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70 Jahre seit der Deportation in die Bărăgan-Steppe - Zeitzeugen eine Stimme geben

Erste Unterkunft einer in die Bărăgan-Steppe deportierten Familie Foto: Jakob Thöress/Archiv BP

Am 13. Mai 2001 fand in München die zentrale Gedenkveranstaltung „50 Jahre Bărăgan-Deportation“ statt, zu der die Landsmannschaft der Banater Schwaben und das Haus des Deutschen Ostens in München eingeladen hatten. Ähnlich wie 1995, als an die Russlanddeportation erinnert worden ist, war es das erste zentrale Gedenken an ein Ereignis, welches unsägliches Leid über Familien und Sippen gebracht hat. 

Knapp 1000 Teilnehmer wurden vor zwanzig Jahren bei der Veranstaltung in München gezählt, darunter viele ehemalige Deportierte. Es fand ein wissenschaftliches Symposion statt, wo Historiker und Betroffene versuchten, diese Ereignisse einzuordnen, eine Ausstellung zu „50 Jahre Bărăgan-Deportation“ wurde gezeigt. Ehemalige Deportierte trafen sich an Tischen, die nach den 18 Deportationsorten geordnet waren, am Nachmittag bildete sich ein nicht enden wollender Zug von Teilnehmern zum Dank- und Gedenkgottesdienst in der St. Ruppert-Kirche am Gollierplatz. Die Priester Peter Zillich und Reinholdt Lovasz segneten die 14 Kreuzwegstationen, Ölgemälde aus einem bayerischen Kloster, die in einer neuen katholischen Kirche in Călărași einen neuen Platz finden sollten. Die Priester riefen die ehemaligen Deportierten zum Altar und überreichten ihnen ein kleines Kreuz mit einer Friedenstaube. Symbolik allerorten an diesem Tag. Auch durch die Teilnahme der aus Großjetscha stammenden Hedwig Ion-Gilde, deren Familie 1956 nicht in das Banat zurückkehren durfte und die letztlich dortgeblieben ist. 

Umfangreich war die Botschaft des damaligen rumänischen Staatspräsidenten Ion Iliescu an die ehemaligen Deportierten: „Wir teilen die Gefühle, mit denen Sie diesen schweren Augenblicken gedenken, die damals von vielen Angehörigen ihrer schwäbischen Gemeinschaft im Banat erlebt wurden. Ich will ihnen unser Mitgefühl, unsere Achtung und menschliche Solidarität zum Ausdruck bringen, die wir für all jene, über die dieses Unglück hereingebrochen ist, empfinden.“

Und bezüglich des Unrechts vor und im Zuge der kommunistischen Machtergreifung sagte Iliescu: „Wir wissen, dass die Deutschen in Rumänien von vielen dieser Maßnahmen am meisten betroffen waren: Die Deportation zur Zwangsarbeit in die ehemalige Sowjetunion, Verstaatlichung, Verbannung, Enteignung durch die Agrarreform, Verlust des persönlichen Eigentums, ihrer Bauernhöfe, Enteignung von Gebäuden der deutschen Gemeinschaft einschließlich der konfessionellen Schulen – all dies konnte nicht ohne schwerwiegende Folgen für die Existenz der deutschen Minderheit, für den Erhalt ihrer Traditionen und ihrer Identität bleiben.“ Der damalige Bundesvorsitzende Jakob Laub erinnerte an die Bemühungen unserer noch kleinen Landsmannschaft, das Unrecht der Deportation in den Bundestag, die Landtage und damit in die Öffentlichkeit der freien Welt zu bringen. Es war das erste koordinierte und öffentliche Eintreten unserer Landsmannschaft für die Landsleute hinter dem Eisernen Vorhang, denen es nicht möglich war, ihre Stimme zu erheben. 

Rumänien hat nicht nur das Unrecht anerkannt, sondern den Betroffenen eine finanzielle Entschädigung anerkannt. Das gilt bis heute, kürzlich erst wurde sie auf die Kinder der politisch Verfolgten ausgedehnt, sofern die Eltern gestorben sind. Damit hat das Land eine Ausnahmestellung erreicht, wenn man Vergleiche mit anderen Staaten in Südost- oder Mitteleuropa anstellt, die ihre deutsche Minderheit nach dem Krieg oft wesentlich schlechter behandelt haben. Das bekommen wir immer wieder von ihnen zu hören. Anspruchslos fügen wir hinzu, dass es die Landsmannschaften mit ihren vielen Mitgliedern waren, die letztlich auch erreicht haben, dass diese Entschädigungen auch an nichtrumänische Staatsbürger gezahlt werden – die Landsmannschaften mit ihrem Bundestagsabgeordneten Bernd Fabritius, mit dem Abgeordneten Ovidiu Ganţ in Rumänien, durch ihr grenzüberschreitendes Wirken, durch den Aufbau tragfähiger Beziehungen, durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Pandemiebedingt kann in diesem Jahr kein Gedenken an die Bărăgan-Deportation im größeren Kreis stattfinden. Wir sollten uns aber weiterhin diesem Thema widmen, Ursachen, Verlauf und die Folgen dieser Deportation dokumentieren. Manches liegt noch im Dunkeln, Zeitzeugen sind da und warten, dass wir ihnen eine Stimme geben. Die nächste Generation sollte sie vernehmen.