konzert, Gottesdienst und ein zünftiges Fest mit vielen Gästen waren vorgesehen, wie es einem sehr aktiven und mitgliederstarken Verein gut zu Gesicht steht. Die Pandemiebedingungen hatten das Programm aber auf einen Corona-konformen Gedenkgottesdienst eingeschmolzen, der aus aktuellem Anlass gleichzeitig auch der Erinnerung an die Bărăgan-Deportation gewidmet war.

In der Kirche „Zum Guten Hirten“ im Augsburger Univiertel zelebrierte der aus dem Banat stammende Pfarrer Alexander Lungu einen würdigen Gottesdienst, umrahmt von Beiträgen von Teilen des Seniorenchors unter der Leitung von Aniko Oster und begleitet von Werner Zippel an der Orgel. Die Fürbitten lasen Silke Latzo und Tine Slavik. Trotz der Beschränkungen konnte die Vorsitzende des Kreisverbandes Hella Gerber zahlreiche Ehrengäste begrüßen: Vertreter des Stadtrates, die Bezirksrätin Annemarie Probst, Vertreter des BdV und der befreundeten Siebenbürger Sachsen und allen voran Bundestagsmitglied Volker Ullrich als Festredner waren der Einladung der Banater Schwaben gern gefolgt. 
Hella Gerber wies darauf hin, dass in Augsburg die Wurzeln der landsmannschaftlichen Tätigkeit in der Bundesrepublik überhaupt gelegt worden sind, denn Peter Ludwig hatte hier mit insgesamt acht Banater Schwaben am 14. September 1947 den „Banater Ausschuss“ als Vorläufer der späteren Landsmannschaft ins Leben gerufen und dazu wenige Jahre später auch gleich einen Augsburger Bezirksverband. „Wir wären keine Schwowe, wenn wir nicht auch das überstehen würden“, resümierte die Kreisvorsitzende nun mit Blick auf die gegenwärtige Pandemie-Situation, die jedoch angesichts der vielen überstandenen Leiden an Gewicht verlor.

Christa Eichinger, Leiterin der Theatergruppe des Kreisverbandes, trug das Gedicht „Baraganfriedhof“ des Johannisfelder Deportierten Mathias Kandler vor. Es folgte eine eindringliche Erinnerungsrede des 96-jährigen ehemaligen Deportierten Hans Wiewe aus Triebswetter, ein langjähriges und sehr aktives Mitglied des Kreisverbandes. Das Lied „Oh Baragan, oh Baragan, jetzt sind wir in der Wüste dran“ sang die Zeitzeugin Elisabeth Frahler, ursprünglich aus Lenauheim, gemeinsam mit der Chorleiterin Aniko Oster. „Das Gute ist nicht kaputt gegangen“, war nach dieser eindrucksvollen Feier das Fazit von Pfarrer Lungu.

Der zweite Teil der Veranstaltung fand anschließend am Banater Gedenkstein neben der Kirche statt, wo zunächst ein Kranz zur Erinnerung an die beiden Ereignisse vor 70 Jahren niedergelegt und von Anneliese Märzacker aus Bogarosch, deren Familie von der Deportation besonders betroffen war, eine Kerze zum Gedenken an die Bărăgan-Toten angezündet wurde. Festredner MdB Volker Ullrich erinnerte die Anwesenden daran, dass für die Gedenkveranstaltung passenderweise der 20. Juni gewählt wurde, der seit 2015 in der Bundesrepublik Deutschland als Gedenktag für Flucht und Vertreibung begangen wird. Die Banater Schwaben legten eindrücklich Zeugnis darüber ab, dass Unrecht nicht mit Unrecht zu vergelten und Erinnern ein Teil der Versöhnung ist. Als häufiger Gast bei Veranstaltungen der Banater Schwaben bedauerte er aufrichtig, dass die Geburtstagsfeier des Kreisverbandes der Pandemie zum Opfer gefallen ist, orakelte jedoch zuversichtlich, „dass das rauschende Fest mit Sicherheit noch kommen wird.“

Die symbolischen „Glocken der Heimat“ ließ der Chor als Geburtstagsständchen für den Kreisverband erklingen und die Bläser setzten mit „Oh Maria, Gnadenvolle“ den stimmungsvollen Abschluss. Mit dankbarer Freude äußerten die im Rahmen der Möglichkeiten zahlreich erschienenen Besucher ihre Hoffnung, dass Begegnungen und Gemeinschaftsaktionen wie diese bald wieder in größerem Rahmen möglich sein werden.