Die Redaktion der Banater Post hat zur Klärung offener Fragen bei Beantragung der Entschädigungsleistung für Kinder von verschleppten Personen ein Gespräch mit RA Dr. Bernd Fabritius geführt. Fragen und Antworten geben wir nachfolgend wieder.
F: Welche Kinder sind von der neuen Regelung erfasst?
A: Das Gesetz wurde um drei Gruppen von Anspruchsberechtigten erweitert: Kinder, deren Elternteil noch in der Verschleppung verstorben sind, haben einen eigenen Anspruch auf monatlich 500 RON (etwa 104 €). Kinder, die während der Verschleppung der Eltern bereits gelebt haben, können die gleiche Höhe der Entschädigung beanspruchen, wie diese dem betroffenen Elternteil zugestanden hat. Das wären bei 5 Jahren Russlandverschleppung für jedes Jahr 700 RON, zusammen also 5x700 RON, entspricht etwa 730 € im Monat. Haben Betroffene nach Rückkehr aus Russland auch noch weitere Verschleppungen erlebt (Baragan, Zwangswohnsitze etc), werden die Jahre dazugezählt. Kinder, die erst nach dem Ende der Verschleppung geboren wurden, bekommen die Hälfte.
F: Wird die Entschädigung einmal gezahlt, oder laufend? Bekommt jedes Kind eine Entschädigung oder muss geteilt werden?
A: Es geht um eine laufende, lebenslange monatliche Zahlung. Jedes noch lebende Kind hat einen eigenen Leistungsanspruch, der auch separat geltend gemacht werden muss.
F: Können sowohl die betroffenen Personen als auch die Kinder die Leistung bekommen, oder sind Kinder erst nach dem Tode der Eltern antragsberechtigt?
A: Dieses ist eine noch offene Auslegungsfrage. Die Absicht des Gesetzgebers war die Einbeziehung der Kinder in einen eigenen Leistungsanspruch. Der Wortlaut des Gesetzes ist aber auslegbar: Zur Leistungshöhewird im Gesetz auf die Höhe der vom Betroffenen „bezogenen“ Leistung („a beneficiat“) abgestellt. In Ausführungsbestimmungen (regulament de aplicare) wird in Rumänien zu entscheiden sein, ob ein Anspruch nur nach dem Ableben der Betroffenen besteht und auch nur dann, wenn diese zu Lebzeiten selbst bereits einen Antrag gestellt haben, oder ob unabhängig davon alle Kinder einbezogen werden. Ich fände letzteres gerecht, weil die Betroffenheit der Kinder durch das Verschleppungsschicksal der Eltern gleich groß gewesen ist und daher keine solche Unterscheidung gemacht werden sollte. Darüber muss aber die in Rumänien zuständige Stelle entscheiden.
F: Sollen Betroffene dann noch mit der Antragstellung warten?
A: Art. 15 des Gesetzes DL 118/1990 regelt, dass eine Leistung erst an dem Folgemonat nach Antragstellung zusteht. Betroffene, deren Anspruchsposition klar gesichert ist (Kinder von verstorbenen Betroffenen, die bereits eine Anerkennungsentscheidung der AJPIS hatten oder noch in der Verschleppung verstorben sind) sollten so schnell als möglich die Anträge stellen. Kinder der anderen Fallgruppen (Eltern haben nie einen eigenen Antrag gestellt oder leben noch) müssen sich entscheiden, ob sie zur Fristwahrung jetzt bereits den Antrag stellen (und bei Klärung der Auslegungsfragen dann rückwirkend ihr Geld bekommen), oder lieber abwarten wollen, wie die Auslegungsfragen in Rumänien bestimmt werden - und dann einen späteren Leistungsbeginn akzeptieren. Ich rate bei laufenden Fristen wie der nach Art. 15 DL 118/90 meist dazu, Anträge lieber vorsorglich zu stellen, statt darauf zu verzichten, um nachher - sollte eine Genehmigung möglich sein - nicht Zahlungen durch verspätete Beantragung verloren zu haben.
F: Was muss bei Antragstellung vorgelegt werden?
A: Das Antragsverfahren ist zweistufig (bei zwei Behörden, AJPIS und CJP) und entspricht dem bereits bekannten Verfahren nach DL 118/1990. In der ersten Stufe ist ein formeller Antrag an die AJPIS erforderlich, dem eine Lebensbescheinigung, ein Beleg über die erlittene Verfolgungsmaßnahme bzw. Anerkennung dieser durch die AJPIS, urkundliche Belege zum Nachweis der relevanten Personenstandsbeziehungen sowie eine Kopie des Personalausweises beizugeben sind. In der zweiten Stufe ist dann die in der ersten Stufe durchgesetzte „Decizie“ der AJPIS, ein formeller Antrag an die CJP, eine Lebensbescheinigung, eine Zahlungserklärung nach Vordruck für internationalen Sozialleistungstransfer inkl. Kontobestätigung, Personenstandsurkunden und eine Ausweiskopie beigefügt werden.
F: Einige Betroffene haben von ihren Urkunden (Geburtsurkunden etc.) nur noch die deutschen Übersetzungen. Reichen diese auch?
A: Bei einer rumänischen Behörde in Rumänien können keine deutschen Übersetzungen verwendet werden. Es müssen rumänische Urkunden beigebracht werden. Sind Urkunden in deutscher Sprache (z.B. in Deutschland ausgestellte Sterbeurkunden), müssen diese ins Rumänische übersetzt werden.
F: Wenn Kinder keine Belege mehr zur Verschleppung der Eltern haben, können diese noch beschafft werden?
A: Nach dem Gesetz muss der Verschleppungstatbestand belegt werden. Das kann mit jeder Art der Urkunde erfolgen. Es reichen z.B. die in den 50er Jahren ausgestellten Bescheinigungen oder auch eine Kopie des Arbeitsbuches, wenn dort die Verschleppung eingetragen ist. Oft können Kirchengemeinden einen Verschleppungsnachweis aus ihren Eintragungen in Verschleppungslisten erstellen. Wenn nichts davon mehr möglich ist, kann bei der Behörde zur Verwaltung der Securitate-Archive (CNSAS) in Bukarest eine Bestätigung angefordert werden. Oft werden sogar Zeugenerklärungen von anderen Betroffenen anerkannt, wenn diese einen eigenen Verschleppungsbeleg vorlegen können.
F: Reicht es aus, Unterlagen per E-Mail zu versenden?
A: Nein, das reicht nicht. Es geht ja um ein förmliches Administrativ-Verfahren, an dessen Ende die Auszahlung von Geld stehen soll. In solchen Verfahren reicht Mail-Verkehr nicht, es müssen ordentliche Belege vorgelegt werden. Diese sind per Post zu übermitteln, so dass eine Akte angelegt und bearbeitet werden kann.
F: Einige Behörden in Rumänien fordern die Bestellung eines Bevollmächtigten in Rumänien. Ist das verpflichtend?
A: Nein, das sind alte Verfahrensgewohnheiten, die seit dem Beitritt Rumäniens zur EU nicht mehr gültig sind. Der Antrag kann schriftlich aus Deutschland gestellt werden, die Leistung erfolgt auf ein Konto des Berechtigten in Deutschland.
F: Führt diese Entschädigung zu einer Kürzung der Rente in Deutschland?
A: Nein, auf keinen Fall darf wegen dieser Entschädigung eine Rente oder andere Leistung in Deutschland gekürzt werden. Vorsicht ist geboten, wenn jemand von der gleichen Stelle (CJP) sowohl eine gesetzliche Rente bezieht, als auch eine Entschädigungsleistung. Das wird oft vermengt und verwechselt, die in Deutschland geltende Kürzungsvorschrift § 31 FRG ist aber ausschließlich bei gesetzlichen Renten (pensie de asigurari de stat) anzuwenden, wenn diese auf Zeiten beruht, die auch nach dem FRG anerkannt wurden, nie bei anderen Entschädigungsleistungen.
F: Müssen Betroffene einen Anwalt einschalten oder können Anträge auch direkt selbst gestellt werden?
A: In diesen Verfahren besteht keine Verpflichtung zu anwaltlicher Vertretung, Anträge können selbstverständlich auch von den Betroffenen selbst ausgearbeitet und an die zuständigen Behörden (AJPIS und CJP) gesendet werden. Wenn Betroffene mit Verfahren in Rumänien keine Erfahrung haben oder mit dem hier zu beachtenden zweistufigen Verfahren, der Beschaffung und Prüfung der Unterlagen oder deren Übersetzung Hilfe benötigen, so kann natürlich eine Kanzlei mit der Antragstellung und Betreuung im Verfahren beauftragt werden, wenn diese Erfahrung mit Entschädigungsverfahren nach DL 118/1990 in Rumänien hat. Meine Kanzlei bietet diese Hilfe gerne an, auf meiner Webseite www.fabritius.de biete ich zudem (kostenlos) weitere allgemeine Informationen zu diesem Bereich an.
zum Download:
Vordruck "Cerere DL 118 legea 130_TM.doc"
Vordruck "Cerere DL 118 legea 130_AR.doc"
Vorsruck "Cerere DL 118 legea 130_CS.doc"