Mit der Verschleppung der arbeitsfähigen Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion im Januar 1945 begann das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Deutschen aus Südosteuropa. Dieser Unrechts- und Willkürmaßnahme gegen Zivilpersonen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, lagen allein ethnische Kriterien zugrunde. Laut Beschluss des sowjetischen Verteidigungskomitees vom 16. Dezember 1944, unterzeichnet von Josef Stalin, wurden alle „arbeitsfähigen Deutschen – Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren und Frauen von 18 bis 30 Jahren –, die sich auf den von der Roten Armee befreiten Territorien Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der Tschechoslowakei“ befanden, „mobilisiert“ und „zum Wiederaufbau der Bergbauindustrie im Donezbecken und der Schwarzmetallurgie des Südens“ eingesetzt. Aus allen Teilen Rumäniens wurden rund 70000 Deutsche deportiert, darunter etwa 35000 Banater Schwaben und Berglanddeutsche.
Sie, die 35000 Opfer der Deportation, hat es am härtesten getroffen – davon zeugen die erschütternden Erlebnisberichte von Betroffenen, die im Laufe der Jahre in verschiedenen Publikationen, auch in unserer Verbandszeitung, erschienen sind. Doch der Opferbegriff muss viel weiter gefasst werden, zumal die damaligen Ereignisse folgenschwere Auswirkungen auf die daheimgebliebenen Angehörigen hatten. Man denke nur an das Schicksal der zurückgelassenen Kinder, derer sich die Großeltern annahmen, an deren eigenes Leid, an die materielle Not, die damals herrschte, an die Jahre der Ungewissheit und der Hoffnung auf die Heimkehr ihrer Söhne und Töchter, an die Trauer und den Schmerz in den Familien, die Todesopfer zu beklagen hatten. Denn viele schafften es nicht, ihre Lieben und ihre Heimat wiederzusehen. Für die Heimkehrer ist die Deportation zeitlebens eine traumatische Erfahrung geblieben, ein tiefer Einschnitt in ihrer Biografie. Darüber hinaus war die Russlanddeportation auch für die Gemeinschaft der Banater Schwaben ein in vielerlei Hinsicht einschneidendes Ereignis, das sich tief in das kollektive Gedächtnis der Gruppe eingebrannt hat.
Für die Generation der Kinder und Enkel jener Gezeichneten stellt sich heute die Frage des Umgangs mit diesen Ereignissen, der Einordnung in ihre Biografien, aber auch in die Geschichte unserer Gemeinschaft. Antworten darauf gaben die im vergangenen Jahr aus Anlass der 75-jährigen Wiederkehr der Deportation im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm veranstaltete Gedenkfeier, bei der Kinder von Russlanddeportierten zu Wort kamen, wie auch das von unserer Landsmannschaft initiierte Dokumentations- und Publikationsprojekt „Die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion aus der Sicht ihrer Kinder“, dessen Ergebnisse in Kürze in Buchform vorgelegt werden.
Die tragischen Geschehnisse und die Schrecken jener Jahre sind bis heute nicht vergessen. Es bleibt unsere Aufgabe, als Gemeinschaft an die Deportation und das damit verbundene Unrecht immer wieder mahnend zu erinnern und der Opfer ehrend zu gedenken. Dieser Verpflichtung kommt unsere Landsmannschaft nach, indem Landes- und Kreisverbände alljährlich Gedenkfeiern mit Kranzniederlegungen veranstalten. So ist es seit langem Tradition, dass der Landesverband Bayern jedes Jahr an einem anderen Ort in Zusammenarbeit mit dem dortigen Kreisverband ein öffentliches Gedenken organisiert.
Coronabedingt konnten in diesem Jahr keine öffentlichen Gedenkveranstaltungen stattfinden. Dennoch blieb der 76. Jahrestag der Russlanddeportation nicht unbeachtet, kein Opfer vergessen. Es war diesmal ein stilles Gedenken, das in Landshut und in München stattfand.
Am 16. Januar legten der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern Harald Schlapansky und der Vorsitzende des Kreisverbandes Landshut Hans Szeghedi am Mahnmal „Wider das Vergessen“ in Landshut einen Kranz nieder und gedachten in aller Stille der Deportationsopfer. Das Mahnmal an der Podewilsstraße, ein Werk des Banater Bildhauers Walter Andreas Kirchner, wurde vor zwanzig Jahren zur Erinnerung an den von Russland- und Baragan-Deportation geprägten Schicksalsweg der Banater Schwaben im 20. Jahrhundert als auch an ihre Aufnahme und Heimatfindung in Landshut und in Bayern am Ende dieses steinigen Weges errichtet.
Am Tag davor hatten der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben Peter-Dietmar Leber und der Vorsitzende des Kreisverbandes München Bernhard Fackelmann an der Gedenkstätte der Banater Schwaben auf dem Friedhof in München-Untermenzing einen Kranz für die Opfer der Deportation aus unserer Gemeinschaft niedergelegt und zwei Grablichter entzündet. In stillem Gebet verweilten sie vor der im Januar 2015 enthüllten Gedenktafel für die Opfer der beiden Weltkriege, der Russland- und Bărăgan-Verschleppung und alle in der alten Heimat Verstorbenen.
Die beiden Kranzniederlegungen waren kleine, aber nicht minder wichtige Zeichen gegen das Vergessen und der Solidarität mit den wenigen noch lebenden ehemaligen Deportierten und ihren Nachkommen.