Das erste Wiedersehen der Jugendtanzgruppe Esslingen nach dem Lockdown - Strahlende, fröhlich lachende Gesichter, gekleidet in bunte banatschwäbische Trachten, Hände und Füße im Takt der Musik hebend, Hand in Hand Polka oder Walzer tanzend: Dieses Bild der Banater Trachten- und Tanzgruppen wird man wohl noch eine ganze Weile nicht zu sehen bekommen. Denn auch sie sind von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen. So auch die Tanzgruppe der Banater Schwaben des Kreisverbands Esslingen.
Eigentlich wollte sich die Tanzgruppe direkt nach dem Faschingsball im Februar mit der Choreografie neuer Tänze beschäftigen, auf die nächste Veranstaltung, vor allem auf die Reise nach Cannes, vorbereiten und mit dem Training loslegen. Doch dann machte ihr die Corona-Pandemie einen gründlichen Strich durch die Rechnung. Ab Mitte März der Lockdown – nichts ging mehr. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen war es ausgeschlossen, sich zu treffen, geschweige denn gemeinsam zu tanzen – die Enttäuschung groß, die Köpfe hingen tief. Eine Veranstaltung nach der anderen wurde abgesagt. Unsicherheit: Wie soll es weitergehen, was kommt da noch?
Doch ganz ohne die Gemeinschaft ging es dann doch nicht. Sehr schnell entstand die Idee, sich zu treffen – natürlich nicht persönlich. Digital, die Technik macht’s möglich. Statt in der Gartenschule in Wendlingen zu proben, traf man sich sodann regelmäßig am Freitagabend online. Die Beteiligung war rege, man tauschte sich aus über seinen Alltag im Lockdown, machte seiner Enttäuschung Luft, freute sich aber gleichzeitig auch darüber, im Kontakt zu sein. Es wurde aber nicht nur geredet, sondern auch gemeinsam gespielt, unter anderem Scribble, Bingo, Stadt-Land-Fluss oder Montagsmaler. Der Fantasie waren (fast) keine Grenzen gesetzt. Wie gesagt fast. So kann ein gemeinsames Geburtstagsständchen ungewollt für Lacher sorgen, denn durch die leichte Zeitversetzung, die programmbedingt leider vorhanden ist, wird aus dem einstimmigen Lied schnell ein Kanon.
„Natürlich ist es anders. Doch ging es auch darum, die Gemeinschaft ein Stück weit zu erhalten und in Kontakt zu bleiben“, so Lukas Krispin, der die Idee zum digitalen Tanzgruppentreffen hatte und im Leitungsteam der Tanzgruppe Esslingen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Es folgten Wochen des Hoffens und Bangens. Aktive und Vorstand warteten jede neue Ansage der Regierung ab und hofften auf Lockerungen. Und dann endlich die Ankündigung: Freizeitsport sollte – zwar mit Beschränkungen, aber dennoch – wieder möglich sein. Eine Chance auch für die Esslinger Tanzgruppe.
So hatte die Jugendgruppe eine lang geplante Ausfahrt mit Aufenthalt in einem Jugendgästehaus Ende Juni noch nicht abgesagt, da sie immer gehofft hatte, es könnte vielleicht doch noch stattfinden.
unächst schien dies zwar unmöglich, durch die neuen Verordnungen jedoch wieder denkbar. Bei genauerer Betrachtung entschieden sich aber alle Beteiligten dagegen. Zu groß die Vorgaben, vor allem beim Hygienekonzept stieß man schnell an die Grenzen. Dennoch wollte man den Termin nicht ungenutzt lassen. Eine Ausfahrt sollte zwar nicht stattfinden, doch könnte es einen Tanzgruppen-Tag geben.
Gesagt, getan. Das Leitungsteam setzte sich zusammen, denn ein Konzept musste her. Das hieß, Genehmigungen mussten eingeholt, die große Sporthalle bei der Stadt Wendlingen angefragt, ein Hygienekonzept erstellt und natürlich ein Ablaufplan gemacht werden. Beim Hygienekonzept orientierte man sich an den Vorgaben der Stadt. So hieß es unter anderem, mindestens 1,5 Meter Abstand halten, jedwelchen Körperkontakt vermeiden, Tragen von Mund-Nasen-Schutz beim Betreten der Halle, beim Toilettengang oder während der Essensausgabe. Apropos Essen: Dieses durfte nur portionsweise und von einer Person ausgegeben werden.
Am 27. Juni war es dann soweit. Das erste Treffen, das erste Wiedersehen nach wochenlangen Kontaktbeschränkungen. Alle Tanzgruppenmitglieder waren gekommen. Nach einer kurzen Begrüßung und der Vorstellung der Hygienehinweise durch Ann-Kathrin Kobsa, im Leitungsteam für die Jugendtanzgruppe zuständig, ging es mit dem Programm des Tanzgruppen-Tages los. Dieses war vielfältig und abwechslungsreich.
Den Auftakt machte Johannes Krispin. In einer kurzweiligen Präsentation stellte er die Banater Schwaben vor, erzählte über die Geschichte der Volksgruppe allgemein, um dann auf die Tanzgruppe Esslingen selbst und deren Geschichte, Aufgaben, Mitgliedschaften usw. zu kommen. Im Anschluss wurden zwei Gruppen mit jeweils sechs Teilnehmern gebildet. Auch dies war den Abstandsregeln geschuldet, so musste beim Tanzen die Fläche so bemessen sein, dass pro Person mindestens 25 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Zudem wurde jedem ein fester Sitzplatz zugewiesen. Eine Gruppe übte einen Flashmob. Geprobt wurde ein gemeinsamer Tanz, bei dem nicht paarweise, sondern jeder für sich eine bestimmte Schrittfolge tanzte.
Im Workshop „Schwowisch für Anfänger“ beschäftigte sich die zweite Gruppe währenddessen mit dem banatschwäbischen Dialekt. Wobei es den einen schwowischen Dialekt ja gar nicht gibt. Vielmehr setzt er sich aus mehreren hauptsächlich süddeutschen Dialekten zusammen. Überrascht waren die Workshopteilnehmer, dass sich in den Dialekten der Banater Schwaben auch so manch französisches Wort, wie zum Beispiel Plafon, Trottoir, Visavis, wiederfindet. Für den einen oder anderen Lacher sorgte das Memory-Spiel, bei dem es darum ging, passende Pärchen zu suchen. Dabei mussten die Teilnehmer zum hochdeutschen Wort das passende schwowische oder umgekehrt finden. Gar nicht so einfach… oder wüsste jetzt jeder auf Anhieb, was ein „Saufotzestambe“ oder ein „Dachdroppojazl“ ist? Teilnehmer ohne Banater Wurzeln hatten da so ihre Schwierigkeiten.
„Gerade solch ungewöhnliche Wörter zu finden, auf die man nicht sofort kommt, war die große Herausforderung im Vorfeld“, so Lars Wild, der den Workshop leitete. „Denn, dass ein Glas zu Glaas oder die Schüssel zu Schissl wird, stellt ja keine wirkliche Herausforderung dar“, erzählte Lars. Ach ja, die Lösungen: „Saufotzestambe“ wird der Schweineschinken genannt und beim Dachdroppojazl handelt es sich um einen Kasper.
Lustig war auch das kleine Theaterstück, dass die Gruppe auf Schwowisch üben durfte… eine interessante Erfahrung, vom besonders „scheenen Träämprinzen“ und hässlichen „Aschepredel“ zu hören.
Nach der Mittagspause wurde getauscht, so dass jeder Teilnehmer sowohl tanzen als auch Schwowisch üben durfte. Nachdem die beiden Gruppen ihre jeweilige Interpretation des Theaterstücks vorgeführt hatten, folgte eine Abschlussrunde, bei der jeder über seine Erfahrungen während des Tages sprechen und seine Wünsche für die Zukunft äußern konnte. „Die Pandemie hat vieles verändert. Prioritäten haben sich verschoben. Und doch hat sich eins während des Lockdowns und vor allem heute gezeigt: Wie wichtig jedem Einzelnen diese Gemeinschaft ist“, fasste Ann-Kathrin Kobsa zusammen und Anna Lehmann, Leiterin der Kindertanzgruppe, fügte hinzu: „Durch Corona kam es zu einer Art Entschleunigung. Während wir in einem normalen Jahr für Auftritte Tanz um Tanz probten und gefühlt von Termin zu Termin hetzten, konnten und können wir uns durch den erzwungenen Stopp mit Dingen beschäftigen, für die vorher kaum oder gar keine Zeit blieb. So zum Beispiel Vermittlung der Geschichte, Trachtenpflege oder aber auch das Singen Banater Volkslieder.“
„Wir wollen jetzt gemeinsam Konzepte erarbeiten, wie wir beides verbinden können. Tanzen auf der einen Seite, aber auch Wissen aneignen auf der anderen Seite. Auf alle Fälle bringt es uns näher zusammen“, ergänzte Ann-Kathrin Kobsa. Fazit aller: Es hat gutgetan, alle wieder persönlich zu sehen, zu tanzen, etwas gemeinsam zu unternehmen, wenn auch mit der einen oder anderen Einschränkung. Auch soll es eine Wiederholung geben. Wie, wann und wo steht allerdings noch nicht fest.